vonKarim El-Gawhary 06.11.2010

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Zerrissen Rot, Artist Jürgen Freund : Quelle: Easyart

Als Nahost-Korrespondent gerät man dieser Tage leicht ins Kreuzfeuer. In Deutschland wütet die Islam-Debatte mit all ihren bizarren Formen. Von ganz braun, über Sarazin bis tief in die bürgerliche Mitte hinein, haben sie die Muslime als Feinde und den Islam als Grund allen Übels ausgemacht.

Auf der anderen Seite gehen viele Muslime in Igelstellung und meinen im Gegenzug alles Eigene bis hin zum Absurden verteidigen zu müssen.  Und dann ist da noch dieser arabische Reflex, zwar genau zu wissen, was in den eigenen Ländern falsch läuft, aber aus einem Gefühl des Patriotismus nach Aussen hin keine dreckige Wäsche waschen zu wollen und nur nicht das Image des Eigenen anzukratzen.

Rassistische Breitseiten auf der einen, merkwürdige Imagepflege auf der anderen Seite.

Wenn man als Nahost-Korrespondent dieser Tage beginnt, einen Text zu schreiben, stellen sich immer wieder die gleichen Fragen.
Wenn ich über die Kassiererinnen in Saudi Arabien schreibe, die per Fatwa verboten werden, ist das nicht wieder Wasser auf den Mühlen der Islamkritiker und Islamverallgemeinerer? Wenn den Stundenplan aus einer saudischen Mädchenschule auf den Blog setze,  heißt es dann nicht wieder , seht ihr wir wussten schon immer, was passiert, wenn die Muslime Europa erobern?

Dann bekomme ich Mails wie:

„Ich dachte nicht, dass du islam-feindlich bist, aber da lag ich leider falsch“

Schreibe ich Kritisches über Ägypten, ereilen mich folgende Zusendungen:

„Dieser Bericht macht so einen schlechten Eindruck über Ägypten!!Ich finde es einen Schande so etwas zu schreiben als Ägypter! Wir können nur durch Vaterlandliebe und Patriotismus unser Land stärken! Nicht durch solche ägyptenfeindliche Beiträge“.

Wenn ich dagegen erzähle wie das Magazin Forbes unter den 100 stärksten Frauen der Welt auch einige Musliminnen aufgelistet hat, wenn ich mich auf Studien beziehe, die besagen, dass Saudis und Ägypter weltweit das Internet engagierter nutzen als Deutsche und Österreicher, wenn ich das Plädoyer einer Muslimin an den Westen auf den Blog setze, die Burka nicht zum Schlachtfeld zu machen, dann kommt die andere Seite auf den Plan und wirft mir vor, ich sei Islam-Apologet. Das kann bei diesem Vor- und Nachnahmen ja auch nicht anders sein. Dann bekomme ich unsagbare Mails, wie die folgende, von einem anonymen Absender.


„Wissen Sie was, Herr Allahrülps? Wir Deutschen und Christen können die Musulmanenficker nicht leiden …. (nicht zitierbar) Uns Deutsche stört dieser Rotz und dieser Müll aber sehr. Bei einer Neutronenbombe auf Kairo gibt  s hier ne Party… (Rest nicht zitierbar).“

Das schönste Beispiel, wie jede Seite einen Beitrag in ihrem Interesse interpretiert, war der Blogeintrag über die Macht des Facebooks, als prügelnde Lehrerinnen gefeuert wurden, nachdem sie in einem Video geoutet wurden.

Darauf gab es zwei Arten von Reaktionen:

Schublade 1: Die schlimmen Syrer (respektive modisch Muslime), die schlagen ihre Kinder

oder

Schublade 2: Die guten Syrer unternehmen via Facebook etwas dagegen.


So werden die Schubladen bei jedem Blogeintrag auf und zu gemacht. Ich werde weiterhin versuchen, meine Schere im Kopf nicht schnippeln zu lassen, bei dem Gedanken, wie diese oder jene Geschichte aus meiner Region in der Islamdebatte in Europa ankommen könnte und plädiere an die  Leser und Leserinnen dieses Blogs:

Lasst die Schubladen zu und die Köpfe offen!

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https://blogs.taz.de/im_kreuzfeuer_der_islam-debatte/

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