Isländischer Hair Metal und die örtliche Antwort auf 50 Cent
Wilder ging es am Donnerstag noch im Gaukurinn zu. Hielt sich im letzten Jahr beim Iceland Airwaves noch das Gerücht, die isländische Metalszene würde sich auf nicht mehr als fünf Personen beschränken, die nicht mal einen Ort haben, an dem sie sich gemeinsam treffen können, bewies man heuer das Gegenteil. Das Hardrock-Magazin Kerrang! lud heuer zum Metal-Festival im Festival. Mit Gavin Portland und Bands wie Momentum, We made God und Sign (aus dem Programmheft: „Heavy metal masters that riff their way trough life in a decadent style that brings to mind 80s hair metal, only better“) standen schon mehr als fünf isländische Metal-Anhänger auf der Bühne. Unzählige schwangen ihre Langhaar-Frisuren davor.
Nur einen Tag zuvor gehörte das Gaukurinn noch der isländischen Hip Hop Szene mit XXX Rottweilar, 1985! und Poetrix („Iceland´s answer to 50 Cent“).
Um Ruhe einkehren zu lassen, empfiehlt sich dann auch wirklich die Blaue Lagune. Die Badeanstalt muss beim Iceland Airwaves für eine obskure Beach Party herhalten.
Man kann sich das so vorstellen: man liegt in Badehosen oder Bikini im 40 Grad heißen Wasser und in der Hand hält man ein kühles Bier. Gut, das kennt man vom Teenager-Ausflug an die Costa Brava, aber hier beschallen exzellente französische DJs die Badegäste. Diese DJs stehen auf einer kleinen Insel inmitten der Blauen Lagune und tragen dicke Kapuzenanoraks, während sie ihre Getränkebecher mit Steinen vor dem Wind schützen und hinter ihnen das Erdwärmekraftwerk dampft.
Weniger exzessiv geht es in den örtlichen Plattenläden und Buchhandlungen zu.
Eine wunderbare Einrichtung beim Iceland Airwaves sind die Off-Venue-Events. Dabei treten Bands, die am Abend in den Clubs auftreten werden, am Nachmittag in Geschäften auf und spielen dort 20 bis 40 Minuten dauernde Showcases. Vom kurzen zusammen gefassten Best-of-Programm bis zur akustischen Verneigung vor Idolen (Of Montreal verzichten auf einen Großteil des eigenen Programms und spielen Fleetwood Mac und David Bowie). Dabei kann man sich zwischen Buchregalen (nichts wurde vorher weggeräumt und beiseite geschafft) und in übervollen Plattenläden (im Keller des 12 Tonar-Ladens bröckelt auch mal der Putz von der Decke auf die Regale mit den Vinyl-Platten, wenn oben eine Band spielt) ein Bild von den Bands machen, von denen man sich am Abend dann das Vollprogramm ansieht.
Die Konzerte beim Iceland Airwaves Festival finden in Locations statt, die kaum voneinander entfernt sind. Binnen fünf Minuten lassen sich alle neun Clubs ablaufen. Mal landet man im holzvertäfelten Spiegelsaal im Keller einer Bank, um sich dort Jon Spencers neue Band Heavy Trash zu sehen oder man findet sich in der überfüllten Bar aus dem Film „101 Reykjavik“ wieder. Während vor einem die Hamburger Moonbootica auflegen.
Bis zum nächsten Mal
Fragt mich nicht, was der Luxus gekostet hat.
Aber egal, Montag früh um halb sieben am Flughafen lag man sich zum Abschied in den Armen und versprach sich, im nächsten Jahr wieder hier zu sein. Gleich am ersten Tag. Direkt nach der Ankunft will man sich im Hressingarskálinn (gut, die Einheimischen wissen auch Bescheid, wenn man einfach nach dem Hressó fragt) treffen. Bei einer Kanne Kaffee (Tipp: dort für nur 2,70 Euro) kann man erst mal das Programmheft durchforsten und die Bands anstreichen, die man sehen will. Wo man letztendlich landet, entscheidet man dann aber doch wieder spontan. Es gibt zu viel zu sehen in nur dreieinhalb Tagen. Überraschungen, die einen aus dem Zeitplan werfen und Momente, mit denen man nie gerechnet hat. Nicht in einen anderen Club, nicht irgendwo auf der ganzen Welt. Und das ist ganz schön weit weg…
Säm Wagner