vonImma Luise Harms 30.05.2016

Land Weg

Das Land ist Ressource und Erweiterungsgebiet für die Stadt, aber auch ihre bestimmte Negation. Grund zum Beobachten, Experimentieren und Nachdenken.

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Ich habe gehört, dass es gedonnert hat. Vielleicht habe ich es auch geträumt. Ich liege im Brackwasser zwischen Traum und Erwachen. Ich höre es rauschen. Es regnet. Es regnet! Ich fahre in meine Tageshaut, stell die Füße auf, geh zur Gartentür. Es regnet wirklich. Endlich. Nach Wochen der wüstenhaften Trockenheit, den ganzen ausgedörrten Mai hindurch. Wie haben wir darauf gewartet. Ich gehe zur Haustür. Ein sanfter Regen, ein dünner Regen doch letzten Endes nur. Wenn es drei Tage so weiterginge, wäre es ok. Hinter den Bäumen ist der Himmel schon wieder blau. Eine Viertelstunde später scheint die Sonne auf die letzten Tropfen, die im Gras glitzern und bald verschwunden sein werden. Ich denke an A. Wieder gießen, heißt das für sie.

Meine Freundin A. erzählte mir neulich von ihrem Nachbarn in Randow. Er hat einen Öko-Beruf, der viel Geld abwirft und hatte also das Geld, um sich ein altes Anwesen aus Natursteinen nicht nur zu kaufen sondern aufwändig auszubauen. Die Naturstein-Fassaden wurden abgetragen, ökomäßig gedämmt und wieder aufgebaut. In einen Teil der Fassade wurden riesige Glasfronten eingelassen, dass der Öko-Unternehmer freien Ausblick auf seine Pferdekoppel hat. Und auf seine Gärten. In einem Teil gibt es auch einen Gemüsegarten, erzählt A. Den lässt er sich von einem anderen Nachbarn aus Randow kultivieren. Dieser andere Nachbar backt außerdem Brot für sich und einen kleinen Kreis von Menschen, die welches bei ihm bestellt haben. So sind wir drauf gekommen. Ein Grantel, der zwar launisch und unzugänglich und immer ein bisschen beleidigt ist, aber Ahnung von seinen Sachen hat. Eine bestimmte Sorte Mensch mit Ost-Sozialisation, fanden wir. Mir ist von A.’s Erzählung aber das mit dem Gemüsegarten  hängen geblieben.

Warum legt man einen eigenen Gemüsegarten an? Man hat etwas Land zur Verfügung und man hat Zeit und man rechnet nicht auf. Also natürlich ist der Aufwand, um Salat, Kohlrabi, Rote Beete und Bohnen groß zu kriegen, überhaupt nicht umzurechnen, selbst wenn man sonst im Bioladen einkaufen würde. Das lohnt sich nicht, so gesehen. Man muss schon Lust auf den Überlebenskampf für jedes der hinfälligen Pflänzchen haben. Erst die Samen zum Entfalten kriegen, dann das Unkraut zurückhalten, dann die Wühlmäuse, die die Pflanzen hochschieben oder gleich ganz abfressen. Dann die Schnecken, die sich über die Blätter hermachen. Dann die speziellen Feinde und Krankheiten – Kartoffelkäfer, Kohlfliegen, Krautfäule. Und dann das Wasser. Also man muss es schon wirklich mögen.

Der Öko-Unternehmer will einen eigenen Gemüsegarten, will ihn aber gar nicht selbst bestellen, hat womöglich keine Zeit dazu und bezahlt dafür jemanden. Warum denn dann? Für das Geld kann er sich die frischesten Biokisten frei Haus liefern lassen. Geht es darum, in den EIGENEN Garten gehen zu können, um das EIGENE Gemüse fürs Kochen selbst abzupflücken? Was ist dann daran noch eigen? Er kauft es ja im Grunde auch. Vielleicht liebt er es, einen EIGENEN Gärtner zu haben.

