vonDetlef Guertler 20.11.2008

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

von A.S. Reyntjes:

Holodomor – ein Neuwort, das schon bei der UN in NY angekommen ist, aber abgewiesen wurde und deshalb als weltbekannter Zugewinn registriert werden kann:

Das Wort lautete ukrainisch ‘Голодомор’ und russisch ‘Golodomor’.

Das ukrainisch/russische Wort hat mit “Holocaust“ sprachgeschichtlich nichts zu tun.

Es bezeichnet die besonders 1932/1933 in der Ukraine (aber auch in Russland und Kasachstan) systematisch organisierte und militärisch praktizierte Vernichtung von unliebsamer Regionalbevölkerung durch den Plünderung und Entzug der spärlichen Lebensmittel in Form von Brot- oder Futtergetreide.

In der Ukraine möchte man am kommenden Samstag des 75. Jahrestags der großen Hungersnot von 1932/1933 gedenken.

Der „Holodomor“ (ukrain. für „Hungersterben“) ist nach Ansicht vieler Historiker damals vom Sowjet-Diktator Stalin planmäßig herbeigeführt worden, um den Widerstand der ukrainischen und russischen, aber auch der weißrussischen und kasachischen Bauern gegen die damals befohlene Kollektivierung der Landwirtschaft zu brechen. (vgl. die Darstellung bei wiki)

Der ukrainische Staatspräsident hat, trotz aller innerpolitischen Schwierigkeiten und Diskrepanzen mit der Russisch sprechenden Bevölkerung die Gedenken bis vor die UNO gebracht, um sie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit erklären zu lassen. Das hat die russische Vertretung unter Staatspräsident Medwedjew verhindert.

(Vgl. Konrad Schullers Interview mit Viktor Justschenko vom 20.11.08 (in der FAZ):

Ergänzend in der FAZ (ul) vom 20.11.08:
„Trotz der Bedeutung der Katastrophe für die sowjetische Geschichte hat der russische Präsident Medwedjew jedoch die Einladung zu der Kiewer Gedenkfeier ausgeschlagen, weil sie seiner Ansicht nach „darauf zielt, unsere Nationen zu entzweien, die über Jahrhunderte durch historische, kulturelle und geistige Bande sowie durch eine besondere Freundschaft und gegenseitiges Vertrauen geeint waren“. Historiker haben für den Holodomor in allen Teilen der Sowjetunion – also einschließlich Russlands und anderer Republiken – Opferzahlen zwischen fünf und sieben Millionen Menschen errechnet.“

Für politische Nachzügler in aller nicht-gesegneter Welt und Umwelt:

Wenn „Holodomor“ – das Neuwort, das die stalinistische Menschenvernichtung kennzeichnet – alsbald übertragen wird auf viele oder alle systematischen Hungerkastrophen könnte sich eine neue Dynamik in den Länden ergeben, die früher als Ent-Wicklungsländer bedenkenlos euphemisiert wurden, um sie von den Ressourcen und den Gebildeten her materiell und personell ausplündern zu können.

Sie sind Verwicklungsländer geblieben, in ihrer typischen Not der Abhängigkeit, Korruption und Hilflosigkeit her, ob wg. Hungers oder in Folge der medizinischen Versorgung.

Wo nicht die Weißen – die sog. Demokraten – (oder neuerdings die Russen oder die Chinesen) sich die gemütlich-schönen Landstriche für Erholungsparadiese oder zurückzulassende Industriebrachen aussuchen, frisst sich (um eine groteske Metapher zu benutzen…) der Holodmor sich global ‘voraus’, als kapitaler, extensiver Fort-Schritt des Grauens.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/holodomor/

aktuell auf taz.de

kommentare