vonHelmut Höge 31.07.2011

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Tel Aviv. Photo: brf.de

Am 5.2. schrieb Sonja Zekri in der Süddeutschen Zeitung über „Israelische Ängste“ angesichts der sich ausweitenden Arabischen Aufstände:

Jeder Israeli weiß, dass die freien Wahlen im Gaza-Streifen die radikale Hamas an die Regierung gebracht haben. Und so sah der israelische Ex-Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser nach einem Sturz Mubaraks bereits die gesamte Region in den Händen der Islamisten. Amerika, so seine Kritik, habe dies durch sein Wohlwollen gegenüber dem Aufstand noch gefördert und den Nahen Osten „ins Unglück gestürzt“. Von der Möglichkeit, ja auch nur der Berechtigung einer ägyptischen Demokratie ist nicht die Rede.

hat sich über Jahrzehnte als Garant für Stabilität in der Region und für die Einhaltung des ägyptisch-israelischen Friedensvertrages inszeniert. Aber abgesehen von der Frage, ob ein Land für seine eigene Sicherheit von einem anderen Volk verlangen kann, ein folterndes, korruptes Regime zu erdulden, wirken die israelischen Äußerungen vor allem politisch unklug.  Israel war stets und zurecht stolz darauf, dass es in einem Meer aus Despotien die einzige nennenswerte Demokratie des Nahen Ostens ist. Dass nun ausgerechnet dieser Staat die Menschen auf dem Tahrir-Platz in Kairo als naive Türöffner für einen Gottesstaat denunziert, wirkt mehr als kurzsichtig.

Was hätte es Israel gekostet, sich nach dem „Marsch der Million“, vielleicht nach dem Überfall auf die Demonstranten auf dem Tahrir-Platz als Partner eines freien Ägyptens anzubieten, eines Ägyptens, das den Friedensvertrag mit Israel und demokratische Standards gleichermaßen achtet? Man muss den Muslimbrüdern, Ägyptens stärkster organisierter Oppositionskraft, nicht vertrauen. Noch aber haben selbst sie die Einhaltung internationaler Verträge gelobt.

Inzwischen scheint man auch in Tel Aviv zu ahnen, dass die Denunzierung des ägyptischen Aufstands möglicherweise eben jene aufgeklärten, demokratischen, modernen Menschen gegen Israel aufbringt, mit denen sich ein stabiler Frieden machen ließe. In einer vorsichtigen Erklärung mahnte Netanjahu, dass der Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten eingehalten werden müsse, dass er aber zudem „Fortschritt für freie und demokratische Werte im Nahen Osten“ begrüße. Dann fügte hinzu: „Noch aber sind wir nicht so weit“.

Am 23.2. meldete die taz aus Jerusalem:

Die Passage zweier iranischer Kriegsschiffe durch den Suezkanal wird in Israel als schwere Provokation empfunden. Zu Zeiten des ägyptischen Expräsidenten Husni Mubarak wäre das nicht möglich gewesen, sagte Israels Außenminister Avigdor Liebermann. Die Fregatte und ein Versorgungsschiff sind die ersten iranischen Kriegsschiffe, die seit der iranischen Revolution im Jahre 1979 den Suezkanal durchqueren.  Kriegsschiffe benötigen für die Passage eine Genehmigung vom ägyptischen Außenamt und dem Verteidigungsministerium. Die ägyptischen Behörden erlaubten den beiden iranischen Kriegsschiffen am Montagmorgen die Durchfahrt, wie aus Sicherheitskreisen in Kairo bekannt wurde. Eine Durchfahrt hätte nur im Kriegsfall untersagt werden können, hieß es von ägyptischer Seite. Zuvor war den Iranern die Durchfahrt mehrfach verweigert worden. Unter Präsident Husni Mubarak waren die Beziehungen zwischen Ägypten und dem Iran jahrelang sehr schlecht. Ein Mitarbeiter der Suezkanal-Gesellschaft sagte, die Iraner hätten für die Durchfahrt etwa 200.000 US-Dollar bezahlen müssen.

Der Iran hat angegeben, die Schiffe hätten weder konventionelle Waffen noch atomare oder chemische Kampfstoffe an Bord.  Die beiden Schiffe sind angeblich auf dem Weg zur syrischen Hafenstadt Latakia, wo ein zwölfmonatiges gemeinsames Training mit der syrischen Marine stattfinden soll. Die iranische Regierung steht zudem im Verdacht, die libanesische Hisbollah mit moderner militärischer Rüstung auszustatten. Die Waffen erreichen den Libanon gewöhnlich auf dem Landweg via Syrien. Damaskus verschließt angeblich die Augen vor den Transporten. Laut dem UN-Waffenstillstandsabkommen von 2006, das den Krieg zwischen Israel und Libanon beendete, sollte eine Wiederaufrüstung der Hisbollah unterbunden werden. Israel vermutet, dass die schiitischen Extremisten ihre Waffenarsenale inzwischen längst mehr als wieder aufgefüllt haben.  Verteidigungsminister Ehud Barak erklärte, dass Israel die Schiffe sorgfältig beobachte. Bei einem Kurswechsel auf Gaza oder gar die israelische Küste würde die Marine umgehend reagieren. Und auch ohne besondere Vorbereitungsmaßnahmen „könnten die Schiffe sofort versenkt werden“, zitierte die liberale Zeitung Haaretz einen hohen Militärbeamten.

