vonKarim El-Gawhary 25.12.2010

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Strassenhändler in Kairo: Foto: El-Gawhary

Eine unglaubliche Zahl, wenn man dieser Statistik glauben darf, die in der Presse zitiert wird.  Ägypten ist ein islamisches Land, heißt es in der Verfassung des Landes. Es gibt gerade einmal 200.000 ägyptische Katholiken, also umgerechnet 40.000 Familien, sprich Weihnachtsbäume.

Die meisten ägyptischen Christen, geschätzte 95 Prozent sind Kopten, die ca. zehn Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen. Sie kaufen wahrscheinlich keine Weihnachtsbäume im großen Stil. Sie feiern ihr orthodoxes Weihnachtsfest am 7. Januar, das für sie ein wesentlich weniger wichtiger Feiertag ist, als Ostern, und das recht kommerzfrei, ohne Weinachtmänner und Rentierschlitten auskommt. Auch der Christbaum hat dort keine große Tradition.

Natürlich gibt es eine ganze Reihe Ausländer als potentielle Käufer. Auch Hotels und Einkaufszentren schmücken sich mit Weihnachtsbäumen.

Aber eine halbe Million Bäume? Und selbst wenn es nicht so viele sein sollten. Es war auffällig, dass nahezu jeder Blumenladen Kairos sich dieses Jahr das Weihnachtsgeschäft nicht entgehen lies (siehe den letzten Arabesken-Blogeintrag) .

kurze Arbeitspause: Foto: El-Gawhary
kurze Arbeitspause: Foto: El-Gawhary

Woher kommt also die Boom für Weihnachtsbäume an den Ufern des Nils?

Wahrscheinlich sind es die Ägypter mit starken Verbindungen zum Westen, die ihre Kinder auch auf europäische oder amerikanischenSchulen schicken, die hier die größte Käuferschicht ausmachen, jenseits der Religionszugehörigkeit.

Der 33jährige Invenstment-Banker Osama Abdel-Schafi, dem Namen nach Muslim, wird heute folgendermassen  in der ägyptischen Tageszeitung Al-Masri Al-Youm zitiert:

„Ich wurde dieses Jahr zu vier Weihnachtsfeiern eingeladen, drei der Einladungen kamen von muslimischen Familien. Dieses Jahr ist Weihnachten einfach angesagt“,

Dort kommt ebenfalls Rania El-Nazer zu Wort, die in der Werbebranche arbeitet und die selbst eine Weihnachtsfeier ausgerichtet hat  Sie liebt einfach die Dekorationen, das Zusammenkommen und den Austausch der Geschenke, erzählt sie.

Das Fazit daraus: Ägypter lieben es einfach, eine gute Party zu schmeißen, mit Verwandten und Freunden zusammenzukommen und das in einer möglichst glitzernden Atmosphäre. Und wenn es ursprünglich ein christliches Fest ist, sei´s drum.

Ägypten ist halt doch ein komplexeres Land. Es war ein trauriges Jahr für Ägyptens Kopten, die an ihrem eigenen Weihnachtstag zu Beginn des Jahres Opfer eines Anschlages in der südägyptischen Kleinstadt Naga Hamadi geworden sind. Und immer wieder, wurde, vor allem auf dem Land, über blutige Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und Kopten berichtet. Diskriminierung und das Gefühl Bürger zweiter Klasse zu sein, ist für die Kopten inzwischen leider eine alltägliche Erfahrung. Gleichzeitig werden in dem gleichen Land möglicherweise mehr Weihnachtsbäume an Muslime als an Christen verkauft. Wie passt das zusammen?

Das Arabesken-Weihnachtforum ist eröffnet.

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