Die Jugend entdeckt die politische Sprache wieder – zumindest zur Abwehr autoritärer Ansprüche an das eigene Verhalten.
Neulich nachts in Berlin-Mitte: Die junge Frau zerschmettert vor meiner Nase eine Jägermeister-Flasche auf dem Bürgersteig in der Rosenthaler Straße. Anschließend öffnet sie die nächste.
Bösartige Vorhaltungen beantwortet sie zunächst mit einer Lüge: „Die Flasche ist mir heruntergefallen.“ Und dann mit dem Hinweis, es sei „total bourgeois“ das Zerschmettern von Flaschen auf dem Bürgersteig blöd zu finden. Niemand müsse ja barfuß über den Bürgersteig laufen. Im Übrigen: „Das ist eine Stadt, hier ist es hart. Live or die.“
Das weiß ich, ich lebe lange in dieser Stadt. Doch auf dieser Hinweis verfängt nicht. Stattdessen wird die größere rhetorische Keule herausgeholt. „Sie sind ja totalitär.“ Und dann schwankt sie an der Hand ihrer Freundin auf den roten Pantöffelchen davon.
Frau Prokop wäre gelassener geblieben. Das macht wahrscheinlich die Routine beim Umgang mit jungen Menschen. Sie hätte vor allem notiert, dass das Mädel anders als männliche und ältere
Maulhelden keine Fäkalsprache benutzt und sogar in besoffenem Zustand versucht, die Diskussion ins grundsätzlich Politische zu ziehen. Soll das Hoffnung für die Jugend machen?