vonHelmut Höge 04.01.2011

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Die Holzjournalisten scheinen immer mehr was gegen mich zu haben. Schon wieder wurde ein von ihnen bestellter und auch rechtzeitig abgelieferter Text von mir „vergessen“ – beide Male ging es um eine Besprechung von Fernsehfilmen. Und das ist für mich stets etwas umständlich, weil ich – ebenso wie ich kein Handy habe  auch noch nie einen Fernseher besaß. Zum Glück für meine vergessenen Texte gibt es seit einiger Zeit „taz.de“, wenn diese auch nichts dafür  zahlt, dass sie den ganzen zuvor weggedruckten bzw. übersehenen Scheiß ins Netz stellt.

Als das vor ein paar Tagen mit dem ersten Text geschah, gab es sogleich einen kleinen „Klick“-Rekord, d.h. der Eintrag wurde von vielen Leuten geöffnet, wie man so sagt. Seit Monaten nervt unser taz-de-chef Mathias Urbach uns schon mit seinen laufenden Klick-Meldungen, d.h. er verschickt über Hausmail regelmäßig Mitteilungen darüber, welcher Artikel wie oft angeklickt wurde. Nun war meine kleine TV-Film-Rezension sicher keine journalistische Glanzleistung, aber es kam das Wort „Multimillionär“ darin vor – und das auch noch kurz nach Silvester, da man sich gerne fürs neue Jahr irgendwas Wichtiges wünscht – Millionen Euro anscheinend die meisten. Und da haben dann eben viele gleich nach Neujahr schon mal „Multimillionär“ gegoogelt, wobei sie bei meiner Rezension gelandet waren. Ach.! Hätte ich doch bloß auch noch die Worte „Sex“, „Porno“ und „Hitler“ in dem überflüssigen Text untergebracht, dann hätte man mir als wirklichen Klick-Rekordler wahrscheinlich eine Flasche Sekt spendiert und der taz-blog-Wart noch einen Joint obendrauf.

Man hätte die beiden Texte übrigens auch gut und gerne hier in diesem blog unter „Regionalkrimis“ abbunkern können, denn es geht in den zwei Filmen, von denen sie handeln, um die Reichen, Berühmten  und Schönen und ihr kriminelles Hotelleben:

1. „Die Austern sind nicht mehr ganz frisch“

Aus dem Hotel-Roman ist seit Ende des 19. Jahrhunderts, als die Großbürger sich Hotelpaläste in den Metropolen und Kolonien leisteten, ein ganzes Genre geworden. Philosophen und Literaten lebten sogar auf Dauer in Hotels. Berühmt wurde Vicky Baums Roman „Menschen im Hotel“ und Arthur Haileys „Hotel“. Ferner Bohumil Hrabals „Ich habe den englischen König bedient“, „Der Roman des Hotel Adlon“ von Jürgen Ebertowski und John von Düffels Erzählung „Hotel Angst“. Nicht zu vergessen das  „Hotel California“ der Rockgruppe “ Eagles“, das „Overlook Hotel“ in Stanley Kubricks Film „The Shining“, das Hotel auf Haiti in „Die Stunde der Komödianten“, das „Beverly Wilshire Hotel“, in dem „Pretty Woman“ spielte, das noch vornehmere „Park Hyatt Tokio“, wo  „Lost in Translation“ gedreht wurde und das „Hotel Ruanda“, in das sich 1994 eine Gruppe Tutsis  flüchtete.

Hotels sind beliebte Kinokulissen. Auch real kommt man sich als Gast in einem Luxushotel manchmal  wie in einem Film vor. Die ARD zeigt morgen einen, in dem ein Hoteldetektiv die Hauptrolle spielt: „Eine Nacht im Grandhotel“. Dramaturgisch eine Umdrehung des „Grandhotel Abgrund“ von Georg Lukacs: Hierhin zogen sich einst die ohnmächtigen Bürger vor dem Chaos der Geschichte zurück. Im „Grandhotel“ der ARD geht es dagegen selbst so chaotisch zu, dass es kein Draußen mehr braucht und der Hausdetektiv praktisch ununterbrochen gefordert wird.

Da ist – auf Zimmer 128 – der Mafioso mit seiner Geliebten Greta, die einmal die Freundin des Hoteldetektivs war, der wiederum, als einstiger „Europol“-Bulle,  hinter dem Mafioso her war. Dieser ist jetzt aber nicht nur schwer krank, da ist auch noch ein Gast (auf Zimmer 130), der beauftragt ist, ihn zu ermorden. Der wird dann jedoch selbst umgebracht – vom Hoteldetektiv. Dabei kommt heraus, dass die fiese Hotelmanagerin dem Auftragskiller half. Sie fühlt sich zum Hoteldetektiv hingezogen, wird von diesem aber zur Kündigung gezwungen. Für kurze Zeit ist er nun Hotelchef – ohne ihn läuft bald nichts mehr. Er wirkt angespannt. Während eines nächtlichen Gesprächs mit dem krebskranken Mafioso sagt dieser zu ihm: „Gretas Schönheit, das ist das einzig Ewige!“ „Ja, das stimmt,“ erwidert der Hoteldetektiv nachdenklich.