A. hat in diesem Jahr mit der Gärtnerei so richtig angefangen. Bis jetzt hat sie nur ein paar Salatköpfe in der Nähe des Hauses gezogen. Jetzt sollte mal alles wachsen, was man im Laufe des Jahres so essen will. Das muss doch gehen. Ich war bereit zu helfen. Zusammen haben wir Bücher gelesen. Zum Beispiel über die Vier-Beet-Technik. Also vier Beete werden angelegt, tief ausgeschachtet, mit Pferdemist gefüllt und wieder aufgehäufelt. Es ist eine Art Hochbeet und gleichzeitig Tiefbeet. Es wird auch mal so und mal so genannt. Die vier Beete sind dazu da, dass man die angebauten Gemüse wandern lässt: Starkzehrer, Mittelzehrer und Schwachzehrer wechseln sich über die Jahre ab. Das Projekt ist also auf jeden Fall auf längere Zeit angelegt. Die Beete bestehen dann aus einem halben Meter lockerer Erde, die dann auch nicht mehr betreten werden soll. Vorteil: man muss nicht hacken und kann die Unkräuter leicht aus der lockeren Erde ziehen. Also absolutes Betret-Verbot, damit das so bleibt, das ist der Nachteil.

Als die Beete fertig waren, haben wir Bücher über Mischkultur gelesen. Man baut nicht mehr eine Reihe oder ein Beet mit Kohl und eines mit Sellerie an, sondern man mischt die Pflanzen, weil sie sich gegenseitig gut tun und sich schützen. Das ist interessant. Wir lesen viel über gute Nachbarn und schlechte Nachbarn. Gute Nachbarn sind zum Beispiel Zwiebeln und Möhren, auch zum Beispiel Zwiebeln und Erdbeeren, und wie gesagt: Sellerie und Kohl. Die Mischkultur bau man aber in Reihen über das Feld an, nicht in Beeten. Das ganze braucht mehr Platz und ist nicht so auf intensieve Platz-Ausbeute angelegt. Man läuft zwischen den Reihen entlang, die auch weit genug auseinander sein müssen. Dort sollen dann abgehackte Blätter, Beikräuter, Rasenschnitt als Mulch liegen und die Fußtritte abfedern Das geht jetzt nicht mehr, die Hochbeete sind angelegt.

Aber A. findet das Mischkultur-Prinzip auch überzeugend. Deshalb versucht sie, die Prinzipien zu verbinden. Weil das Hochbeet ja so nahrhaft ist, kann man die Pflanzen etwas enger setzen und dabei immer die ausgewiesenen Pflanzenfreunde noch dazwischen schieben.

A.’s Vierfelderwirtschaft sieht gut aus: die Salatköpfe breiten sich aus, die Kohlpflanzen schießen kräftig nach oben und bilden ausladende fleischige Blätter. Dazwischen stehen die Sellerie-Pflanzen. Ich hab von einer anderen Gartenfreundin gehört, dass sich der Sellerie nur gut entwickelt, wenn der Wurzelansatz frei liegt. Also man muss immer welche von den oberen Würzelchen abkneifen, damit sich eine Knolle entwickelt.

Wir gucken uns die Selleriepflanzen an, unter den großen Kohlblättern stehen sie klein und dünn. „Die sind zu tief eingepflanzt“, sage ich. „Sind ja noch nicht so lange drin, können wir noch ändern“, meint A. Mit einer Schippe greifen wir den Selleriepflanzen einer nach der anderen unter den Wurzelstock und lupfen ihn ein, zwei Zentimeter an, so daß die Pflanzen jetzt auf kleinen Hügeln stehen.

Eine Woche später, immer noch Dürre. Immer noch mit der Gießkanne die Pflanzen versorgen. A. hat Schwierigkeiten, den Sellerie Wasser zu geben. Es perlt von den kleinen Hügeln aus trockener Erde einfach ab. Das Gießen ist sowieso schwierig. Wie soll das in der Mischkultur gehen? Die einen brauchen viel Wasser, aber nur ab und zu, die anderen wenig, aber regelmäßig. Die Kohlrabi sollen nur von unten gegossen werden, sonst platzen sie. Aber von unten geht nicht, da stehen die Salatpflanzen davor. Die Fenchel müssen regelmäßig Wasser haben, sonst schossen sie und bilden keine Knolle, die Paprika dicht daneben sollen wiederum eher wie Tomaten nur ab und zu was kriegen.

