Die im Dezember 2006 in Wien verstorbene Religionspädagogin war die bekannteste feministische Theologin in der österreichischen Diaspora der evangelischen Kirche. Geboren 1930 brach Krobath nach ihrem Theologiestudium in Wien zunächst und gemeinsam mit ihrem Mann dorthin auf, wohin sich die Protestanten in der Zeit der brutalen Gegenreformation geflüchtet hatten: in die hinteren Bergtäler der deutschen Kronländer der Monarchie, in diesem Fall ins kärntnerische Weissbriach.
Später unterrichtete Evi Krobath an Volksschulen, AHS und BHS in Kärnten und in der Steiermark. Sie erhob ihre Stimme, als es 1972 um die Rechte der Kärntner Slowenen ging. Sie gehörte zu den Gründerinnen des Frauenhauses in Klagenfurt/ Celovec, sie verbesserte in vielen Schritten die Ausbildung für ReligionspädagInnen.
Kurz: sie war zeitlebens das, was ihre Generation eine »engagierte Christin« oder eine »kritische Christin« nannte – wachsam gegenüber Ungerechtigkeiten, bereit zu reden und zu handeln, und kein grosses Aufheben davon zu machen, wenn der eigene berufliche Erfolg darunter litt.
Die Schwerpunkte ihrer theoretischen Arbeit in Pubikationen und Vorträgen lagen in der feministischen Bibelexegese und im Jüdisch-christlichen Dialog. Ein Jahr nach ihrem Tod hat nun die Evangelische Akademie Wien nun endlich ein Symposium zum Wirken der Theologin veranstaltet. Im Hauptvortrag machte die Kassler Theologin Luise SCHROTTROFF deutlich, worin der geistige Beitrag dieser von den österreichischen Medien weitgehend ignorierten Frau bestanden hat.
[Gewiss war Krobath keine der Mediengesellschaft adäquate Selbstvermarkterin, sondern hielt sich vornehm zurück; sie drängte sich nicht in den Vordergrund, sie diente sich den Medien nicht an. Für mich aber ist diese Abstinenz der österreichischen Intelligenzler letztlich keine freiwillige, sondern Ausdruck eines ausgrenzenden Gewaltzusammenhanges.]
Krobath gehörte zu den Personen, die ab den Siebzigerjahren eine Neulektüre der biblischen Frauengestalten initierte. Dieses Bibellesen übernahm zunächst unbewusst Denkmuster des christlichen Antijudaismus; man sah im Gottessohn Jesu einen, der die Frauen von den diskriminierenden Reinheitsgeboten des jüdischen Patriachats befreit hat.
Das war erst der Anfang. Es bedurfte jahre- und jahrzehntelanger Arbeit der aufgeklärten TheologInnen, den offenen und versteckten Antijudaismus des Neuen Testaments zu überwinden. Weder waren die historischen Pharisäer heuchlerische Schurken, noch predigte ein harmonieverknallter Jesus die Liebe, während der Gottvater der Tora mit zornigen Brauen Gesetz und Rache forderte.
»Christen sind nicht ehrenhalber Juden«, betonte SCHROTTROFF in ihrem Vortrag, »abgegrenzt von denen, die die Gerechtigkeit Gottes zerstören durch Ausbeutung. Ob die rechte Lehre geglaubt wird, ist irrelevant.«
Heute sind wir bereit zu erkennen, dass in der feministischen Exegese der Bibel ein Paradigmenwechsel stattgefunden hat, der alle Gläubigen betrifft: Weg von der christlichen Ablehnung einer Gesetzesreligion der »guten Werke«, hin zur Einbeziehung des jüdischen Gottes in den Christenglauben. Weg vom naiven Glauben, Jesus löse das alte, verkommene Gesetz ab; hin zum Heil Israels wie aller Völker. Weg vom nagenden Schuldbewusstsein des Individuums, hin zu einer Erfahrung der eigenen Erstrickung in »sündhafte Strukturen«. Weg von der lutherischen Glaubensgewissheit, hin zu einem historisch angemessenen und befreiendem Bild, das dem Miteinander von Konfessionen dient.
Ohne Frage kam Evi Krobath bei ihrem Wirken die eigene jüdische Herkunft vonstatten, ja sie prädestinierte sie geradezu für die Rolle der Mentorin und der Moderatorin im Jüdisch-christlichen Dialog. Sie sprach am liebsten vom »Judentum als Mutterreligion« und blieb unerschütterlich im Glauben daran, dass auch der kleine Schritt nicht vergeblich ist, weil Gottes Gerechtigkeit grösser ist als die Macht des Todes.
In den letzten Lebensjahren hat sich Krobath konsequent für das Grossforschungsprojekt Bibel in gerechter Sprache stark gemacht, das seit dem Erscheinen einer günstigen Buchausgabe breiten Raum in den protestantischen Diskussionen einnimmt. Die lange nur akademisch geführte Debatte über Geschlechtergerechtigkeit ist damit endlich bei den Kirchgängern angekommen und wirkt zurück in die Gesellschaft.
Dass die geistige Saat der österreichischen Feministin heute aufgeht, kann freilich nicht vergessen machen, wer ihr Gedeihen über Jahrzehnte behindert hat. Nämlich eine, bei all dem täglichen Getöse von ORF und Zeitungen peinlich unterentwickelte österreichische Öffentlichkeit.
© Wolfgang Koch 2008
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