Immer tiefer geht es hinein ins Innere des Subkontinents. Inzwischen sind Dörfer ohne Licht die Regel. Das sind menschliche Ansammlungen von mehreren tausend Leuten, die schon um 18 Uhr vollkommen im Dunkeln sitzen. Es sind Städte wie von Juan Carlos Onetti erdacht. Die Menschen haben dieselbe Farbe wie ihre Häuser, und die wiederum wie der nasse Schlamm um sie herum. Alles ist braun, alles steht unter Wasser. Überschwemmungen sind ja gut und schön – wer denkt nicht gern an den Sturm ‚Katrina‘ und die damit verbundenen Abenteuer in New Orleans – aber hier stehen die Dinge und Lebewesen gleich bis zum Hals in der dunklen Soße. Manchmal sieht man den Kopf einer lebendigen Ziege aus dem Wasser ragen. Dann wieder badet ein Mensch mitten in der Nacht im ewigen See. Überhaupt scheint der ganze Bundesstaat ein einziges New Orleans von 2007 zu sein. Die Menschen können nur auf schmalen Stegen zueinander finden. Häuser beginnen grundsätzlich mit dem ersten Stock. Das ist schon seltsam. Millionen Leute, die keine Verbindung mit der Warenwirtschaft haben. Kein Geld, kein Konto, kein Handy, denn das müßte man ja aufladen. Die Leute wirken trotzdem gesellig und kaum niedergeschlagen. Immer sitzen sie in Trauben zusammen und erzählen sich Witze. Natürlich wieder nur die Männer. Würde der Zug an diesen gottverlassenen Orten halten, stiege ich aus und setzte mich dazu.
Auffallend auch die vielen Kinder. Die müssen ja irgendwann und irgendwie gemacht worden sein. Kann man sich aber nicht vorstellen. Die Geschlechter sind streng getrennt. Offizielle Hochzeiten kann man sich in diesen in der apokalyptischen Schlammsuppe steckenden Hundehütten auch nicht vorstellen. Wie soll es also gehen? Kommt ein Doktor aus der fernen Stadt Kalkutta vorbei und nimmt an den Frauen mit Kinderwunsch eine Insamination mit der Pipette vor? Um es herauszufinden, gibt es nur einen Weg. Ich muß mit meinem Driver und einem gemieteten Taxi in eines dieser Dörfer fahren. Als ich es ihm vorschlage, sehe ich zum erstenmal Angst in seinen Augen.
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