vonDominic Johnson 10.07.2011

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Etienne Tshisekedi, der wohl hartnäckigste und langjährigste Oppositionelle der Demokratischen Republik Kongo und davor Zaires, tourt derzeit durch Nordamerika und Europa, um die internationale Gemeinschaft und die kongolesische Diaspora zu mobilisieren und einen kritischeren Blick auf die Vorbereitung der geplanten Wahlen im Kongo am 28. November einzufordern. Er will bei dieser Wahl erstmals als Präsidentschaftskandidat antreten – 2006 hatte seine Partei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt) nicht nur die Wahlen boykottiert, sondern sogar die Wählerregistrierung, was vermutlich Präsident Joseph Kabila seinen Sieg im zweiten Wahlgang bescherte; diesen Fehler will die UDPS, die sich als Kern der demokratischen Opposition sieht, jetzt nicht wiederholen. Im Rahmen seines Aufenthaltes in Berlin am 6. und 7. Juli sprach Tshisekedi auch mit der taz, nach einem Abendessen in Charlottenburg. Hier die wesentlichen Auszüge des Gesprächs.

– Welchen Eindruck haben Sie von der Haltung der internationalen Staatengemeinschaft zu den kommenden Wahlen im Kongo?

– „Ich habe eine Entschlossenheit bei allen entdeckt, eine demokratische und transparente Wahl zu unterstützen. Wir sind uns bewußt, daß sie 2006 Kabila einfach eingesetzt haben. Aber heute, mit den Ergebnissen der Administration Kabila, haben sie begriffen, daß sie damals einen Fehler gemacht haben. Nicht, daß sie jetzt beschlossen hätten, mich zu unterstützen – aber sie wollen es den Kongolesen überlassen, ihre Führer frei zu wählen. Kabila bereitet Betrug bei den nächsten Wahlen vor und ich fordere sie (die internationale Gemeinschaft) auf, Druck auf Kabila auszuüben, damit er die Wahl frei und transparent läßt.“

– Was für Druck?

– „Die internationale Gemeinschaft ist finanziell an der Wahlvorbereitung beteiligt. Sie sollte dies ausnutzen, um Druck auszuüben.“

– Zum Beispiel die neue UN-Resolution 1991, die das Monusco-Mandat verlängert und Forderungen hinsichtlich der Wahlvorbereitung stellt?

– „Mir ging es auch darum, daß der Sicherheitsrat das Mandat verlängert und in Sicherheitsfragen ausweitet, um allen Wählern Sicherheit zu bieten. Monusco sollte sich mehr am Wahlprozeß beteiligen.“

– Gibt es aber nicht eine gewisse Kongo-Müdigkeit in der internationalen Gemeinschaft, nachdem man sich 2006 so stark engagierte und heute enttäuscht ist?

– „Ich bin zufrieden über dieses Gefühl, denn es beweist, daß das kongolesische Volk reif ist. Vorher war es unreif, wie ein Kind. Heute braucht es keinen Vormund mehr.“

– Vor wenigen Tagen gab es Gewalt mitten in Kinshasa, als UDPS-Aktivisten auf dem zentralen Boulevard vor dem Gebäude der Wahlkommission CENI demonstrierten. Worin besteht das Problem zwischen der UDPS und der CENI?

– „Die Wahlkommission nennt sich unabhängig, aber sie ist es nicht. Ngoy (ihr Präsident) ist ein enger Verwandter Kabilas und ein Mitgründer der PPRD (Kabilas Partei). Wenn man ihn an den Kopf der Wahlkommission stellt, dann nicht für eine unabhängige Wahloperation. Die UDPS ging zur CENI mit einem Memorandum, das Betrug und Diskriminierung denunziert: in manchen Regionen werden UDPS-Mitglieder wieder weggeschickt, weil sie keine Wahlkarte 2006 haben; in UDPS-Hochburgen sind Registrierungszentren oft sehr weit entfernt. All dies ist das Werk der CENI. Das Gesetz sagt, daß es eine Wählerliste pro Wahlkreis und Wahlbüro geben muß, damit jeder sehen kann, ob sein Name draufsteht. Aber diese Listen gibt es nirgends. Die CENI verhält sich, als ob sie gegen die UDPS eingestellt sei.“

– Ist es zu spät, daran etwas zu ändern?

– „Nein, es ist nicht zu spät. Wir werden nicht zulassen, daß es so bleibt. Die UDPS wird alles gegen Betrug tun, was sie kann. Meine Partei achtet darauf, daß der Prozeß transparent ist.“

– Und wenn es Betrug gibt, was wird die UDPS tun?

– „Wir machen mit dem Prozeß weiter. Aber wenn Kabila diese Wahl dann gewinnt, werden wir das nicht akzeptieren.“

– Sie treten also um jeden Preis zur Wahl an?

– „Wir können nicht nicht antreten. Kabilas Mandat läuft am 6. Dezember ab. Der Kongo ist ein Dschungel, es gibt kein Vertrauen, Kabila muß gehen damit sich das Wirtschaftsklima verbessert und Investoren kommen, um den Kongolesen Arbeit zu geben.“

– Also kein Wahlboykott?

– „Nein. Wir können nicht boykottieren.“

– Aber wie können Sie gewinnen? Die Opposition gegen Kabila ist gespalten und es gibt nur einen Wahlgang.

– „Wir sind uns bereits über das Prinzip der Einheit einig geworden, eine Plattform für einen gemeinsamen Kandidaten. Aber so weit sind wir noch nicht.“

– Würden Sie sich zugunsten eines gemeinsamen Oppositionskandidaten zurückziehen?

– „Es kommt nicht in Frage, daß ich einen anderen Kandidaten unterstütze. Ich habe 30 Jahre für Demokratie gekämpft. Nur die UDPS kann das gegenwärtige Regime ablösen. Es kommt nicht in Frage, daß ich meine Kandidatur zurückziehen, um irgendjemand anderes zu unterstützen.“

– Und wenn die anderen das für sich genauso sehen?

– „Wir müssen ja nicht um jeden Preis einen gemeinsamen Kandidaten haben. Man kann mehrere Kandidaten haben und das kongolesische Volk entscheidet. Wir haben keine Angst vor mehreren Kandidaten.”

– Haben Sie mit Jean-Pierre Bemba gesprochen (der in Den Haag vor Gericht steht)?

– „Ich werde ihn in Den Haag besuchen.“

– Was halten Sie von Vital Kemerhe (der im Ostkongo bereits Wahlkampf gegen Kabila macht)?

– „Im Ausland nimmt man ihn sehr ernst. Im Land selbst glauben wir nicht an ihn. Er hat Kabila fabriziert. Er muß erstmal beweisen, daß er ein Oppositioneller ist.“

– Gibt es für Sie eine rote Linie, was die Beteiligung an den Wahlen angeht?

– „Nach dem 6. Dezember muß Joseph Kabila ein Bürger wie jeder andere sein. Ich habe bereits vom tunesischen und ägyptischen Phänomen gesprochen. Es ist nicht unmöglich, daß das Volk den Prozeß an sich nimmt, und ich glaube nicht, daß Joseph Kabila fähig wäre, den Ausdruck des Volkswillens zu verhindern.“

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https://blogs.taz.de/interview_mit_praesidentschaftskandidat_tshisekedi_in_berlin/

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