Am 1.April hieß es in der FAZ:

Während einer Tagung des israelischen Interdisziplinären Zentrums in Herzlija, der prominentesten Tagung über politische Fragen in Israel, meinte der Generalmajor Amos Gilead laut des Politologen Avi Shlaim:  „‚In der arabischen Welt ist kein Platz für Demokratie. Das ist die Wahrheit. Wir ziehen Stabilität vor‘. Die Zuhörer nickten beifällig.““

Auch der Öl- und Gasproduzent Wintershall blickte „mit Sorge auf Umbrüche im nordafrikanischen Raum““

Die linksliberale römische Tageszeitung „La Repubblica““ betonte, wie wichtig die Stabilität nicht nur in Libyen für Europas Sicherheit ist:

„Die Intervention in Libyen ist noch voller Unbekannter. Ägypten, Schlüssel zur arabischen Welt, bleibt ein Pulverfass. Und Syrien hat seine eigenen und speziellen Unabwägbarkeiten dazu gesellt. Dabei hat doch die grundsätzliche Frage nach der Stabilität des südlichen Mittelmeeres, die in erster Linie Europas Sicherheit betrifft, höchste Priorität“

Am 23.April schrieb Susanne Koelbl im Spiegel über Syrien:

Am 30. März enttäuschte der Präsident das In- und Ausland mit einer geradezu provozierend inhaltsleeren Rede, am vorigen Dienstag schließlich hob er zwar die seit 1963 geltenden Notstandsgesetze auf, deutete aber an, sie durch ein kaum weniger totalitäres Anti-Terror-Gesetz ersetzen zu wollen. „So hat er seinen Ruf als ewiger Ankündigungspräsident besiegelt – und damit seinen Untergang“, sagt ein westlicher Diplomat mit intimen Kenntnissen der syrischen Verhältnisse. Kaum einer der Nachbarn freilich wünscht sich diesen Untergang, ja selbst Syriens Gegner im Westen – und in Israel – schauen bang in den Abgrund, der sich in Damaskus auftut. So brutal das Regime die Syrer unterdrückt: Für die Region im Ganzen wäre der Sturz des Assad-Clans mittelfristig womöglich keine gute Nachricht.  Zwar ist unstrittig, dass Syriens Führung mit Iran und der Hisbollah im Bunde steht und dass höchste Kader der radikal-islamischen Hamas in Damaskus residieren. Doch für nahöstliche Verhältnisse ist das Assad-Regime geradezu ein Vorbild an außenpolitischer Berechenbarkeit. Seit 1973 ist auf den von Israel besetzten Golanhöhen kein Schuss mehr gefallen, unter Kommentatoren in Tel Aviv gilt Baschar al-Assad sogar als „Israels Lieblings-Autokrat“. Und dass im multiethnischen und multikonfessionellen Staat der Assads Muslime, Christen und Drusen, Araber, Kurden und Tscherkessen weitgehend friedlich zusammenleben, wissen vor allem ihre Nachbarn im Irak sehr zu schätzen.  Was dem Irak widerfuhr, Gewalt und Bürgerkrieg, könnte auch einem zerbrechenden Syrien widerfahren. Die dann vermutlich an die Macht kommende sunnitische Mehrheit dürfte sich aus der iranischen Umarmung lösen und eine neue strategische Partnerschaft mit Saudi-Arabien oder der Türkei suchen. Die heute regierenden Alawiten, die weniger als zehn Prozent der Bevölkerung stellen, hätten jedenfalls einen schweren Stand, viele würden das Land wohl Richtung Libanon verlassen.  Der Deutsch-Syrer Hanoun, der mit der moderaten Fraktion der sunnitischen Muslimbrüder sympathisiert, sieht jedenfalls zuversichtlich in die Zukunft: „In ein paar Monaten werde ich mit meiner auf der ganzen Welt verstreuten Familie meinen ersten Urlaub in der Heimat verbringen.“

Am 2.5. berichtete Clemens Höges im Spiegel aus Syrien:

