Eines meiner Highlights ist hier, morgens die Nachrichten zu lesen. Die Zeitungen sind voller absurder Geschichten und wirklich OHNE Übertreibung spannender als jedes Filmskript.
Ich fahre meinen Computer hoch und schlage die Zeitung auf und realisiere gleich auf den ersten Blick: Heute ist Winnie-Tag – und das auf allen Kanälen. Sogar bei Twitter liegt „Winnie“ heute im Trend.
Madame Madikizela-Mandela, Ex-Frau von Nelson Mandela und hier in Südafrika je nach Sympathieausrichtung auch als „Mutter der Nation“ oder „Stompie-Mörderin“ bekannt [** Winnie wurde für schuldig befunden, 1985 die Entführung und den Mord des Jugendlichen Stompie angeordnet zu haben], ist trotz ihrer 76 Jahre einfach nicht aus den südafrikanischen Schlagzeiten und Fernsehbildschirmen wegzukriegen. Immer, wenn etwas halbwegs Bedeutendes passiert, funkt Winnie dazwischen und erinnert alle daran, dass es sie noch gibt. An ihre kontroversen und oftmals sehr wechselhaften Ansichten hat man sich hierzulande schon gewöhnt; die heutigen News, dass sie in einem britischen Zeitungsartikel Nelson Mandela verunglimpft haben soll – dem Vater, Helden, Heiligen und moralischen Kompass der Nation – schlagen hier allerdings wie eine Bombe ein.
Im „London Evening Standard“ wird sie zitiert – und auch ich kann’s auch kaum glauben:
“Mandela ist als stolzer, junger Revolutionär ins Gefängnis gegangen – aber schaut Euch an, was dann da rausgekommen ist.”
„Mandela hat die Schwarzen im Stich gelassen.“
„Ich kann ihm nicht verzeihen, dass er den Nobelpreis zusammen mit seinem Kerkermeister FW de Klerk angenommen hat.” [**FW de Klerk war der letzte weiße südafrikanische Präsident, der Anfang der 90er Jahre den Weg für die Abschaffung der Apartheid geebnet hat.]
„Mandela ist eine Witzfigur. Er hat keine Kontrolle und kein Sagen. Aus ihm ist ein Stiftungsunternehmen geworden. Man hausiert mit ihm im Ausland, um Geld einzusammeln.“
Nicht schlecht! Zumal man Winnie vor ein paar Tagen noch ganz gutgelaunt mit Nelson und seiner aktuellen Ehefrau Garca Marcel bei einer Staatsfeier scherzen sah. Die Anzahl der bisher eingegangenen Leserkommentare sind im Übrigen auch gar nicht schlecht – bereits dutzende volle Seiten! Gleich am Anfang stehen folgende:
Hör auf mit dem Finger auf andere zu zeigen Mama, und konzentriere dich auf deine Pflicht, nämlich uns, der Nation, einen Dienst zu leisten.
Mandela hat genau das richtige gemacht, um uns zu versöhnen. Wenn Winnie das Sagen gehabt hätte, gäbe es hier bis heute Bürgerkrieg.
Eish! Genossin Winnie wurde sicherlich nicht im Kontext zitiert. Diese verdammten Briten.
Ist Winnie nun endgültig durchgedreht?
Ich glaube Winnie Madikizela Mandela hat den Verstand verloren. Das passiert mit dem Alter. Das Gehirn funktioniert dann nicht mehr richtig, und in ernsten Fällen wie bei ihr verliert man seine Moral.
Ich bewundere dich Winnie. Wenige Menschen hätten den Mut, das zu sagen.
usw.
Soviel Feedback beschert den News-Portalen hier zurzeit nur Julius Malema, der kontroverse ANC Jugendführer, der vor ein paar Tagen an der Johannesburger Universität ein Lied mit dem glorreichen Refrain „Kill the farmer! Kill the boer! (= die Buren, sprich weiße Afrikaaner) anstimmte. Aber mehr dazu ein anderes Mal…
Jedenfalls beschwert sich Winnie im Rahmen ihres Interviews zu guter Letzt auch noch über den Nachnamen „Mandela“, der ihr wie ein „Mühlstein“ vom Hals hänge. Spätestens an diesem Punkt, denke ich, kann ihr auch der eingefleischteste Winnie-Fan nicht mehr folgen, denn: Winnie Madhizela-Mandela ist seit fast 20 Jahren von Mandela geschieden und weigert sich bekanntlich beharrlich, seinen Nachnamen abzulegen.
Aber Winnie wäre nicht Winnie, wenn sie nicht jetzt – kurz nach dem Sturm der Empörung – der Presse ohne weitere Erklärungen ausrichten lassen würde, dass sie das Skandal-Interview ja gar nicht gegeben hat – trotz der Fotos, die das Treffen mit den zwei britischen Journalisten belegen.
Ob ihre Aussagen jetzt im Rahmen eines „Interviews“ oder privaten Gespräches mit den Journalisten fielen, und ob da gerade die „gehörnte Ehefrau“ oder „besorgte Staatsrevolutionärin“ aus ihr sprach, die sich in ihrer Riesenvilla um die schlechte Finanzlage ihre schwarzen Schwestern und Brüder fürchterliche Sorgen macht, sei dahingestellt. Ich finde vielmehr die Frage interessant: Werden wir denn von ihr überhaupt noch etwas zu hören bekommen, wenn sie ihren Mühlstein-Nachnamen eines Tages abgelegt hat??
eure elena **