vonHeiko Werning 17.09.2010

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Für die Print-taz vom heutigen Tage habe ich einen kleinen Kommentar geschrieben, die Langfassung folgt hier. Wer sich über die unterschiedlichen Zahlen wundert: Die Kosten für den Papstbesuch in Großbritannien werden hälftig von der Kirche und vom Staat England getragen, aber das war zu komplex für 1900 Zeichen, und beide Versionen stimmen ja auch für sich:

Dona nobis pacem
„Aber gib nicht alles auf einmal aus!“ Man sieht es fast vor sich, wie ein gönnerhaft lächelnder Jesuitenpater seinem ehemaligen Lustknaben einen Scheck über 5000 Euro in die Hand drückt und ihm dabei aufmunternd die Schulter klopft. Etwa diese Summe also wollen die Jesuiten einmalig und abschließend an ihre Opfer als Entschädigung für akute Misshandlung und lebenslange Traumatisierung auszahlen. Rein ökonomisch betrachtet ein guter Deal für die Geistlichen. Hätten sie sich für jede Missbrauchshandlung Strichjungen auf dem freien Markt organisieren müssen, wäre das erheblich teurer gekommen. Beziehungsweise wären sie erheblich teurer gekommen. Aber rein materiell kann man das sowieso nicht sehen, wie Provinzial Stefan Kiechle betont: „Ich finde es auch richtig, dass wir einen eher symbolischen Betrag zahlen. Wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, Geld könnte ungeschehen machen, was den Opfern der sexuellen Gewalt widerfahren ist.“ Puh, das war knapp, aber man kann wohl beruhigt festhalten: Dieser Eindruck ist gerade noch mal vermieden worden. „Die Geste“, so Kiechle, „bleibt klein und bruchstückhaft, ist ein Zeichen unserer Ohnmacht angesichts des Leids.“ Wären da aber 500 oder 50 Euro nicht ein noch viel eindrucksvolleres Zeichen der Ohnmacht gewesen?
Immerhin aber haben die Jesuiten nicht nur als Erste die Mauer des Schweigens durchbrochen, sondern sich nun auch überhaupt zu einer materiellen Entschädigung durchgerungen. Was dem Rest der deutschen katholischen Geistlichkeit bislang noch nicht gelungen ist. Vermutlich war man zu sehr damit beschäftigt, die Reise des Papstes ins heidnische Großbritannien vorzubereiten, dass es zu missionieren gilt wie einstmals Insel-Eingeborene in der Südsee, denn: „Wenn Sie am Flughafen Heathrow landen, denken Sie manchmal, Sie wären in einem Land der Dritten Welt gelandet“, so der deutsche Kardinal Kasper vor der Reise. Und man kennt das ja, diese Primitiven huldigen halt irgendwelchen Naturgöttern oder schlimmer noch: „In England ist ein aggressiver Neu-Atheismus verbreitet.“ Aber auch bei den Bemühungen um eine „Re-Christianisierung“ („Die Welt“) der Briten ist der Vatikan ökonomisch klüger geworden: Fielen die früheren Missionare der Kirche finanziell noch ordentlich zur Last, lässt man heute die Briten lieber selbst für ihre potenzielle Bekehrung zahlen: 12 Millionen Euro kostet den britischen Steuerzahler der Besuch des Papstes. Das allerdings ist nur die Hälfte. Weitere 12 Millionen muss die Kirche selbst aufbringen. Sie verlangt daher Eintrittspreise von um die 30 Euro für eine Papstmesse. Das ist so etwa die Preisklasse von Mario Barth, womit der Vatikan seinen Top-Comedian zumindest passend eingeordnet hat. Im Preis inbegriffen: der „Pilgersack“. Nein, hier ist nicht der Ratzepapst selbst gemeint, sondern ein Beutel mit Souvenir-CD und Postkarte. Hoffentlich nicht mit Fotos von kleinen Jungs drauf.
24 Millionen kostet die Visite des Papstes in England also. Eine Summe, mit der man in Deutschland den 200 Missbrauchsopfern der Jesuiten statt 5000 immerhin 120.000 Euro hätte auszahlen können. Das hätte aber womöglich einen ganz falschen Eindruck erweckt.

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