„Jamón, Jamón“, das kennt man als Titel eines Films des exzentrischen Regisseurs Bigas Luna, der 1992 mit den Hauptdarstellern Javier Bardem und Penélope Cruz Furore machte. Die beiden sind übrigens gerade erst bei der Goya-Filmpreis-Verleihung erstmals als Paar in Spanien aufgetreten. Der deutsche Titel „Lust auf Fleisch“ ist allerdings nicht unbedingt mit Schinken in Verbindung zu bringen – obwohl Schinken und Kartoffeltortilla eine gewisse Rolle darin spielen…
Wie auch immer: Hier geht es in der Hauptsache um den authentischen Schinken Spaniens, den Jamón Ibérico – wenn er denn „de Bellota“ (mit Eicheln gefüttert) heißt, um den Besten der Welt. Das sei hier behauptet, schließlich nehmen das ebenso die weißen Trüffeln des Piemont, der Beluga-Kaviar vom Kaspischen Meer oder die schwarzen Aale von Kantabrien in Anspruch.
Der Iberische Schinken stammt stets vom Cerdo Ibérico, dem Iberischen Schwein, einer uralten mediterranen Rasse, die mit dem Wildschwein verwandt ist und heute praktisch nur noch im Süden und Südwesten Spaniens, vor allem in Andalusien, der Extremadura und im Westen Kastiliens, existiert. Die Ibérico-Schweine sind meistens schwarz, auch ihre Klauen sind meist schwarz. Bei den angebotenen Iberischen Schinken wird die schwarze Klaue stets am Schinken gelassen. Umgangssprachlich bezeichnet „Pata Negra“ (schwarze Klaue) in der Regel etwas besonders Gutes. Zum Beispiel bezeichnte man die Raf-Tomate, weil sie so lecker und teuer ist, gern als Pata Negra.
Das Iberische Schwein ist ausgesprochen robust und kann sich bestens an seinen natürlichen Lebensraum anpassen. Es übersteht auch die größte Sommerhitze ohne Probleme und wird daher unter extensiven Bedingungen im Freien gehalten. In den Dehesas steht den Schweinen genügend Raum zur Verfügung, meist leben nicht mehr als zehn Schweine auf einem Hektar. Sie sind ständig in Bewegung, kräftigen Muskeln und Sehnen, was wiederum dem Geschmack des Fleischs zugute kommt. Auf diesen natürlichen Weidegründen ernähren sich die Schweine zu einem gewissen Anteil von Wurzeln, Knollen, Engerlingen, Gras und diversen Kräutern, außerdem werden sie im Frühjahr und Sommer zusätzlich mit Mastfutter bzw. Getreide gefüttert. In der wichtigen Phase der Endmast fressen sie allerdings fast ausschließlich Eicheln. Im Herbst, wenn auf den Weidegründen der Dehesas die Eicheln von den Bäumen fallen, vertilgt jedes Schwein zwischen sechs und zehn Kilo Eicheln pro Tag. In drei Monaten dann hat das Schwein sein Gewicht quasi verdoppelt, was bedeutet, dass es täglich ein Kilo zunimmt. Diese Ernährung sorgt für den viel gepriesenen hocharomatischen Geschmack der beliebten Vorder- und Hinterschinken.
Und wie kommt es nun, dass jeden Tag mehr Schinken „de Bellota“, mit Eicheln gefüttert, auf den Markt kommt, wenn die Dehesa am Verschwinden ist? Denn der Bestand der Bäume hat sich mit der Zeit gravierend reduziert, Plagen, Klimaveränderung, Alterung und Abwanderung der Bevölkerung führen dazu, dass dieses einzigartige Ökosystem in Gefahr ist. Dass ein Preis verlangt wird, der nur die Hälfte der Kosten lediglich der „Montanera“ – also der Zeit, die die Schweine auf der Dehesa verbringen – ausmacht, die auf wenigstens 100 Euro pro Schinken kommen dürfte. Jetzt kann man schon erahnen, was preismäßig für einen Jamón Ibérico de Bellota auf einen zukommt, bis er auf dem „Jamonero“ landet, wo der Schinken letztendlich geschnitten wird – zwischen 55 und 70 Euro das Kilo wurden gerade erst in einer Markthalle von Barcelona verlangt.
Geschützte Herkunftsbezeichnungen sollen die Qualität der Bellota-Schinken garantieren, die signiert, nummeriert und datiert sind. Um Betrug zu verhindern, muss die Nahrung des Schweins klar und deutlich auf dem Etikett angegeben und jeder Iberische Schinken mit allen für das Produkt notwendigen Informationen ausgezeichnet sein. Doch wer wiederum will das alles kontrollieren?
„Oferta! Jamón Ibérico zu 99 Euro.“ Unter dem großen Schild im Hypermarkt erregt ein Schinken Aufmerksamkeit, er besitzt schwarze Klauen und ist enorm, viel größer als die anderen. Den nehm’ ich, schnell, es könnte ja einer zuvorkommen. – Ein grober Fehler. Großen Iberischen Schinken ist nicht zu trauen, auch nicht, wenn es heißt, die Schweine waren gut genährt. Ein wahrer Jamón Ibérico ist nicht rundlich, er ist länglich, schmal, schlank.