Die Regierungen des Westens wissen seit langem, mit wem sie es in Syrien zu tun haben. Allein die Berichte der US-Vertretung in Damaskus, die der Enthüllungsplattform WikiLeaks voriges Jahr zugespielt wurden, zeichnen das Bild einer so schamlosen Machtclique, dass der Zorn der Demonstranten sofort einleuchtet – sich aber auch die Frage stellt, warum er nicht schon im Januar losbrach, als in Tunis das erste arabische Regime fiel.  „Die Assads betreiben Syrien als Familienunternehmen“, heißt es bereits 2006 in einer vertraulichen Depesche. Das Land werde „dominiert von einer korrupten Klasse, die ihre persönlichen Beziehungen zu Mitgliedern der Assad-Familie nutzt, um monopolistische Kontrolle über die meisten Sektoren der Wirtschaft zuerlangen. Dabei bereichern sie sich selbst und ihre Wohltäter.“  Als „Star der Korruption“ sehen die Amerikaner Baschars Cousin Rami Machluf. Dessen Familie habe „ein enormes Finanzimperium“ aufgebaut. Bedenkenlos nutze Machluf die Kontakte zu seinem Vetter, dem Präsidenten, und steche Konkurrenten aus – etwa, als es 2008 um den Bau eines Kraftwerks im Wert von 430 Millionen Euro ging: „Und weil er sich vorher die exklusiven Rechte gesichert hatte, Siemens zu vertreten, profitierte Rami erneut, als der deutschen Firma andere Energieaufträge erteilt wurden.“  Der Präsident nutze vier Vertraute, „um Geld zu machen und es zu bewegen“. Einer davon sei Rami Machlufs Vater Mohammed, Assads Onkel also: „Wenn Rami Machluf das Gesicht der Korruption ist, dann ist Mohammed Machluf das Hirn.“ Mit welchen Summen selbst Randfiguren des Assad-Zirkels hantieren, deutet ein US-Bericht über einen Fall aus dem Sommer 2008 an: Damals wurde ein Sicherheitsberater des Präsidenten erschossen, und als die Ermittler danach dessen Haus durchsuchten, fanden sie 80 Millionen Dollar vor. In bar.  Wohlgemerkt: Diese Informationen liegen dem US-Außenministerium seit Jahren vor. Dennoch setzte Washington weiterhin auf das Assad-Regime. Auch die Europäer wissen von den Machenschaften des Clans; Rami Machluf war schon mal Gast der Deutsch-Arabischen Gesellschaft in Berlin. Trotzdem hat der Westen bislang auf die Assads gebaut – er tut sich schwer damit, sich von einem Regime zu lösen, das 40 Jahre lang eine relativ berechenbare Größe im Nahen Osten war.  Je mehr Blut in Homs, Daraa und Latakia fließt, desto näher rückt allerdings das Ende des Hauses Assad…“

Am 30.5. berichtete Juliane von Mittelstaedt im Spiegel aus Israel: Seit einigen Monaten liegen am Flughafen von Tel Aviv Faltblätter aus, auf ihnen steht: „Masbirim Israel“, erkläre Israel. Die Broschüren richten sich nicht an Touristen, sie sind für Israelis bestimmt, die im Ausland um Verständnis für ihr Land werben sollen. Das Heftchen rät: Erkläre Israels Verwundbarkeit anhand einer Karte! Zeige Bilder von zu Hause! Erzähle deine persönliche Geschichte! Überrasche deine Zuhörer mit Fakten, diesen zum Beispiel: Der USB-Stick, Windows XP und Kirschtomaten wurden in Israel erfunden; das Land ist Nummer eins bei Patenten und Firmengründungen.  Auf Hebräisch heißt das Hasbara. Die Reisenden sollen Bürger-Botschafter werden für ihr Land, sollen es erklären, für es werben und es notfalls rechtfertigen.  Es ist dringend nötig. Israel und die Welt sind auseinandergedriftet in den vergangenen Jahren. Israel fühlt sich isoliert, kritisiert und missverstanden; und es glaubt offenbar noch immer, das sei nicht ein Problem der Substanz, sondern der Darstellung.  Der Rest der Welt dagegen sieht einen Staat, dem es offenbar nichts ausmacht, gegen internationales Recht zu verstoßen: der seine Siedlungen im Westjordanland immer weiter ausbaut, eine Blockade über einen ganzen Landstrich verhängt und eine Flotte mit Menschenrechtsaktivisten auf hoher See entert. Ein Staat, in dem der Innenminister gegen „Eindringlinge“ aus Afrika hetzt, und in dem ein Mann Außenminister ist, den sogar 60 Prozent der Israelis verantwortlich machen für die „zunehmenden extremnationalistischen und fast faschistischen Tendenzen“.