Nochmal eine Woche später stehen wir wieder vor dem Misch-Hoch-Tief-Beet. Der Kohl entfaltet sich nach allen Seiten, die Selleriepflanzen sind darunter eingewachsen. So wird das nichts. Die brauchen ja nicht nur Nährstoffe und Wasser, die brauchen auch Licht und Platz. Wir schneiden die äußeren Kohlblätter zu den Zwischenräumen in ab. eine Art Façonschnitt für Brokkoli und Blumenkohl. Jetzt mal sehen, wie es sich entwickelt. Der Kohl kriegt Brennnesseljauche, der braucht den Nährstoff, dem Sellerie wird’s wohl nicht schaden.

Das Hauptproblem ist sowieso das Wasser. Paradoxerweise. Das Grundstück von A. liegt an einem kleinen See. Der See gehört irgendeiner Bundesbehörde, von der man noch nie etwas gehört hat. er ist sich selbst überlassen. Das heißt, der ist dem freien Spiel der Kräfte der unterschiedlichen Anliegerinteressen ausgesetzt. In den letzten Jahren hat A.’s Mann das Wasser aus dem Teich in einen Container gepumpt und von dort aus seine Anfplanzungen versorgt. Auf der anderen Seite sitzen den Angler. A. und ihrem Mann sind die Angler egal, aber denen ist das Wasserpumpen nicht egal. Seit ein paar Jahren sinkt der Wasserspiegel, keiner weiß richtig, warum. Jedenfalls nicht wegen der paar tausen Liter für das Gartengrundstück. Das kommt den Anglern aber anders vor und deshalb gibt es nachbarschaftlichen Druck. A.’s Mann hat keine Lust mehr auf den Stress. Ein Wasserwagen wurde organisiert und das Wasser von ihrem zweihundert Meter entfernten Haus rangefahren. Der Wasserwagen musste zurück. Was nun? Die Dürre nimmt kein Ende.

A. ist dafür, einen Brunnen zu bohren. Das kann doch nicht so schwer sein, der See ist doch gleich nebenan. Aber dann stellt sich raus, dass gerade neben einem See, der meist in einer Tonschicht eingebettet ist, das Grundwasser besondern tief, nämlich unter der Tonschicht, liegt. Der Plan wird wieder aufgegeben. Und wenn man mit einer Handpumpe Wasser aus dem See rauspumpt, mit einer vergrabenen Wasserleitung, ganz unauffällig und nur nach Bedarf? A. ist dafür, ihr Mann dagegen. Wer weiß, ob man das überhaupt hinkriegt. Sind ja auch Investitionen. Und natürlich merken die angelnden Nachbarn das auch. Er ist für die Schlauchlösung. Aus der Nachbarschaft werden Schläuche zusammen geliehen und durch den Park zwischen ihrem Haus und den gepachteten Grundstück quer über Spazierwege und Straße ausgelegt, bis zu den Wassercontainern. Ein Riesenaufwand. Verschiedene Stecksysteme müssen verbunden, die Adapter dafür auch ausgeliehen werden. Und zum Schluss muss alles wieder an die Eigentümer zurück.

Die beiden können sich nicht über die richtige Lösung einigen – kurzfristig oder nachhaltig orientiert? Umständlich und kostenlos oder mit Investition und dann alles einfach?

Ich will meiner Freundin A. helfen und gucke täglich bei ebay-Kleinanzeigen nach. Gibt es Wasserwagen, gibt es Schläuche? Natürlich nicht in Zeiten der Dürre. Aber irgendwann muss die doch mal zuende sein?

Jetzt hat es wirklich geregnet. Mit Gewitter und Sturzbächen. Morgen müssen wir Schnecken sammeln.

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