vonDetlef Kuhlbrodt 01.07.2010

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Im Club49 in der Ohlauer gucke ich immer gerne. Kais T-Shirt passt auch supergut in den Sommer. Die WM hat ja auch immer etwas von Großen Ferien. In die Japaner hatte ich meine Hoffnungen gesetzt, ich fand sie ganz klasse zumindest in einem und ganz okay in dem anderen Spiel; vor allem auch wie sie guckten war super und ihr Trainer hatte ja auch so etwas murakamihaftes und vor acht Jahren waren sie noch besser gewesen und ich hatte auch irgendein tolles 2:2 der Japaner damals richtig getippt und in so einem sopernagenehmen arabischen Restaurant am Mehringdamm geguckt. (schade, dass ich keine Fotos von ihnen gemacht hab, aber ist ja auch nicht so schlimm: die Gesichter von Endo, Honda, Nakamura, Kawashima, Matsui, das Gesicht des unglücklichen Komano usw sind ja in meinem Kopf drin.

Ich hatte dann jedenfalls Herbert gesagt, er müsse sich nun unbedingt die Japaner angucken, die seien super und unbedingt zu unterstützen und die Fliegenschwarmtaktik endlich mal was Neues und im Sinne des Pop sind die Japaner auch ganz vorn. (Und liegen mir größentechnisch vielleicht auch besser; Leute über 1,90 bevorzugen dann vermutlich wieder größer gewachsene Mannschaften)

(Mein Lieblingshörfehler bei dieser WM war ja: “Mit über 1,20 ist der Torwart der größte Spieler  der nordkoreanischen Mannschaft”)

Herbert Druschke jedenfalls, der auch als illustrator, teil des künstler duos “forn” und techno-dj und produzent (acid basztard/blackflash) tätig ist, war entsetzt und schickte eben noch eine richtig schön rundmal herum, die meine Enttäuschung über das Spiel etwas milderte:

liebe leute,

zur überbrückung der spielfreien zeit kann ich folgende selbst erlebte geschichte in den ring werfen:
sommernachmittag in der stadt. die luft steht. zweite halbzeit im achtelfinale der wm 2010 zwischen asien und südamerika.
ich erscheine zum public-viewing vor meinem lieblingsimbiss in der reichenbergerstrasse.
der chef hat ein montröses fernsehgerät auf den bürgersteig geschoben und einige tische mit plastikstühlen davor platziert.
obwohl das spiel schon 50 minuten läuft, habe ich freie platzwahl, da ich der einzige bin den dieses spiel zu interessieren scheint.
der kommentar aus dem gerät attestiert dem spiel ein niveau zum vergessen und nach gefühlten 25 fehlpässen in 60 sekunden
verlagert sich meine aufmerksamkei ein bischen richtung strassengeschehen.
zwischen be- oder entladenden handwerkern und übergewichtigen, eisleckenden vuvuzela kindern fällt ein sehr schlanker, auffällig körperbetont gekleideter südamerikanisch anmutender typ auf. In elegaaaaant geschmeidigem gang steuert er die strasse entlang.
eine gazelle unter nashörnern denke ich, da unterbricht der typ seinen cat-walk direkt neben mir.
„aaaach, diese japanier!“ seufzt er mit blick auf den bildschirm.
„aaach diese fussball. Alle männer guck diese fuussball.“ als ich ihn anschaue erklärt er sofort:
„ schau, ich bin frau. Ich guck nich diese fussball. ich muss schminke.“ ich: „oh.“
dann wieder der seufzer „aaach diese japanier! die japanier kosten mir die arbeit. überhaupt. ich versteh nicht die fussball.
was ist interessant daran???“
die frage war klar an mich gerichtet und während ich anfing meine argumente zu sortieren um sie in dieser angelegenheit aufs feld
zu schicken, wurde ich mit einer weiteren, viel kniffligeren frage konfrontiert:
„ o.k. da spielen die japanier. Aber wer sind die andere?“
„ nun, da spielt gerade japan gegen ….ähm….“  offensichtlich wurde ich gerade zeuge eines blackouts in meinem gehirn.
der horror des kicks, die einsamkeit des zuschauers vor dem tv, die drückenden hitze , die einfachheit der frage oder diese japanier…
irgendetwas lähmte mich komplett.
die blauen waren die japanier, soviel war mittlerweile klar. Aber wer waren die rot-weiss gestreiften verdammt nochmal??
„ na ja, die spielen gegen die…die…..wie heissen die noch mal, verdammt.“
mein gesprächspartner zeigt sich amüsiert:
“also, du findest die fussball interessant, aber weißt nicht wer spielt?. ha.ha.ha…“ –
„doch, klar, moment, mir fällt halt gerade der name nicht ein.“ grübel,grübel….rot-weiss gestreift, rot-weiss gestreift…
also fortuna düsseldorf ist es nicht und union berlin definitiv auch nicht, denn die spielen beide besser.
Dann ein armseliger, womöglich rettender strohhalm: „ na ja, die kommen jedenfalls irgendwo aus südamerika….ähm.“—
“ ja, ja mit diese fussball. ha, ha.“
…..ein letzter versonnener blick auf das spielfeld und mein neuer sportsfreund kündigt mit zwischen belustigung und bedauern
oszilierendem ton an: „ich muss jetzt gehen. Ich muss jetzt arbeite. Muss mich schminke, muss mich ankleide…..
obwohl die männer komme jetzt nich zu die travestie…wegen die fussball. aaaach…Die japanier kost mich die arbeit.“
„oh…das ist blöd. ähh.. viel erfolg trotzdem..“  wünsche ich alles gute.
oje, was für eine vorstellung. der schminkmann hat mich voll auf dem falschen fuss erwischt. nie wieder werde ich ruhigen
gewissens sachverstand im fussballkontext vorgeben können. welch eine demütigung. und eine weiter erkenntnis bleibt:
die japanier kost mich die arbeit….und die paraguanier auch.
Spochtliche grüße, herbert

hatte dann eine

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