Israel steckt in Erklärungsnot, zunehmendes Unverständnis schlägt diesem Land entgegen, vor allem in Europa, aber auch in Teilen Amerikas, diesem engsten aller Alliierten. Wer versteht schon noch, warum Israel angesichts der Revolutionen in seiner arabischen Nachbarschaft in eine Art politischen Autismus verfallen ist? Warum es jede Kritik rabiat abstreitet? Und warum der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu sich wegen einer seit Jahren unstrittigen Formulierung – dem Rückzug auf die Grenzen von 1967 inklusive Gebietsaustausch – vorvergangene Woche mit Präsident Barack Obama, dem mächtigsten Mann der Welt, anlegte?  Die Rede, die Benjamin Netanjahu am Dienstag auf Capitol Hill hielt, war im Vorhinein als historische Rede beworben worden. Der Premier, hieß es, werde auf die Palästinenser zugehen und sie abbringen von ihrem Plan, im September die Unabhängigkeit auszurufen.  Doch das, was Benjamin Netanjahu dann anbot, hat zu weiterer Entfremdung beigetragen. Von einem „großzügigen Angebot“ und „schmerzhaften Zugeständnissen“ redete er da, aber es gab kein Wo, Wie oder Wann. Es war eine Rede, die seine schwierige Koalition daheim zusammenschweißen sollte, eine Rede zum Machterhalt, ihr Ton so absichtlich unversöhnlich, dass die Palästinenser danach prompt Verhandlungen ablehnten.  Und es ist nicht nur Netanjahu, ein Großteil seines Landes befindet sich offenbar in einem anderen Seinszustand.

Als Barack Obama am vorvergangenen Sonntag seine Rede bei der amerikanisch-jüdischen Lobbyorganisation Aipac hielt, da standen zur gleichen Zeit an der Strandpromenade von Tel Aviv Männer und Frauen mit einem Strick um den Hals und riefen: „Obama, häng uns nicht.“ Einen Tag nach Netanjahus Rede kamen vier Minister, der Knesset-Sprecher und ein ehemaliger Oberrabbiner zusammen, um die Fertigstellung von 60 neuen Wohnungen in Ostjerusalem zu feiern, in der jüdischen Siedlung Maale Hazeitim im arabischen Ras al-Amud, die diesen Konflikt wieder mal ein Stück explosiver machen.  In den Meinungsumfragen wurde tags darauf der Widerspruch deutlich: dass zwar 57 Prozent der Israelis meinen, ihr Premier hätte auf Obamas Friedensvorschlag eingehen sollen, aber auch 51 Prozent mit seinem US-Auftritt zufrieden sind.

Am 30.5. berichtete Sonja Zekri aus Gaza:

Nach der Entführung des israelischen Soldaten Gilad Shalit 2006, spätestens seit der Machtübernahme der Hamas 2007 hatte Israel versucht, die radikalen Islamisten mit der Abriegelung des Gazastreifens in die Knie zu zwingen. Und Ägyptens Präsident Hosni Mubarak hatte sich zur Empörung seines Volkes angeschlossen. Die Hamas aber regiert bis heute, auch wenn der Unmut im Gaza-streifen wächst, und Mubarak ist von einer Junta gestürzt worden, die unter Anleitung des Noch-Aussenministers und künftigen Generalsekretärs der Arabischen Liga Nabil al-Arabi Ägyptens Aussenpolitik neu ausrichtet. Heute macht Ägypten Ministern wegen billiger Gaslieferungen nach Israel den Prozess, und die Radikalen der Hamas hat Kairo durch eine Aussöhnung mit den moderateren palästinensischen Rivalen der Fatah aus dem Westjordanland international dramatisch aufgewertet.

Und nun also Rafah, jener Ort, der für viele Ägypter ein Symbol für die Unterwerfung des alten Regimes unter israelische und amerikanische Interessen ist. Zwar hatte Ägypten das einzige nicht von Israel kontrollierte Tor aus Gaza ein wenig geöffnet: Schwerkranke, Studenten oder Ausländer durften manchmal die Grenze überqueren. Auch Israel gab sich konzilianter, nachdem die israelische Armee neun Menschen einer türkischen Hilfsflotte auf dem Weg nach Gaza getötet hatte.

Aber so leicht war es seit Jahren nicht. Und doch, die erwartete Welle aus Gaza blieb aus. Die Palästinenser reisen in Bussen an, zu Hunderten, nicht zu Tausenden, wie die Ägypter in Grenznähe befürchteten, wo 2008 Hunderttausende Palästinenser die Geschäfte leer kauften, nachdem sie die Grenzanlage von Rafah überrannt hatten. Bis Sonntag überquerten 600 Palästinenser die Grenze Richtung Ägypten. «Die meisten glauben nicht an die Öffnung», sagt ein Palästinenser.Israel gibt sich dennoch alarmiert. Infrastrukturminister Uzi Landau warnte, «Munition, militärisches Material und Terroristen» könnten nach Gaza kommen. Verkehrsminister Israel Katz drohte, Israel werde Strom- und Wasser-lieferungen, überhaupt jeden Kontakt nach Gaza abbrechen, da sich ja nun offenbar Ägypten um die Palästinenser kümmern wolle. Waren erreichen Gaza legal zwar weiterhin nur über einen der von Israel kontrollierten Übergänge, also kaum.  Rafah ist dem Personenverkehr vorbehalten. Zwei Jahre lang hatten Ägypten, die Palästinensische Autonomiebehörde und eine Polizeimission der EU, Eubam, den Grenzübergang in Rafah kontrolliert. Nachdem die Hamas die Fatah aus Gaza vertrieben hatte, zog Eubam ab. Nun sind die Europäer bereit zurückzukehren, aber die Hamas will nicht: Die Palästinenser hätten bewiesen, dass sie den Grenzübergang selbst betreiben könnten, so ein Hamas-Sprecher.

Am 8.7. berichtete das ZDF-„Heute“-Journal:

Nach Schätzungen der Organisation „Willkommen in Palästina“ wollten am Wochenende zwischen 500 und 700 Aktivisten nach Israel reisen. Diese haben erklärt, im Westjordanland friedlich auf das Schicksal der unter israelischer Besatzung lebenden Palästinenser aufmerksam machen zu wollen, indem sie eine Woche mit palästinensischen Familien im Westjordanland verbringen und Flüchtlingslager besuchen. Einige würden vor Ort und in Ostjerusalem zudem an wöchentlichen Protesten gegen Israel teilnehmen, hieß es.   Israel reagierte darauf mit Einreiseverboten. Die Beschränkungen richteten sich nur gegen potenzielle Gewalttäter, nicht gegen politische Ansichten, teilten israelische Behörden mit. Mehrere Fluggesellschaften erhielten Listen mit Namen von Personen, denen die Einreise verweigert werden soll. Am Ben-Gurion-Flughafen waren nach Angaben von Polizeisprecher Rosenfeld hunderte Beamte und verdeckte Ermittler im Einsatz. Sie seien auf verschiedene Szenarien vorbereitet, darunter auch Angriffe auf Flughafenmitarbeiter. Mehr als 300 Aktivisten wurde nach Informationen der israelischen Tageszeitung „Maariv“ bereits an ihren Heimatflughäfen die Reise nach Israel verweigert. 30 Aktivisten berichteten beispielsweise im sozialen Netzwerk Twitter, dass die ungarische Fluggesellschaft Malev sie am Pariser Flughafen Charles de Gaulle nicht abgefertigt habe.

Fluggesellschaften, darunter Lufthansa und Air Berlin, hatten von den israelischen Behörden Listen mit Namen von Personen erhalten, denen das Betreten der Maschinen verwehrt werden soll. Ein Lufthansa-Sprecher sagte, das Unternehmen sei gesetzlich dazu verpflichtet, keine Personen zu transportieren, die keine gültige Einreiseerlaubnis besäßen. Das Unternehmen wollte keine Angaben machen, wie viele Namen auf der Liste sind. Die Einreisebeschränkungen wurden auch in Israel kritisiert. Der Kolumnist Eitan Haber schrieb in der Zeitung „Jediot Ahronot“, der Staat habe „den Verstand verloren“. Mit den Beschränkungen werde wenigen, die das Ansehen des Landes beschädigen wollten, in die Hände gespielt. Das Tourismusministerium kündigte an, Urlauber bei eventuellen Verzögerungen bei der Einreise als Entschädigung mit Blumen zu begrüßen.   Unterdessen versucht eine Hilfsflotte für den Gazastreifen bislang vergeblich, von Griechenland in Richtung Gaza auszulaufen. Sie will die Blockade durchbrechen, um Hilfsgüter in das Gebiet zu bringen. Die griechische Regierung hatte allen Schiffen verboten, die Häfen des Landes in Richtung Gazastreifen zu verlassen. Die Behörden führen zur Begründung die Drohung Israels an, die Schiffe notfalls mit Gewalt zu stoppen. Bisher gelang es nur einem kleinen französischen Schiff, in See zu stechen – das Boot wurde aber von der griechischen Küstenwache vor Kreta gestoppt.

Der Kriminalautor Henning Mankell beteiligte sich an der Gaza-Hilfsflotte und wurde darüber vom stern am 12.Juli interviewt:

Haben Sie Angst?

Wenn man weiß, zu was die Israelis fähig sind, muss man wohl Angst haben. Israel nennt sich eine Demokratie, doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein brutales Regime, ja beinahe schon eine Militärdiktatur. Ich sage allen: Gehen sie nach Hebron und schauen sie sich an, wie man dort mit den Palästinensern umgeht. Es erinnert mich an das Apartheidsregime in Südafrika.

Das wurde allerdings nicht mit Hilfsflottillen beseitigt…

Nein, aber es geht auch nicht so sehr um Zementlieferungen oder Lebensmittel. Zu Essen haben die Menschen genug. Es geht darum, den Palästinensern zu zeigen, dass sie nicht alleine sind. Desmond Tutu hat mir mal erzählt, wie wichtig es für die schwarzen Südafrikaner damals war, nicht in Vergessenheit zu geraten.

