vonImma Luise Harms 18.06.2008

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

Mehr über diesen Blog

Es gibt berufliche Redereflexe, die sich so einschleifen, dass sie wie ein Tennisarm als Merkmal in die Physis eingehen.
In der Lausitzer Straße ist ein quasi-indischer Restaurant-Imbiß, in dem es lange Zeit besonders leckere Sauer-scharf-Suppen spezial gab. Der kleine Pächter, ein freundlicher Mann aus dem vorderasiatischen Raum, teilte seinen Gästen dicke Speisekarten in klebrigem Pastikeinband zu, in denen man unter vielen, vielen asiatischen Speisen wählen konnte. Nachdem man sich wie immer dann doch für die Sauer-scharf-Suppe spezial entschieden und die schweren Kladden zugeklappt hatte, zum Zeichen, dass die Entscheidung gefallen ist, trat er wieder an den Tisch, nahm die Folianten entgegen und notierte sich: 2 x Sauer-scharf sp., 2 Bhatura, 2 Hefeweizen. Man lächelte ihn an und hauchte „danke“, was er mit einem dezenten Absenken seines schräg gelegten Kopfes und der galanten Formulierung: „danke Ihnen“ quittierte. Das war immer so. Und das „danke Ihnen“ entschlüpfte ihm auch manchmal, wenn nach eingeborenem Sprachgefühl eigentlich ein schlichtes „danke“ oder auch „bitte“ angebrachter gewesen wäre.
Als Studentin arbeitete ich mal in einer Container-Spedition in Bremen. Mein Chef hatte eine unübersehbare Menge an 20- und 40-Fuß-Containern, geladen von Schiffen auf allen Weltmeeren, zu managen. Das wurde telefonisch gemacht. Telefonische Anweisungen geben, das war sein Beruf. Jedes Telefongespräch endete mit der Abfrage: “Ist klar?“, hanseatisch gedehnt: I-st klar? Dann war ich mal krankgeschrieben und hatte in der Zeit Geburtstag. Mein Chef rief an, wünschte mir gute Besserung, gratulierte mir herzlich und beendete das Gespräch wie gewohnt mit der Nachfrage „i-st klar?“, als hätte er Anweisungen für die Feier meines Geburtstages gegeben. Ich war einen Moment verdutzt und bestätigte dann schnell: „Ja, alles klar“. Ich wollte ihn ja noch ein bisschen als Chef behalten.
An der Kreuzung Köpenicker Straße, Ecke Bethaniendamm, steht eine junge Frau gegrätscht über ihrem Fahrrad. Sie mustert die Seite eines Stadtplans. Rings herum brandet der ungehemmte Wildwechsel der Verkehrsteilnehmer. Ich komme vom Land und bin noch voller Ruhe und Aufnahmebereitschaft. Gleich fällt mir ihre aufrechte ruhige Haltung, das freundliche Gesicht, die positive Ausstrahlung auf. Ich trete neben sie und frage – auch ruhig, um sie nicht zu erschrecken: „Kann ich helfen?“ Sie schaut überrascht auf und antwortet dann: „Ja, ich will zur Jannowitzbrücke“. Ich schaue kurz in die Runde und suche in meinem Gedächtnis nach dem passenden Kartenausschnitt. Dann zeige ich die Köpenicker Straße: „Einen knappen Kilometer in diese Richtung, bis zur Heinrich-Heine-Straße, und dann rechts.“ Sie klappt ihren Plan zu, schaut mir noch einmal freundlich ins Gesicht und sagt mit fast verwundertem Unterton: „Danke!“ „Bitte“, antworte ich schlicht und wende mich zu Weitergehen. „Gerne!“ entfährt es ihr, sie stutzt kurz, aber nur einen winzigen Moment, dann lächelt sie wieder, steigt auf und fährt davon.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/jottwehdeh/2008/06/18/danke_ihnen_gerne_ist_klar/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert