vonSchröder & Kalender 21.08.2008

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Der Bär flattert in nordöstlicher Richtung.

Gestern fand ich, daß es im Studio ziemlich dunkel ist, und wir dauernd das Licht anmachen müssen. Also rauf auf die große Leiter und alle Rollos hochgezogen. Das ist immer das erste Zeichen: Der Sommer ist bald vorbei.

Die Römer haben die Zeit vom 23. Juli bis 23. August Hundstage genannt wegen des Sternbilds Großer Hund. Sirius ist der hellste Stern, und die alten Griechen dachten, daß die große Hitze wegen der Verschmelzung der Sonne mit dem »Feuer« des Sirius entsteht.

Wie es so geht, die Synapsen sprangen, plötzlich fiel mir ›Hamlets Mühle‹ von Hertha von Dechend und Giorgio de Santillana wieder ein. Dieses Buch sollte im März Verlag erscheinen, Helma Schleif hatte schon zwei Kapitel übersetzt. Im ›März Mammut‹ ist die Einleitung abgedruckt. ›Hamlets Mühle‹ ist dann nicht erscheinen, weil wir 1987 den März Verlag liquidieren mußten.

Dieses Buch über die Wurzeln des Mythos in archaischer Zeit widerspricht den meisten Ansichten über kulturelle Evolution. Shakespeares Hamlet dient den Autoren als kongeniale Leitfigur, sie beginnen deshalb ihre Reise durch das Meer des Mythos mit Amlodhi, der skandinavischen Urfigur des Hamlet.

Amlodhi besaß eine Mühle, die in guten Zeiten Frieden und Fülle hervorbrachte, später in Zeiten des Niedergangs mahlte sie Salz. Jetzt auf dem Meeresgrund mahlt sie Felsen und Sand und erzeugt einen mächtigen Wirbel, den Mahlstrom, der in das Land der Toten führt.


Vorabdruck aus ›Hamlets Mühle‹, Seite 583 bis 612 in ›Mammut. MÄRZ-Texte 1 & 2. 1969 bis1984. Hrsg. Jörg Schröder. 1274 Seiten mit zahlreichen Abbildungen.

Die wahre Bedeutung dieser Mühle und vieler ähnlicher Mythen wollten die Autoren aufspüren. Ihr Weg führte sie, er ließ sich nur durch Induktion finden, durch viele Länder: Island, Norwegen, Finnland, Italien, Persien, Indien, China, Mexiko und Griechenland, um nur einige zu nennen, bis sie schließlich auf die frühesten Spuren in Mesopotamien stießen, einige Jahrtausende vor unserer Zeitrechnung. Als sich die einzelnen Steine zu einem Mosaik fügten, entstand ein überraschendes Bild: Alle großen Mythen der Welt haben einen gemeinsamen Ursprung. Sodann: Die Geographie des Mythos ist nicht die der Erde. Die Räume des Mythos sind die des Universums, und seine Bewegung ist die der Himmelskörper. Der Mythos war also die Sprache, in der ein breites und umfassendes astronomisches Wissen weitergegeben wurde.

Diese begründete wissenschaftliche Hypothese der beiden Autoren hört sich selbstverständlicher an, als sie ist. In Wahrheit ist sie eine Sensation. Wenn nämlich vor Tausenden von Jahren der menschliche Geist eine konsistente, bewundernswert präzise Kosmologie erdenken konnte, dann hatte dieser Geist bereits den Einfluß jeglicher evolutionärer Prozesse überwunden. Dazu zitieren die Autoren den heute vergessenen Dupuis, der gegen Ende des 18. Jahrhunderts schrieb: »Mythos, das ist Wissenschaft, nur Wissenschaft wird ihn erklären.«

Das archaische Konzept war das eines rücksichtslosen Universums, »unerbittlich wie der Lauf der Sterne«, wie die Römer sagten, aber es war harmonisch, wie auch alle Lebewesen und Dinge einschließlich der Menschen in diese Harmonie gehörten. Dieses Universum haben wir verloren. Die Wahrnehmungen und das Wissen der Alten, so wie sie in diesem Buch entschleiert und aufgezeigt werden, ihre Kraft und Schönheit verzaubern uns nicht weniger, als die wissenschaftlichen Beweise den Verstand überzeugen.

Wer mehr dazu lesen will, findet es hier.

›Die Mühle des Hamlet‹ erschien dann 1992 im wissenschaftlichen Verlag Springer in Wien und in einer erweiterten Neuausgabe bei Kammerer & Unverzagt in Berlin, ist dort vergriffen und wird nicht wieder aufgelegt.

(BK / JS)

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