„Die Zeit“ berichtete am 19.7.:

Soldaten der israelischen Marine haben im Mittelmeer das Schiff einer Hilfsflottille für den Gaza-Streifen geentert. Eine Sprecherin des israelischen Militärs bestätigte einen entsprechenden Bericht des Fernsehsenders Al Jazeera. Die Soldaten hätten das Boot geentert, nachdem sich die Besatzung trotz wiederholter Aufforderung geweigert habe, Kurs auf den Hafen Aschdod zu nehmen. Anzeige  Der Sprecherin zufolge ist die Aktion friedlich und ohne Zwischenfälle verlaufen. Die französische Yacht werde nun in den israelischen Hafen Aschdod geschleppt. Insgesamt befinden sich 16 Aktivisten an Bord der Dignitie al Karama. Das mit Hilfsgütern beladene Schiff hatte trotz Auslaufverbot von Griechenland aus Kurs auf den Gaza-Streifen genommen.

Al Dschasira berichtete am 21.Juli 2011 – unter Berufung auf einen CIA-Agenten,

dass das von dem vermuteten Atombomben-Bau der Iraner besonders bedrohte Israel im Herbst den Iran angreifen werde. Der iranische Präsident ist der erste seit Hitler, der sich hinstellte und sagte, der jüdische Staat müsse vernichtet werden.

Am 23.7. meldete die Neue Zürcher Zeitung:

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat eine Normalisierung des Verhältnisses zu Israel ausgeschlossen, es sei denn der jüdische Staat «entschuldigt sich offiziell» für die tödliche Kommandoaktion gegen eine Gaza-Hilfsflotte im vergangenen Jahr.

Die Beziehungen zwischen beiden Staaten könnten nicht verbessert werden, es sei denn Israel zahle den Familien der neun getöteten Türken Entschädigung und hebe das Embargo gegen den Gazastreifen auf, sagte Erdogan am Samstag. «Wir haben und werden das Massaker an unseren Brüdern nicht vergessen», sagte der türkische Regierungschef bei einem Treffen palästinensischer Botschafter in Istanbul, an dem auch der palästinensische Präsident Mahmud Abbas teilnahm.  Bei dem israelischen Angriff auf ein Schiff der Gaza-Hilfsflotte waren Ende Mai 2010 neun türkische Aktivisten getötet worden. Israel hat erklärt, seine Soldaten hätten aus Notwehr das Feuer eröffnet. Aktivisten hätten die Soldaten angegriffen, als sie an Bord des Schiffes gegangen seien.

Am 26.7. berichtete AFP:

Die radikalislamische Hamas hat im Gazastreifen zwei Männer hingerichtet, die wegen Kollaboration mit Israel zum Tode verurteilt worden waren. Wie das Innenministerium in Gaza am Dienstag mitteilte, waren die beiden Männer bereits 2004 unter anderem wegen Mordes und Kollaboration mit Israel zum Tod durch Erhängen verurteilt worden. Mitte Juli sei das Todesurteil dann von einem Berufungsgericht bestätigt worden. Nach Angaben von Nichtregierungsorganisationen wurden in den vergangenen zwei Jahren noch 15 weitere Menschen wegen Kollaboration mit Israel zum Tode verurteilt.  Das palästinensische Gesetz sieht die Todesstrafe für Kollaborateure, Mörder und Drogenhändler vor. Sie kann eigentlich aber nur mit Zustimmung von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas vollstreckt werden. Die Hamas, die im Juni 2007 gewaltsam die Macht im Gazastreifen übernommen hatte, erkannt die Legitimität des Palästinenserpräsidenten jedoch nicht an. Das erste Todesurteil wurde im April 2010 im Gazastreifen vollstreckt.

Am 28.7. meldete dpa:

Bei einer Schwulen- und Lesbenparade in Jerusalem haben am Donnerstag tausende Teilnehmer gegen den ihrer Ansicht nach zu großen Einfluss ultraorthodoxer Juden demonstriert. Auch viele der seit Wochen gegen zu hohe Mieten protestierenden Israelis schlossen sich dem Marsch an.  „Die Parade ist ein Symbol für den Kampf um die Freiheit in der Hauptstadt“, zitierte die Zeitung „Jerusalem Post“ den Abgeordneten Nitzan Horowitz. „Wir werden nicht zulassen, dass extremistische Gruppierungen Jerusalem in eine Art Teheran verwandeln“, fügte der Politiker in Anspielung auf den Einfluss der Mullahs in der iranischen Hauptstadt hinzu. Horowitz ist einer der Initiatoren des seit zehn Jahren stattfindenden Umzugs.  Wie schon in früheren Jahren versuchten Ultraorthodoxe, den Marsch zu stören. Ein Mitglied der strenggläubigen charedischen Juden sei festgenommen worden, nachdem er mehrere Plastiktüten mit einer unbekannten Flüssigkeit auf Teilnehmer der Parade geschleudert habe, sagte Polizeisprecher Mickey Rosenfeld der Nachrichtenagentur dpa. Zuvor hatte die Polizei mehrere Dutzend Orthodoxe gestoppt, als sie versuchten, vier Esel zu der Schwulenparade zu treiben.

