In der österreichischen Presselandschaft wird eine Prominenz gehätschelt, die jedem denkenden Menschen die Haare zu Berge stehen lässt. Von Hans Dichand abwärts versauen die Medienmacher täglich das öffentliche Meinungsbild mit VIPs, die man anderswo mit nassen Fetzen aus dem Land gejagdt hätte.
Man kann es nicht drastisch genug sagen: Aus all unseren Blättern purzeln einem ununterbrochen Halbidioten entgegen – Casino-Bosse und Möbelhaus-Regenten, Missen und Museumsgeneräle, Fusssballhoffungen und Traumpaare. Ganze Unternehmen wie die Tageszeitung Österreich oder das Wochenmagazin News sind auf den Bekanntheitsfaktor ihrer Berichtsgegenstände aufgebaut. Und selbst die Redakteure gehobener Zeitungen vollführen einen Freundentanz, wenn sie die dürftige Literatur eines Franzobel oder eines Ägyd Gstättners abdrucken dürfen.
Zwölf Monate im Jahr wird Österreich mit Nichtigkeiten belästigt. Zwölf Monate im Jahr Society-Politik und Society-Kultur und natürlich Society-Society verbreitet. Zwischen den Plaudertaschen Mathias Horx und Erhard Busek (»Geld macht mich sicher«), die hierzulande als Intellektuelle gelten, glitzern Anna Netebko und Fiona Swarovski, zwischen Benjamin Reich und Ingrid Thurnher grinsen ohne Unterlass DJ Ötzi und Klaus Eberhartinger aus den Seiten. Da gibt es die »Operball-Fürstin« Desirée Treichl-Stürgkh, eine »Star-Talkerin« namens Barbara Karlich, die »Tanz-Königin« Claudia Stöckl und das »Society-Urgeistein« Jeannine Schiller – lauter peinliche Medienexistenz, eine schlimmer als die andere.
Lächerlich für Intellektuelle und Selbstdenker, lächerlich aber auch für Bauern und Pfarrer, lächerlich für Arbeiter und Gewerkschafter – allein »interessant« und »aufregend« für die kleine Mirjam an der Kasse des Supermarkes und ihren halbalfabetisierten Ali, die sich beide Österreich vorstellen wie eine Miniausgabe von Beverly Hills. Womit auch schon die Hauptzielgruppe der meisten österreichischen Medien genannt wäre: die Zuwanderer und die Jobber, die zynischen Modernisierer und die gelangweilten Angestellten, denn für die unflexiblen Alteingesessenen, die Kommunikationsfreudigen und die Neugrierigen arbeiten die nie und nimmer.
Der einzige Hoffungsschimmer auf Qualität in dieser Medienlandschaft, die liberale Tageszeitung Der Standard, hält mit völlig untauglichen Mitteln gegen den grassieremden Irrsinn. Das rosa Blatt featurert im Gegenzug die ausgelaugten Subkulturfiguren der Achtzigerjahre Hermes Phettberg und Kurt Palm bis zum Erbrechen. Regisseur Palm darf einmal in der Woche sogar in einer Kolumne beweisen, dass er mit dem Kopf die Welt so wenig durchdrungen hat wie das Leben.
In dieser beklagenswerten Situation der österreichischen Öffentlichkeit haben Stimmen von schärferer Intelligenz und Zunge keine Chance. Als vor einem Jahr die evangelische Theologin Evi Krobath nach einem grässlichen Unfall zu Grabe getragen wurde, war das den österreichischen Feuilleton-Redaktionen keine einzige Zeile wert. Kein Porträt, kein Nachruf, keine Würdigung.
Gestalten wie diese Frau, die etwas zur Gegenwart zu sagen hätten, werden nicht einmal interviewt. So kommt es, dass unsere wirklich interessanten Zeitgenossen brav in Vereinsblättchen und Fachpublikationen wirken, in den Elfenbeintürmen von Instituten und Akademien, so kommt es, dass Quer- und Weiterdenker stets nur kleinen Segmenten der Öffentlichkeit bekannt sind und das breite Publikum nicht einmal ihre Schatten wahrnimmt.
Der katastrophale Zustand der Medienkultur in Österreich liegt übrigens weder am Platzmangel in den Blättern, noch an der Ablehnung oder dem Desinteresse des Publikums. Schuld daran trägt einzig und allein der Bildungsmangel der leitenden Redakteure! Auf allen Schreibtischen stapeln sich knallbunte Magazine, und die meisten Printjournalisten würden lieber heute als morgen Fernsehen machen statt eine anständige Zeitung.
© Wolfgang Koch 2008
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