vonDilek Zaptcioglu 19.08.2009

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Istanbul ist in diesem Sommer voller Touristen aus dem Nahen Osten. Der krisengeplagte Europäer aalt sich an den Stränden des Südens, in den schrecklichen All-Inclusive-Anlagen. Einzelne, bewußt reisende Bildungstouristen verirren sich natürlich auch in die Stadt, individuell, diese Art des Reisens ist ja wirklich so teuer geworden, daß man meint, die Branche macht selbst Harakiri.

Der “Araber”, “Arap“, wie er im Türkischen heißt )in meiner Kindheit nannten alle Erwachsenen dunkelhäutige Menschen “Arap”) spaziert in jeder Tracht durch die Istanbuler Straßen: Von voll verschleiert, d.h. mit halber Gesichtsschleier und einer schwarzen Tüllschleier im Augenbereich, bis hin zu fast europäischer Kleidung. Für türkische Augen ist das erste Look wirklich erschreckend: Nichts sieht man, nur eine schwarze Gestalt.

Oft tragen nahöstliche Touristinnen schwarze Tschador mit offenem Gesicht. Die Frauen haben auffallend teure Handtaschen, Schuhe und vor allem Sonnenbrillen. Funkelnde Steinchen, große, protzige Markenabzeichen: Ineinander verkeilte C`s oder G`s, oder einfach: Dior. Hohe Absätze sind in.

Es gibt auch Iraner. Die Frauen legen ihre Kopftücher ohne Zwang am ehesten ab, nicht so die “Araberinnen”. Diese scheinen sich schon ewig daran gewöhnt zu haben und bewegen sich auch ziemlich lässig darin.

Türkische Soap-Operas sind an diesem Boom genauso beteiligt wie auch das Unbehagen vieler reicher Golfstaatenbewohner und Saudís im Westen. Ihre gehäufte Anwesenheit in der Türkei ist das deutliche Zeichen für die unsichtbare Mauer zwischen den “Muslimen” und dem “Westen” – beides in Anführungszeichen, denn beide brauchen einander umzu sein.  

Istanbuls Händler. Taxifahrer, Ladenbesitzer, Hoteliers – sie sind alle begeistert über die “Araber”: Sie kommen in großen Familien, geben viel Geld aus, essen gut, kaufen viel ein und sind selbst so begeistert von dem Land, daß sie ihren Urlaub gerne verlängern. Und die Europäer? “Alle sollen kommen”, sagt einer, “wir haben Platz für alle”. Und tatsächlich scheint Istanbul im Jahre 2009 die einzige Stadt der Welt zu sein, in der sich Menschen aus Dubai, Saudi Arabien, Oman, Katar, Belgien, Deutschland, USA, dem Iran und Israel gleichzeitig für einen Urlaub einfinden und friedlich nebeinander Sightseeing machen.

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