Um diesen Dialog über die letzten Dinge wickeln sich aber noch jede Menge andere Handlungsstränge, die das Eingreifen des darob übermüdeten Hoteldetektivs erfordern – bevor das „Serviceniveau“ noch mehr sinkt. Und so muß er die sympathische Rezeptionistin dazu bewegen, am Bett eines reichen Gastes zu wachen, der depressiv und betrunken ist. Die Einkaufsprobleme der Küche bei Meeresfrüchten beheben – und das diesbezügliche Fehlverhalten des Personals gleich mit. Außerdem muß er den Verdacht, dass es auch klaut, dass es der eigenen drogenabhängigen Tochter im Hotel Unterkunft gewährte und exhibitionistisch veranlagt ist, entkräften. Um letzteres hinzukriegen, macht der Detektiv einer verarmt-alternden Sängerin einen fairen  Zimmerpreis. Zum Dank singt sie abends für die Überlebenden der vergangenen Nacht im „Salon“  einen alten Schlager aus der großen Zeit der  Grandhotels – und der Hoteldetektiv  darf sie auf dem Klavier begleiten. Er kann einfach alles, nur nicht dialogisieren.

Ich hoffe, ich habe nicht zu viel verraten. Dem Regisseur ist es mit einer einzigen „Grandhotel-Nacht“ gelungen, aus einem  Hotel-Roman einen Regionalkrimi zu machen, wobei er den „Tatort“ nach Art des „Traumschiffs“ aufbereitete. Während bei diesem schwimmenden Hotel jedoch die knallig-exotischen Farben überwiegen, ist das immobile „Grandhotel“ eher in dunkelrot bis warmbraun gehalten.

Szenen-Photo: ARD


2. „Strähnchen machen das Haar voller“

Robert Geiss wurde mit seiner Bodybuilder-Klamottenmarke „Uncle Sam“ reich – und mit seiner Frau Carmen, „Miss Fitness 1982“, auch berühmt. Das Kölner Multimillionärs-Ehepaar steht mit seinen Töchtern Shakira und Shania, seinen Villen an der Riviera, seinen Luxusautos und Yachten im Mittelpunkt einer „Familien-Doku“ von RTL II. Man sieht die vier blonden Glückskinder des Neoliberalismus am Pool, im Rolly-Royce, auf ihrer hochfahrbaren Terrasse, am Strand von Saint-Tropez und beim täglichen Restaurantbesuch, wo sie  450-Euro-Menüs genießen. „Sie sind überall da, wo der Jetset zu Hause ist,“ heißt es dazu aus dem Off – ironisch, d.h. intellektuell distanziert.

Die Familie Geiss konzentriert sich dort jedoch auf ihr „Familylife“. Bevor sie Kinder hatten, gab es für das „unschlagbare Duo“ nur „Party, Party, Party“. Sie hatten keine Zeit, zu  verbürgerlichen, blieben  Proletarier – und ignorieren bis heute tapfer alle ihre Peinlichkeiten. Carmen (45), die bereits einen eigenen „Fanclub“ hat und mit Jürgen Drews auftritt (sie singen zusammen das Kölnlied „Ne, was ist das schön“), geht täglich „Powershopping“. Robert (46) errichtet billig teure Luxusvillen. Von seiner Friseusin verlangt er: „Mach mich einfach 10 Jahre jünger.“ Über seine botox- und silikongespritzte Frau urteilt er: „Sie ist der Punkt, um auch einen Halt zu Hause zu haben und weiß meine Aussetzer zu händeln.“ Carmen  sagt zu ihm, als er Hunger hat: „Ich habe keine Nanny und nichts, wie soll ich dir da Spiegeleier machen?“ Beide sind der Meinung: „Ja, Personal ist schon wichtig. Man möchte die ganzen schönen Sachen des Lebens ja auch genießen.“ Sie haben zwar schon viele Angestellte, aber es muß noch ein Kindermädchen mit Kochkünsten her.

In der ersten Folge improvisieren sie dazu eine „Castingshow“ mit vier eingeflogenen Mädchen, u.a. müssen diese, um ihre Nannyfähigkeiten unter Beweis zu stellen,  eine Stoffpuppe im Pool retten. Zwei haben keine Erfahrung mit Kindern und eine verlangt 200 Euro täglich. Sie waren wohl „nur scharf auf einen reichen Mann,“ vermutet Carmen. Sie  entscheidet sich schließlich, durchaus gegen den Willen ihres Mannes, für eine junge Slowakin, die so gut wie keinen Busen hat, sich aber mit 200 Euro in der Woche begnügt. Lustig!

Obwohl beide Filme natürlich eine Riesensauerei sind. Gut, dass ich keinen Fernseher habe.

Szenen-Photo: RTL II

P.S.: In der SZ fand sich gestern ein Artikel über „Rätselhaftes Klicken“. Gemeint war damit die quantitative Aufmerksamkeit, die manche Internet-Eintragungen (auf Youtube, Facebook etc.) finden – und manche nicht. „Viele Forscher vermuten, dass in solchen Netzwerken oder bei Virusinfektionen eine Schwelle existiert, die Expidemien entfacht – der ‚Tipping-Point‘.“ Es geht dabei also um Ansteckung – sei es durch Mundpropaganda (wie bei Grippeinfektionen oder TBC), durch einflußreiche Meinungsmacher/“Influentials“ oder durch bloße Algorithmen – wie bei Youtube und Amazon, die automatisch beim Anklicken eines Eintrags einige weitere empfehlen. Besonders gut funktioniert das Erreichen eines „Tipping-Points“, wenn die Internet-Eintragung eine bestimmte Minderheit betrifft – z.B. Obstanbauer oder Tierschützer. 

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