Deutscher Electro aus Berlin, möglicherweise die hiesige Antwort auf Hot Chip
und amerikanischer Country-Folk, wie er schöner nicht sein könnte.
Bonnie „Prince“ Billy – Lie down in the Light
Will Oldhams Geschichte ist ein Lehrstück über den spielerischen Umgang mit Freiraum und Öffentlichkeit. Obwohl er zu den umtriebigsten und produktivsten Musikern der letzten Jahre zählt, als Schauspieler in Erscheinung tritt und sich sogar im Rausch filmen lässt, ist verhältnismäßig wenig über ihn bekannt. Einigkeit besteht zwar über seine Genialität, alles weitere arbeitet sich jedoch an Versatzstücken ab und bleibt dabei mehr oder minder spekulativ. Inszeniert sich dieser Mann als Kunstfigur? Vielleicht schon. Möglicherweise, um ungebunden zu bleiben, sich biografistische Textinterpretationen vom Hals zu halten und zusätzlich Verwirrung zu stiften und niemanden so richtig an sich heran zu lassen. Dabei ist Bonnie „Prince“ Billy doch ein Mysterium, das seinem Publikum sehr nah erscheint. Musik und Text sind geprägt von einer Simplizität, einer Nacktheit, die bei Live-Shows unvergleichliche Intimität erzeugt. Es passiert sehr selten, dass aus so wenig so viel entsteht. Diese direkte Verbindung, diese Nähe zu einem unbekannten Mann, entsteht auch beim Genuss seiner Platten. Mark Nevers (Lambchop, Calexico) hat das neue Bonnie „Prince“ Billy Album „Lie down in the Light“ produziert. Der Titel ist programmatisch, die düster resignierte Grundstimmung alter Platten spielt mittlerweile keine entscheidende Rolle mehr. Bonnie Billys Frieden ist keiner aus Verzweiflung, die zwölf Songs strahlen Hoffnung aus. Hoffnung in Folk und vor allem Country. Keinesfalls soll damit die erdige Variante des Country gemeint sein, Bonnie „Prince“ Billy klingt hier immer noch zurückgenommen, unglaublich zerbrechlich und zart. Aber bisweilen nimmt er etwas Tempo auf. Freilich so elegant, wie ein distinguierter Herr aus höheren Kreisen es vielleicht täte. Die großen Themen beschäftigen Bonnie „Prince“ Billy immer noch, und auch Lust spielt weiterhin eine Rolle. Oder sollte „Kneel down and please me, show how you want me and do it, so everyone sees me“, das im Duett mit Ashley Webber (Black Mountain, Pink Mountaintops) gesungen wird, doch irgendwie metaphorisch zu verstehen sein? Die Antwort wird er uns wohl schuldig bleiben. So ganz werden wir nicht schlau aus diesem Typen. Aber Platten macht er – die sollte man wirklich kennen. Eine Verneigung vor seinem Ouevre. (Louis Parker)
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* Easy Does It
Im Netz:
* Indiepedia
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Bodi Bill – Next Time
Vor ein paar Wochen stand ein junger Mensch vor einer Regensburger Bar, der vorbeigehende Hipster schnell am Arm festhielt, was von “Berlins Antwort auf Hot Chip” faselte und die Gestoppten in die Bar bugsierte.
Drinnen stellte sich heraus, dass es wohl doch nicht die breite Masse war, die bereit war, einen Bodi Bill-Auftritt über sich ergehen zu lassen. Vielleicht lag es daran, dass gerade Feiertag war. Vielleicht aber auch daran, dass Bodi Bill in Regensburg (fast) noch niemand kannte. Schlechte Vorzeichen für eine Electro-Pop-Show, die an einem heißen Sommerabend um 21 Uhr 30 in einer Bar stattfinden sollte.
Hätte man Bodi Bill am Freitag oder Samstag um 3 Uhr auf die Bühne einer hiesigen Disko gestellt, wäre der Laden durch die Decke gegangen. Aber sowas von.
In der kleinen Bar aber stand die Band auf der einen Seite an der Wand, während an der gegenüberliegenden Bar 15 Zuhörer die Hände mit Kaltgetränken kühlten.
Mehr als die Hälfte der zahlenden Gäste waren selbst Musiker und so kam es zu einer obskuren Situation, die man selbst noch vom Vorsingen im Musikunterricht kennt.
Während die eine Seite alles gibt, um gut wegzukommen (in diesem Fall also: Ekstase, wilder Instrumentenwechsel und schließlich: selber den Tanz eröffnen), stand die prüfende Meute gegenüber mit Kennerblick an den Tresen gelehnt, um die Vorführung zu bewerten.
Bodi Bill hatten an dem Abend Besseres verdient. Viel zu gut war ihr Debütalbum „No more Wars“ (eine wunderbare Mischung aus Thom Yorkescher Frickelromantik und wildem Electro-Beat). Und viel zu gut ist auch das zweite Album. Was sich bei „Next Time“ geändert hat, ist die Abwechlsung. Während sich „No more Wars“ noch langsam hochschraubte und von Song zu Song immer mehr beschleunigte, fährt der Spannungsbogen bei „Next time“ eher Zick-Zack. „One or Two“ steppt im Breakbeat mit flehendem Gesang los, während “Needles” schon wieder auf das Bremspedal tritt. Das dritte Stück „Tip Toe“ ist düster und macht Platz für Trip Hop-Ausflüge in „Sorry to disturb you but I´m lost“.
„I like Holden Caulfield“ ist die Single, die zur Hymne der Quirky-Pop-Generation werden würde. Würden Bodi Bill nur endlich den Durchbruch schaffen. In Regensburg und überall. Der Typ, der vor der Bar immerzu behauptete, Bodi Bill wären die Berlins Antwort auf Hot Chip, war ich… (Säm)
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* I like Holden Caulfield
Programmhinweis in eigener Sache – am Dienstag, den 17.6., moderiert das Popblog der taz von 17.00h – 18.00h das ByteFM Mixtape beim gleichnamigen Webradio.