Abwanderung ist eines der großen Probleme Kubas. Das wurde Ende dieser Woche wieder einmal deutlich. Nicht nur der Besuch der US-Delegation zur Aushandlung neuer Migrationsvereinbarungen belegt dies, sondern auch die mahnenden Worte von Silvio Rodríguez. Der Barde der Revolution mahnte, dass ein Land ohne Jugend zu einem Gespenst zu werden drohe. Doch Auswege scheinen nicht in Sicht.
An einem geheimen Ort in Havanna fanden am letzten Donnerstag und Freitag die Verhandlungen über neue Migrationsbestimmungen zwischen Havanna und Washington statt. Havanna, so ist in einer Note des Außenministeriums vom Samstag zu lesen, drängt auf Modifikation der US-Bestimmung, wonach jeder Kubaner und jede Kubanerin, die trockenen Fusses in den USA ankommen, automatisch ein Bleiberecht erhalten. In Kuba wird schon seit Jahren gegen diese Regel demonstriert, unter anderem weil sie die Migration in Richtung USA anheizt. Zwar ist Auswanderung ein Phänomen der jüngeren kubanischen Geschichte, aber in den letzten Jahren ist es zu einer neuen Welle von Auswanderung gekommen. Durchschnittlich 35.000 Kubaner wandern derzeit pro Jahr aus und es ist sind oftmals die jungen Hochqualifizierten, die gehen. Für die Insel und ihre Zukunft heißt das nichts Gutes, wie Silvio Rodríguez, einer der populärsten Sänger der Insel, am Freitag in einem Interview auf der Homepage des in Havannas Altstadt gelegenen Kulturzentrum Torriente Brau betonte. „Wir müssen reflektieren, analysieren (warum viele kubanische Jugendliche) als einziges danach Trachten zu emigrieren“, mahnte der 63jährige Sänger. Der gilt als Aushängeschild der kubanischen Revolution und ihm wurde im Gegensatz zu anderen Kulturschaffenden wie der Salsaband Los Van Van noch im letzten Jahr die Einreise in die USA verweigert. Rodríguez mahnte der Jugend der Insel zuzuhören und bezeichnete die Debatte unter Intellekutellen der Insel über die Emigration der Jugend als positiv. „Ein Land ohne Jugendliche ist verurteilt in Dunkelheit zu existieren, ein Gespenst“, so Rodríguez. Mit seiner Initiative steht der Sänger nicht allein da, denn eine weitere bekannte Intellektuelle der Insel, Grazziella Pogolotti, mahnte wenige Tage zuvor den Dialog mit der Jugend zu intensivieren. Angesichts der hohen Auswanderungsquote, in der die illegale Auswanderung nur partiell erfasst ist, eine nachvollziehbare Initiative. Wichtigstes Emigrationsziel sind nach wie vor die USA, die Wert darauf legen, die Migration aus Kuba zu kanalisieren. Auswanderungswellen wie die Balserokrise von 1994, als mehr als 35.000 Kubaner in wenigen Wochen auf allem was schwamm rüber in die USA machten, sind nicht erwünscht und genau deshalb treffen sich in schöner Regelmäßigkeit Delegationen aus den USA mit Counterparts von der Insel.
Dabei geht es allerdings nicht immer nur um Auswanderung sondern auch um die Abstimmung der Maßnahmen gegen den organisierten Drogenhandel im karibischen Becken, Umweltprobleme genauso wie Klimaphänomene und einiges mehr. Bei der Visite der US-Delegation in Havanna ging es jedoch auch um Alan Gross. Der US-Amerikaner war am 4. Dezember in Kuba festgenommen worden, weil er in Havanna Laptops, Mobiltelefone und andere elektronisches Geräte an Dissidenten verteilt habe, so kubanische Quellen. Die behaupten, dass Gross für den US-Geheimdienst gearbeitet hatte. US-Quellen zufolge ist er für einen Vertragspartner von US-Aid tätig gewesen, habe eine zivile Organisation unterstützt. Dabei ist Gross mit einem Touristenvisum eingereist. Das verstösst genauso gegen kubanische Gesetze wie die „Verteilung von finanziellen Mitteln und anderen Ressourcen von der US-Regierung, …“. Drei bis acht Jahre Haft könnne kubanische Gerichte dafür verhängen, so informierte das Zentrum für Demokratie in den Amerikas in einer Meldun vor einigen Wochen. So weit will es die US-Delegation aber nicht kommen lassen. Sie forderte am Freitag die unmittelbare Freilassung des US-Bürgers, biss damit aber in Kuba auf Granit. Weit liegen die Positionen auseinander, denn in Havanna hat man nicht nur verschnupft darauf reagiert, dass Kuba im Januar erneut auf die Liste der Terrorstaaten gesetzt wurde sondern auch darauf, dass sich die US-Delegation mit Oppositonellen in Kuba getroffen hat. Scharf verurteilt wurde das in der Note des Außenministeriums. Dutzende von Söldnern -hieß es da- seinen zur Residenz des US-Interessensvertreters in Havanna gebracht worden. Von konterrevolutionären Elemente im Dienste der USA war die Rede und Parlamentspräsident Ricardo Alarcón kritisierte, dass sich zwischen alter und neuer Administration in Washington nichts geändert habe. Klingt nicht gerade nach Tauwetter zwischen Havanna und Washington. Für ein neues Migrationsabkommen zwischen den beiden Staaten sind das schlechte Vorzeichen. Der Exodus der Jugend von der Insel wird anscheinend weitergehen.