vonSigrid Deitelhoff 19.08.2010

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Da saß er am Rand des Sportbeckens und las aus seinen Romanen „Schwimmen“ und „Von Wasser und anderen Welten“. Die Berliner Bäderbetriebe hatten John von Düffel zu einem „Talk am Pool“ eingeladen. Noch kurz vor der Lesung am Mittwoch Abend wurde wegen des ständig wechselnden Wetters überlegt, ob der „Talk am Pool“  in die Umkleideräume verlegt werden müsste. Die Premiere „Lesung mit Megaphon“ war dann diesem Umstand geschuldet. Zum Glück blieb uns das Wetter im Laufe des Abends gewogen. Vor der Lesung gab es Musik und nachher ein hervorragendes Büffet in der Prinzenbad-Cafeteria.

John von Düffel ist nicht nur ehemaliger Langstreckenschwimmer und Theaterfachmann, zur Zeit Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin, sondern auch der literarische Fachmann für die Themen „Wasser und Schwimmen“.
In seinen Romanen und im „Talk“ mit Norbert Thomma vom Tagesspiegel – erzählt er u.a. von seinem USA-Aufenthalt, der meditativen Einsamkeit eines Langstreckenschwimmers und der Zeit, nachdem er sich vom Wettkampfthema, dem Schwimmen gegen die Zeit, freigemacht hat. Inzwischen hört er nur noch auf das Wasser. Das Wasser ist von seiner Arithmetik befreit.

Die Frage, ob SchwimmerInnen nach einer bestimmten Schwimmstrecke in einen tranceartigen Zustand gelangen können, bejaht er mit den Worten „Der Engel schiebt einen an und der Rhythmus reduziert den Aufwand.“

John von Düffel raucht nicht, trinkt keinen Alkohol. Phänomene seiner Sucht sind andere. Sobald er sich in einer fremden Stadt aufhält, recherchiert er nach Schwimmbädern. Er schafft sich damit ein Fenster, eine Wassergeografie.

Befragt zur „Wasser-Haptik“, weist er zum einen auf die jeweils unterschiedliche Tagesform eines jeden Schwimmers hin, zum anderen erklärt er zur Form eines Schwimmbeckens, dass eine niedrige Überlaufrinne ein ruhiges, gleitendes Schwimmen ermöglicht. Der Schwimmer muss nicht gegen die eigenproduzierten Wellen anschwimmen. Das Prinzenbad hat übrigens relativ niedrige Überlaufrinnen.
Zum Schwimmen in offenen Gewässern beschreibt John von Düffel diese andere Navigation und Orientierung als die im begrenzten Schwimmbecken. „Das Ufer schwimmt mit“, sagt er und damit erinnern mich seine poetischen Beschreibungen an das Schwimmen selbst.

Bei wie viel Grad Wassertemperatur und bei welcher Menschenmenge im Schwimmbecken schwimmt John von Düffel nicht mehr?
„Bei unter 14 Grad“, antwortet er. Und die erträgliche Schwimmeranzahl im Becken hängt auch von der jeweiligen Tagestoleranz ab. Er hat eine Sehnsucht nach dem Alleinsein mit dem Element Wasser. Wasser ist kein Element, wo Menschen mit anderen Menschen berührt werden möchten.
Schwimmt er morgens zur Inspiration oder später am Tag zur Belohnung? Er verrät uns, er schwimmt gerne um 14 Uhr zur Belohnung oder abends, um eine Unschuld wieder zu finden.

Schwimmen und Schreiben. Schreibt er beim Schwimmen? Formuliert er, konstruiert er Sätze im Kopf beim Schwimmen? Erinnert er sich später an sie?

„Nein, eigentlich nicht“ – antwortet er. „Aber wenn, dann erinnert er sich nur an die guten Sätze. „Nur die guten Sätze kommen wieder, weil sie wahr sind.“ Und während er das sagt, lächelt er still in sich hinein.


Alle Fotos (ohne Büffet-Fotos): Sigrid Deitelhoff

Büffet-Eröffnung


Alle Büffet-Fotos: Matze

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/john_von_dueffel_im_prinzenbad/

aktuell auf taz.de

kommentare