vonBlogwart 09.04.2011

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Von Hannah Sprute

Nur noch wenige Menschen trauen Politikern zu, für das Gemeinwohl und nicht im Sinne des eigenen Machterhaltes zu handeln und zu entscheiden. Wäre es da für die Politik nicht an der Zeit, das nicht mehr ganz so neue Medium Internet als Ort der Mobilisierung zu entdecken und Bürger in sozialen Netzwerken, mit Videobotschaften und per Twitter an politischen Prozessen teilhaben zu lassen?

Diese Frage soll am Samstagvormittag von Matt Wells, Blog-Redakteur des Guardian, Markus Beckedahl, Chefredakteur von netzpolitik.org, Teresa Bücker, Social Media Managerin der SPD, und Karl Lauterbach, dem gesundheitspolitischen Sprecher der SPD im Bundestag, diskutiert werden.

Während Wells, Beckedahl und Bücker davon überzeugt sind, dass das Netz eine neue Öffentlichkeit schafft, die vielfältige Möglichkeiten bietet, bleibt der einzige Politiker in der Runde skeptisch. Lauterbach nutzt das Internet zwar täglich intensiv als Privatmann und Bürger, vom politischen Nutzen ist er aber keineswegs überzeugt. Er schätze das persönliche Gespräch und habe zu wenig Zeit, um zu twittern oder zu bloggen. Außerdem hätten gerade Menschen mit einkommensschwachem oder bildungsfernem Hintergrund oft keinen Computer mit Internetzugang und würden so von der politischen Diskussion ausgeschlossen.

Wells hingegen wirft der Politik in Großbritannien wie in Deutschland vor, das Internet nicht genug zu nutzen, um mit den Bürgern in Kontakt zu treten. Nicht nur in Nordafrika habe sich gezeigt, welche Chancen das Internet bieten könne. Aber Politiker hätten wohl schlichtweg Angst davor, sich mit dem neuen Medium auseinanderzusetzen und sich dem Wahlvolk weiter zu öffnen.

Teresa Bücker, die für den Internetauftritt der SPD zuständig ist, findet das keineswegs verwunderlich. „Politik wird von weißen Männern um die 50 gemacht“, und eben die würden sich nur wenig im Internet bewegen – im Gegensatz zu einer Generation junger Leute, die sich ständig im virtuellen Raum bewegen und so für die Politik viel leichter erreichbar wäre.

Auch Beckedahl sieht für Politiker die Notwendigkeit, mehr direkt über das Internet ohne den klassischen Umweg über Journalisten zu kommunizieren. Auch wenn die Gesellschaft erst lernen müsse, mit diesem freien Informationsfluss umzugehen. Parteien würden das Internet während des Wahlkampfs zwar als „digitale Plakatwand“ schätzen, das sei es dann aber häufig schon gewesen.

Nach einiger Zeit wiederholen sich die jeweiligen Positionen, auch Publikumsfragen bringen kaum neue Impulse. Dass das Internet als Kontrollinstanz wichtig sei, wie sich im Fall Guttenberg gezeigt habe, meint zwar auch Lauterbach. Skandale würden schneller aufgedeckt und nachhaltiger bewertet werden. Für ihn ist das World Wide Web aber eher eine Bürgerbewegung, die Nutzung durch Politiker hält er für weniger angebracht – auch wenn ihn die junge Parteigenossin Bücker gerne dazu animieren würde.

Am Ende bleiben viele Fragen offen. Wie soll die Kommunikation zwischen Politiker und Bürger im Internet konkret aussehen? Wird mit der Bürgerpartizipation über das Internet eine Zweiklassengesellschaft geschaffen oder nicht? Sollte ein Politiker im Internet seinen Terminkalender offen legen, um transparent und authentisch zu sein? Interessiert sich wirklich jemand für den Videoblog der Kanzlerin? Und wann beginnt die Revolution wirklich?

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