von 06.05.2010

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Obwohl sich Juda Browns Gute-Laune-Rastacafé gleich ums Eck von meinem Büro befindet, schaue ich hier mittags nur selten vorbei – ein schnelles Sandwich auf die Hand dauert bei ihm immer mindestens (!) eine dreiviertel Stunde.

Joe Brown`s Cafe auf der Buiten Street. Einer meiner Lieblingsläden. Die Öffnungszeiten hier stimmen allerdings nicht ganz  – ich habe Joe Brown noch nie vor 10Uhr morgens in seinem Laden gesehen..

Über der Tafel wird bereits vorgewarnt: Relax

Und auch die Speisen sind oftmals etwas unberechenbar. Statt des bestellten „Falafel-Wraps“ bekam ich letzte Woche ein Auberginen-Tomate-Käse-Brot und in Joes Spezialitäten-Gericht „Bean Curry“  habe ich bisher noch keine einzige Bohne entdeckt – er bereitet es am liebsten mit Kartoffeln und Kürbis zu.

Joes bean curry schmeckt auch ohne beans hervorrragend. Zusammen zum Essen gibt es dann immer sehr viele Infoblätter zu den Heilwirkungen von Kräutern. Bis vor kurzem noch handschriftlich – seit einer Woche getippt & laminiert!

Nichtsdestotrotz schmecken seine frisch zubereiteten Snacks immer vortrefflich und sind das lange Warten Wert, wenn man denn nicht während dessen die Nerven verliert. Während des Gemüseschnipselns macht Joe immer sehr viel Konversation, was das Schneckentempo des  Vorbereitungsprozesses noch weiter drosselt; beim Reden legt er nämlich gerne das Messer weg. Er erzählt mir immer die spannendsten Verschwörungstheorien über die Pharmakonzerne, oder Anekdoten von den Anti-Apartheids-Kämpfen in den 80ern (als Student war er da mittendrin dabei!), oder auch nur den neusten Klatsch und Tratsch von der anorektischen Frau des Japaners nebenan.

Der japanische Sushi-Laden neben Joes Cafe ist ganz schön schräg ehrlich gestanden. Und seine Besitzer auch.

Heute sitzen mit mir noch drei seiner Rasta-Freunde im Laden, und stellen sich mit Abraham, Jakob und Abel vor. Rastafaris lieben alttestamentliche Namen – die wichtigste Bezugsquelle ihrer religiösen Bewegung ist ja die Bibel – ich bezweifle allerdings stark, dass ihre alttestamentlichen Vornamen tatsächlich auch in ihren Pässen stehen. Die ganze Rastafari-Ideologie hat sich in den 30er Jahren in Jamaica entwickelt, und sie ist mehr Lifestyle als Religion mit festgelegten Dogmen. In Kapstadt gibt es eine ziemlich große und präsente Gemeinde. Man erkennt sie an ihren Dreadlocks, daran, dass die meisten von ihnen den ganzen Tag barfuß herumlaufen und an ihrer immerwährenden guten Laune, zu der zweifelsohne ihre entspannte Lebenseinstellung und ihr permanenter latenter Bekifftheitszustand beitragen.

Bei Joe gibt es für jedes Wehwehchen die passenden Kräuter

Bei mir zu Hause sieht es bald auch so aus – Joe dreht mir jedesmal aüßerst erfolgreich ein neues Kräuterchen an.

Ich frage Juda – bzw. Joe, wie man hier auf der Straße nennt – woher er eigentlich kommt. Er sagt aus der Kalahari-Wüste in Namibia. Ich bin etwas verwirrt. Er hat einen Kapstädter Flachland-Akzent –unmissverständlich! Joe beschreibt mir trotzdem ganz detailliert, wie seine Angehörigen in der Kalahari-Wüste leben. Meines Wissens sind dort ausschließlich ein paar wenige überlebende San (Buschmänner) beheimatet, aber vielleicht ist mir da etwas entgangen….

Also frage ich Joe, ob er denn dann die namibische Staatsbürgerschaft besitzt. Er sagt nein. Seine Familie komme ursprünglich aus Südafrika, aber man habe sie von hier vertrieben. Ich wunder mich wirklich SEHR, dass südafrikanische Bürger heutzutage noch von Kapstadt in die Kalahari-Wüste geschickt werden, schließlich befinden wir uns im 20/21. Jahrhundert. Ich hacke noch einige Male nach, bis mir schließlich ein Licht aufgeht: Joe erzählt mir gerade die Geschichte von den San-Vertreibungen um 1600.  Also quasi von seinen Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Urgroßeltern. Alles klar. Laut seinem Rastafari-Weltbild stammen ja alle  von den Buschmännern ab – er hat wo in seiner Erzählung einfach ein paar dutzende Generationen zurückgeswitcht.

Diese Unterhaltung ist schon recht abenteuerlich.

Joes Laden –

– eine kleine Oase

Während mir Joe das Essen serviert, sage ich so dahin, dass er ja immer viele Freunde zu Besuch hat. Er kontert auf einmal:  nein, nein, so beliebt sei er bei seinen Brüdern in letzter Zeit nicht mehr, denn ihm hafte der Ruf eines Womanizers an.  Dabei wäre in den  panties der ganzen Mädels aus der Nachbarschaft “gar nicht gewesen”. Er sei lediglich von Natur aus flirtatious. Flirtatious – das gebe er wohl zu – aber ein WOMANIZER –!? No No No No – und wiederholt  das mit einem Gesichtsausdruck, der mir genau das Gegenteil sagen soll.

Joe – meistens lachend und manchmal nachdenklich

Ein bisschen mehr über Joe gibt es Anfang nächster Woche -incl. einer Aufkärung darüber, warum man aufgrund kosmischer Zusammenhänge nicht zuviel Fleisch essen darf.

See you next week. Stay tuned   🙂

eure elena **

Bei Joe mit kleiner Südafrika-Flagge im Hintergrund.  Joe ist sei 35 Minuten in seiner Küche verschwunden & mir wird schon langsam etwas langweilig…

😉

eure elena **

Elena Beis. My Name is not Sisi. Kulturkollison x 11. Ein deutsches Pärchen reist durch Südafrika. Erschienen März 2010 bei Conbook Medien, 9,95€

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