So, und damit es auch wirklich richtig wieder losgeht hier, gleich noch ein dringend notwendiger Text (na ja, eigentlich ja eher vier Texte) von Jakob Hein:
I
Der Papst hat sich seiner Pflicht für die Menschen der Welt entsonnen und das Ostergebet modifiziert. Neben den üblichen Teilen kann es jetzt auch wieder eine Fürbitte für die Juden enthalten, dass Gott ihnen zu der Erkenntnis verhelfe, dass Jesus Christus der Erlöser gewesen sei und dass sie insofern von ihrem veralteten Glauben zu Judaismus 2.0 aufrüsten können, eine Religion, deren Vollversion unter der Bezeichnung römisch-katholische Kirche überall verfügbar ist. Zwar ist bei der Version 2.0 das Handbuch wesentlich länger, aber dafür gibt es wesentlich mehr Spielfiguren, und die Zentralfigur des Messias, die bei Judaismus 1.0 nur als Phantom auftaucht, ist im Upgrade als voll spielbare Figur vorhanden, gewissermaßen aus Fleisch und Blut, wenn auch gerade gegen Ende des Spiels die Figur deutliche Löcher aufweisen kann.
Es gibt ein Wiedersehen mit allen vertrauten Personen aus der Originalversion, gerade erfahrene Spieler werden sich darüber freuen, dass die zehn Gebote und andere Klassiker weiterhin integriert sind, dafür gibt es ganz neue Cheats, die hier „Wiederauferstehung“ genannt werden. Aber – ohne Leid kein Freud – dafür kommen auch neue Straflevels hinzu. Neben der bekannten Steinigung gibt es im Upgrade die Kreuzigung, die ewige Verdammnis und sogar den Untergang der Welt in einer der höchsten Spielstufen, hier Bücher genannt. Das Bonusmaterial aus Briefen und Epitaphen ist leider etwas schwach ausgefallen, aber dafür gibt es einen verbesserten Support. Im Gegensatz zu dem dezentral organisierten Netzwerk der alten Version, die lokal sehr verschiedene, kaum mit einander kompatible Versionen von Judaismus 1.0 produzierte, gibt es im Upgrade jetzt einen zentralen Administrator, der von Rom aus mit Hilfe von regelmäßigen Updates alle Spieler immer auf demselben Stand hält. Als Nachteil mögen manche das Eheverbot für die lokalen Provider empfinden, aber das sollte für die meisten Nutzer den Spaß keinesfalls trüben.
II
Was denkt der Papst sich eigentlich? Dass Juden Menschen sind, die nur nicht lesen können? Beziehungsweise, dass der Jude an sich eben relativ langsam liest, eines Tage jedoch endlich mit seiner Thora durch ist, im Buchladen dann auf das Neue Testament stößt, es voll Verwunderung durchliest, sagt: „Das passt ja wie die Faust aufs Auge!“, und sich dann denkt: „Dann wechsele ich mal lieber zum Katholizismus, da bekomme ich einfach mehr Religion für mein Geld“? Was ist dann mit seiner Truppe? Wenn die eines Tages ihre zwei Bücher durchgelesen haben, könnten sie ja auf die Idee kommen, den Koran zur Hand zu nehmen und dann zum Islam zu wechseln. Und die Muslime wiederum sind möglicherweise nur langsam lesende Mormonen, die wiederum nur ein Buch vom Satanismus entfernt sind. Wer weiß? Und was sind dann Hindus? Analphabeten? Wäre es Anno domini 2008 nicht denkbar, dass man wenigstens den Glauben des anderen anerkennt, auf das auch der eigene Glaube Anerkennung findet? Wäre das nicht unter Umständen sogar christlich?
III
Im Deutschlandfunk wollen sie das Ganze klären mit einem Bischoff, dessen Namen ich zum Glück sofort wieder vergessen habe. Aber sie haben bestimmt einen geschickt, der als politisch geschickt gilt und dem man das nötige Fingerspitzengefühl für solche Interviews zutraut.
„Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden hat sich gegen diese Passage des Ostergebetes verwahrt, was denken Sie dazu?“
„Nun, die Juden müssen immerzu auf sich aufmerksam machen. Das ist auch nachvollziehbar, da es ja schließlich schon lange gesellschaftliche Spannungen zwischen Juden und Deutschen gibt. Das führt dazu, dass die Juden also immer wieder auf sich aufmerksam machen müssen. Dennoch gibt es ja messianische Strömungen im Judaismus, die da auf einem sehr vielversprechenden Weg sind. Und wenn man jetzt einmal beiseite lässt, dass die Juden gerade in Deutschland immer wieder auf sich aufmerksam machen müssen, dann kann niemand uns Christen verbieten, für die Juden zu beten.“
IV
Meine Mutter erzählte immer den Witz von einem Juden, der über einen deutschen Bahnhof mit seinem Koffer rennt und sich suchend umschaut. Schließlich spricht er jemanden an: „Sind Sie Antisemit?“
„Nein, natürlich nicht“, antwortet der Angesproche.
„Danke“, sagt der Jude und läuft weiter.
Nach ein paar Metern spricht er den nächsten an: „Sind Sie Antisemit?“
„Nein, auf keinen Fall.“
„Danke.“ Der Jude läuft suchend weiter.
Schließlich spricht er einen Dritten an: „Sind Sie Antisemit?“
„Ehrlich gesagt: ja“, sagt dieser.
„Ach, könnten Sie bitte kurz auf meinen Koffer aufpassen? Sie sind wenigstens ehrlich.“