Am 28.7. berichtete AFP:

Im Gazastreifen hat es einen Angriff auf ein Ferienlager der Vereinten Nationen gegeben. Zehn Männer seien in der Nacht zu Donnerstag in das Lager eingedrungen, hätten eine Anzeigetafel beschädigt, einen Bühnenteil angesteckt und die UN-Flagge verbrannt, teilte der Sprecher des UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA), Chris Gunness, mit. Er verurteilte den Vorfall als einen „Angriff auf die Kinder von Gaza ebenso wie auf die Vereinten Nationen“. Der Innenminister der im Gazastreifen herrschenden Hamas-Regierung, Fathi Hammad, kündigte eine Untersuchung an.

Noch mal AFP am 28.7:

Eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete ist am Donnerstagmorgen im Süden Israels eingeschlagen. Wie es aus israelischen Militärkreisen hieß, wurde durch den Beschuss niemand verletzt. Das Geschoss schlug demnach auf freiem Feld ein. Seit Mitte des Monats wird aus dem Gazastreifen wieder häufiger auf israelisches Territorium geschossen. Zuvor hatte seit Mitte April relative Ruhe geherrscht. Damals war ein israelischer Jugendlicher durch eine aus dem Gazastreifen abgefeuerte Rakete getötet worden. Israel reagierte darauf mit einer Serie von Angriffen, durch die mindestens 19 Palästinenser ums Leben kamen.

Am 29.7. meldete AFP:

Die Ermordung eines 70 Jahre alten Rabbiners hat in Israel Bestürzung ausgelöst. Medienberichten zufolge wurde Eleasar Abu Hatseira in der Nacht zum Freitag in Beerschewa im Süden des Landes durch Messerstiche getötet, während er Gläubige empfing, um sie zu segnen. Der mutmaßliche Mörder wurde demnach von der Polizei gefasst. Er soll den Rabbiner zuvor in mehreren Angelegenheiten um Rat gefragt haben.  Israels Innenminister Eli Jischai sprach von einem „Schock“ und einem „großen Verlust“. Der ermordete Rabbiner, ein Vertreter der Kabbala-Lehre, sollte noch am Freitag beigesetzt werden.

In der taz interviewte die Washington-Korrespondentin Dorothea Hahn den syrischen Oppositionspolitiker Radwan Ziadeh – über die Chancen der syrischen Aufständischen, das Assad-Regime zu beseitigen:

taz: Herr Ziadeh, das Regime in Syrien lässt seit 16 Wochen auf Demonstranten schießen. Wie stark ist es?

Radwan Ziadeh: Es steht unter riesigem Druck. Weil die Demonstranten immer zahlreicher werden und keinerlei Kompromisse mehr akzeptieren wollen, wird es auch für das Regime schwieriger.

Glauben Sie, dass das Regime noch reformierbar ist?

Das Regime hat bewiesen, dass es unfähig ist, irgendeine Reform durchzuführen. Wenn es Reformen macht, wird es kollabieren. Wenn es sie nicht macht, werden die Leute auf der Straße ihre Proteste verstärken. Dies ist eine Vorentscheidung für den Rücktritt. Anschließend wird Syrien in eine Periode des Übergangs eintreten. In dieser Phase wird sich die syrische Zukunft entscheiden. Die Frage, wie wir zu einer Demokratie kommen und zur Einhaltung der Menschenrechte.

Warum dauert der Protest in Syrien – anders als in Ägypten – so lange?

Wegen der Rolle der Armee. In Syrien sind proportional zur Bevölkerung viel mehr Leute auf der Straße als in Ägypten. Das gibt ein Gefühl dafür, wie tiefgehend die Demokratie in Syrien wird, wenn die Revolution ihr Ziel erreicht. In Ägypten spielte die Armee die zentrale Rolle, in dem sie entschied, nicht auf Demonstranten zu schießen und gleichzeitig den Präsidenten zum Rücktritt zu zwingen. Das ist leider in Syrien anders. Dort hat das Regime vom ersten Tag an die Armee geschickt, um Städte zu belagern und das Feuer auf Demonstranten zu eröffnen.

Wie geschlossen ist die Armee?

