vonJakob Hein 20.02.2010

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Einige schimpfen jetzt mit der Frau Hegemann herum, weil sie ihr Buch kopiert hat. Einige, die das Buch besonders intensiv gelobt haben, müssen nun bei diesem Lob bleiben, weil sie in den letzten Jahrzehnten keinen Fehler gemacht haben und nun nicht damit anfangen werden. Ihren Frust lassen sie lieber am nächsten Buch eines anderen jungen Autors oder noch besser am nächsten Buch von der Hegemann aus. Gemein ist das halt, insofern sie ja das Buch nicht einmal selbst geschrieben hat. Der Freund eines engen Freundes ihres 61-jährigen Vaters (gemeint sind der 48-jährige Rene Pollesch und der 53-jährige Harald Schmidt) holt die Siebzehnjährige zu sich ins Fernsehen, wo sie weiter so tun kann, als wäre sie wahnsinnig abgeklärt und nicht eine verunsicherte Jugendliche, die ihre letzten Reste von Babyspeck gern hinter ihren langen Haaren versteckt.
Was ja Helene Hegemann übersieht, ist, dass sie sich selbst verarscht. Wenn sie mit gefälschter Abgeklärtheit darüber lachen kann, dass andere ihr vorwerfen, dass sie ihre Berichte über erschütternde Abgestumpftheit nur kopiert hat. Nun, dass sie das kopiert hat, ist nicht überraschend. So sehr sich das Fräulein Hegemann das vielleicht sogar derzeit wünschen würde, so wenig gibt es Frauen unter vierzig, die tatsächlich abgeklärt gegenüber Analverkehr, Drogenexzessen und dem Töten von Kindern wären. Das heißt, dass ihre Abgeklärtheit notwendigerweise eine übergestreifte, eine angenommene, eine Wunschhaltung ist. Die Dinge, an die man noch nicht herankommt, kann man eben entweder als begehrenswert betrachten oder behaupten, man sei schon vor ihrer Erreichung über sie hinausgewachsen. Beschrieben ist das schon in der alten Fabel vom Fuchs und den Weintrauben. Begierig frisst ihr das Feuilleton aus ihrer Hand, weil dort schon seit langer Zeit auf eine Meldung gewartet wird aus dem Lager der Jugend, seit mehr als zehn Jahren ist keine Nachricht von dort gekommen.
Doch was genau ist die Funkmeldung? Die Funkmeldung ist, dass Frau Hegemann sich hingesetzt hat und möglichst lebenssatte Äußerungen aus einer Welt der Überflüssigkeit zu einem Buch zusammenkopiert hat. Dass sie außerdem eine Kurzgeschichte abgeschrieben hat. Dass das nun mal so sei, sie würde es gern Intertextualität nennen. Dass sie nichts Neues schaffen muss, weil alles schon da ist. Dass sie mit siebzehn schon fertig ist mit ihrem Leben.
Das ist toll, das ist in etwa das, was man erwarten konnte von der Jugend, was nicht verwunderlich ist, insofern sie ja auch das vorhandene Material aufgelegt hat, wie sollte da etwas entstehen? Die nächste Mitteilung kann nun von einer Zwölfjährigen erwartet werden, die noch nicht einmal Lust hat, sich in den Arsch ficken zu lassen, weil sie „Axolotl Roadkill“ gelesen hat und nun sicher ist, dass sie das auch nicht weiterbringt.
So erfolgreich solche Abgesänge sein mögen, so destruktiv sind sie doch. Sie weisen in keine Richtung, ihre letzte Konsequenz ist vorgezogener Selbstmord. Was ist toll daran, im ersten Drittel seines Lebens fertig damit zu sein? Was ist der nächste Song, den DJane Helene für uns auflegt, zusammengemixt aus Sätzen, die einer Welt entstammen, die sie nicht verstehen will, einer Welt, in der Menschen aus Motiven Texte schreiben? Denn auch nach Jahren intensivsten Luftgitarre-Spielens beherrscht man nicht einmal die Grundkenntnisse des echten Instruments.
Die Reportagen „Was macht eigentlich Helene Hegemann?“ können jetzt schon vorbereitet werden, wahrscheinlich wird die Dame schon in ein paar Jahren irgendwo unvorteilhaft zu fotografieren sein, wenn sie langsam ihren zur Schau getragenen Weltekel mit Substanz gefüllt hat.

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