vonKarim El-Gawhary 11.06.2010

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Endlich ist es soweit: Die Fussball-WM fängt an, wenngleich am andern südlichen Ende von Afrika, aber immerhin auf dem gleichen Kontinent  Die arabische Pop-Diva Nancy Ajram hat aus gegebenen Anlaß den WM Musikclip auf arabisch produziert,

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=p_LUoxQHnTM&feature=player_embedded[/youtube]

Das ist ja ganz nett, wie sie alle springen, tanzen und feiern. Aber das kann man nur, wenn man die Spiele im Fernsehen auch tatsächlich zu sehen bekommt.

In den reichen europäischen Ländern kann man das Bier aus dem Kühlschrank holen, sich im Fernsehsessel zurücklehnen, die Fernbedienung zücken und sich gemütlich kostenlos alle Spiele der Fussball-WM im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ansehen.

Nicht so in der arabischen Welt, etwa in Ägypten. Dort herrscht Fussball-WM-Fernseh-Chaos. Wer bringt, wo welche Spiele? Das ist nun schon seit Tagen das Hauptthema auf Kairos Strassen. Wer auf Nummer sicher gehen will, der muss sich für sein Satelliten-Empfangsgerät eine Karte des Senders „Al-Jazeeera Sport“ kaufen. Die kostet umgerechnet um die 100 Euro. (man muss den Sender für mindestens ein halbes Jahr abonnieren). Da vier von zehn Ägyptern etwas mehr als einen Euro am Tag verdienen, ist diese sichere Variante ausserhalb des Empfangsbereichs der meisten Ägypter.

Die Alternative ist, ins Cafehaus zu gehen und dort zu glotzen. Aber auch da ist der Tee, der Mokka und die Wasserpfeife während der Spiele erheblich teuer. Sonst hätte der Cafehausbesitzer wohl auch keine Karte von Jazeera-Sport gekauft.

Eigentlich ist das modernes Jazeera-WM-Raubrittertum und Cafehaus-Fussball-Wegelagerei. Und es symbolisiert auch das Scheitern des arabischen Staatswesens, das zwar staatliche Satelliten wie Nilsat ins All schießen lassen kann, über die die Spiele von privaten Sendern übertragen werden, dann aber nicht die Rechte hat, die Spiele im staatseigenen Kanal auszustrahlen

Ein paar Spiele hat die Regierung Mubrak dann aber doch noch gekauft. Das staatliche ägyptische Fensehen hat angekündigt, wenigstens einen Teil der Spiele kostenlos für alle zugänglich zu zeigen.

Und kaum hatten die Leute mit Geld sich die Empfangskarte von Al-Jazeera-Sport geholt, da verkündete der Sender gestern, dass er zwar die Rechte für alle Spiele gekauft hat, um sie zu vermarkten, dass er aber einen Teil davon gratis ausstrahlen wird. Schließlich willl es sich Al-Jazeera nicht mit den arabischen Massen verscherzen.

Und dann gibt es noch den Geheimtipp, der ebenfalls in Kairo die Runde gemacht hat: Ein israelischer Fernsehsender strahlt einen Teil der Spiele auf arabisch aus. Welche genau, wird noch angekündigt. Eine Art Wiedergutmachung für über 40 Jahre israelische Besatzung des Westjordanlandes, des Gazastreifens und der Golanhöhen? Kostenlose WM-Fussballspiele auf arabisch, da zeigt sich Israel, anderes als letzte Woche im Mittelmeer, einmal für seine Nachbarn von seiner guten Seite.

Ach ja – noch zum Fussball selbst. Algerien hat sich als einzige arabische Fussballmannschaft für die WM qualifiziert. Die arabischen Fussball-Loyalitäten verteilen sich also neben Algerien besonders auf europäische, südamerikanische und die anderen afrikanischen Teams, die spielen werden. Hier eine Aufstellung auf deutsch, welche arabischen Promis welche Mannschaften anfeuern. Eine vollständigere Liste gibt es auf englisch. Brasilien hat hier das Rennen gemacht, aber immerhin auf Platz 2 gefolgt von der deutschen Nationalmannschaft.

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https://blogs.taz.de/israelisches_fernsehen_rettet_arabische_wm-zuschauer/

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