Und er kann nicht billig sein. Denn der ganze Prozess des Salzens, Reifens, Trocknens kann zwei bis drei Jahre dauern. In der Regel rechnet man pro Kilo Schinken einen Tag im groben Meersalz. Nach dem Waschen verbringen die Schinken vier bis sechs Wochen in luftigen „Secadores“ zum Trocknen, und anschließend geht es für mindestens ein Jahr in die kühlen Reifekammern. Dort bildet sich auf der Außenhaut des Schinkens ein Edelschimmelpilz, der zu seinem Geschmack erheblich beiträgt. Erst wenn der Jamón genügend ausgereift ist – sein Gewicht liegt dann zwischen fünfeinhalb und acht Kilo – kommt das gute Stück in den Handel.
Was die Klauen betrifft: Nicht alle Iberischen Schweine haben schwarze Klauen, und nicht alle Schweine, die schwarze Klauen besitzen, sind Ibéricos. Nicht unüblich ist übrigens, die „Patas“ einfach schwarz anzumalen. Ein guter Anhaltspunkt für einen wahren Iberischen Schinken: Die Klauen müssen recht abgenutzt sein, was auf viele Kilometer in der Dehesa schließen lässt – und hoffentlich auch auf eine Ernährung mit den Bellotas, den Eicheln. Denn es gibt daneben noch andere Aufzuchtformen: „de Cebo“ etwa, „de Cebo Campo“ oder „de Recebo“, was nichts anderes heißt, als dass die Schweine mit mehr oder weniger Getreide gefüttert wurden oder zum Beispiel nicht das nach der Eichelmast gewünschte Gewicht erzielten (de Recebo).
Nur die exquisitesten Schinken verfügen über eine amtliche Herkunftsbezeichnung Denominación de Origen, die Schweinerassen, Aufzucht, Futtermittel, Gewicht der Schinken und die Art der Trocknung regelt, was von einem „Consejo Regulador“ überwacht wird. Im Moment sollen vier D.O.s Qualität für Iberischen Schinken garantieren: die D.O. Jamón de Huelva, was bald in „de Jabugo“ geändert wird, die D.O. Sierra de los Pedroches (Provinz Córdoba), die D.O. Dehesa de Extremadura und die D.O. Guijuelo in der Provinz Salamanca, woher der – laut Kennerkreisen – beste Schinken der Welt stammt: Joselito.
Übrigens: Weder Pata Negra noch 5 Jotas ist eine D.O., sondern Marken von ausgezeichneter Qualität, die einfach durch gutes Marketing bekannt gemacht wurden.
Geschmack und Aroma des Iberischen Bellota-Schinkens kommen am besten mit gutem Brot und gutem Wein zum Vorschein. Viele Rot- oder Weißweine würden sich als Begleitung eignen, aber was passt schließlich besser zueinander als Produkte derselben Region – also ein knochentrockener Manzanilla oder Fino aus Andalusien, kühl serviert, das bildet einen guten Kontrast zum salzigen gereiften Schinken. Jeder anständige Supermarkt führt akzeptablen Sherry zu einem Preis um die fünf Euro: Sherrys wie Patricio, Tío Pepe oder La Ina unter den Finos und La Guita oder Juncal bei den Manzanillas werden nicht enttäuschen.
Eine andere Variante, nicht weniger attraktiv, ist ein guter Cava zum Jamón Ibérico)
Brandade mit Jamón Ibérico (Rezept und Foto: Kurt Weid)
Für 10 Portionen als Tapa: 3 Scheiben Iberischen Schinken in feinen Würfeln, 1 Knoblauchzehe, durchgepresst, 1 EL frisch gepresster Zitronensaft, 500 g Kartoffeln, geschält, mehlige Sorte, 1 dl (100 ml) Schlagsahne, 30 g Butter, 1 dl natives Olivenöl, 2 bis 3 Scheiben Walnussbrot, geschnitten zu Sticks, 1 EL Schnittlauch, fein geschnitten
Die mehligen Kartoffeln kochen, abdampfen lassen und danach zu Püree drücken. Sahne und Butter erhitzen. Die gestampften Kartoffeln einrühren und zu einem ziemlich losen Püree verarbeiten.
Ungefähr zwei Drittel des Olivenöls dazugeben sowie die Schinkenwürfel und den Schnittlauch. Mit Knoblauch, Salz und frisch gemahlenem Pfeffer abschmecken.
In kleine Gläser füllen. Das restliche Olivenöl über dem Püree verteilen. Kurz vor dem Servieren das geröstete Walnussbrot in die Brandade stecken.
( Kurt Weid ist Ex-Trainer der schwedischen Nationalmannschaft der Köche, Jury-Mitglied bei allen einschlägigen Gastronomie-Wettbewerben in aller Welt, sagt den Schweden hier an der Küste, wie sie die nordische und die Mittelmeerküche kombinieren können, und lässt sich ab und zu an der Costa Blanca die Sonne auf den Bauch scheinen.)
Bon profit!