Sie ist viel komplexer als die ägyptische. Die alawitischen Spitzengeneräle werden das letzte Wort haben. Wenn Präsident Bashar al-Assad auch für sie zum Problem wird und sie den Bürgerkrieg auf den Straßen nicht wollen, ist er zum Rücktritt gezwungen. Das wird den Übergang auslösen. Aber das braucht Zeit. Die Generäle müssen erst genau herausfinden, wie viel Macht sie vor Ort haben. Denn sie sind mit der republikanischen Garde und der vierten Division unter dem Befehl von Maher al-Assad (der Bruder des Präsidenten, d. Red.) konfrontiert, der am besten trainierten und ausgerüsteten Division.

Wie lange geben Sie dem Regime noch?

Das weiß niemand genau. Aber der Monat Ramadan (der am 1. August beginnt, d. Red.) wird kritisch für das Regime. Dann ist jeder Tag ein Freitag. Es gibt zahlreiche Vorbereitungen für den Ramadan, um das Regime herauszufordern und Assad zum Rücktritt zu zwingen. Druck seitens der internationalen Gemeinschaft könnte den Prozess erleichtern und Kosten und Zeit verringern. Aber leider hilft die internationale Gemeinschaft nicht besonders viel.

Was erwarten Sie denn von der internationalen Gemeinschaft?

Wir brauchen Deutschland. Es hat den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat.Und es hat gute Beziehungen zu Russland und kann Russland an den Verhandlungstisch bringen, damit Russland der Resolution zustimmt.

Was soll in der Resolution stehen?

Die Resolution muss vor allem scharf formuliert sein. Sie muss die Gewalt verurteilen, sie muss Sanktionen gegen Assad und die anderen verhängen, die für die Schüsse auf Demonstranten verantwortlich sind, und sie muss den Fall vor den Internationalen Strafgerichtshof bringen. Das ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dafür muss Assad zur Rechenschaft gezogen werden. Aber bislang hat Deutschland – mit Großbritannien und Frankreich – lediglich zwei Resolutionsentwürfe vorgelegt, die nichts anderes tun, als das Regime zu verurteilen.

Gibt es Oppositionelle in Syrien, die eine ausländische Militärintervention fordern?

Nein. Niemand – weder in Syrien noch außerhalb – verlangt danach. Syrien ist nicht Libyen. Wir fordern größeren politischen Druck, eine Resolution des UN-Sicherheitsrats.

Sie waren am 5. Juli an der Spitze einer kleinen Delegation von Oppositionellen in Berlin im Auswärtigen Amt. Welchen Eindruck haben Sie da bekommen?

Das Treffen war gut. Deutschland stimmt mit uns überein. Aber für uns ist es nötig, dass der deutsche Außenminister im UN-Sicherheitsrat klipp und klar sagt, dass Assad seine Legitimität verloren hat und zurücktreten muss. Und dass er zusammen mit anderen Nationen im Sicherheitsrat Sanktionen und die Weitergabe des Falls an den Internationales Gerichtshof beschließt.

Sie haben auch Gespräche im US-Außenministerium und im Weißen Haus geführt. Hören Sie da anderes als in Europa?

Die Positionen liegen nah beieinander. Es gibt Sanktionen der EU und dieselben Sanktionen der USA. Aber es ist nötig, dass Europa aktiver wird.

30.7. AFP:

Zehntausende Israelis haben am Samstagabend in zehn Städten des Landes gegen steigende Lebenshaltungskosten und soziale Ungleichheit protestiert. Allein in Tel Aviv versammelten sich nach Angaben eines AFP-Korrespondenten rund 20.000 Menschen zu einem Marsch ins Stadtzentrum. Unter dem Slogan „Das Volk will Gerechtigkeit, keine Barmherzigkeit“ gehen seit einem Monat zehntausende Israelis auf die Straßen, um gegen die Sozialpolitik der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu protestieren. Neben den steigenden Mieten richtet sich ihr Protest auch gegen die Verschlechterung der Gesundheitsversorgung und des Bildungssystems.  Vor allem die Wohnkosten, die sich seit zwei Jahren auf einem Höhenflug befinden, hatten die Proteste ausgelöst. Besonders in Tel Aviv sind die Mieten derart angestiegen, dass sich junge Paare kaum eine eigene Wohnung leisten können.

31.7. dpa:

Bei den größten Kundgebungen in Israel seit Jahren haben nach Polizeiangaben mindestens 100 000 Menschen gegen hohe Mieten und soziale Ungerechtigkeiten demonstriert.

In Medienberichten war am Samstag von bis zu 150 000 Teilnehmern die Rede. Die meisten Menschen gingen in Tel Aviv auf die Straße, wo nach Polizeischätzungen 70 000 Demonstranten zum Platz vor dem Tel Aviv Museum zogen.  Viele Menschen führten auch Plakate in arabischer Sprache mit. Am Freitag hatten Medienberichten zufolge rechtsgerichtete Angreifer eine palästinensische Flagge von einem der Protestzelte in der Innenstadt gerissen und auch ein jüdisch-arabisches Zelt angegriffen. Während sich die vor zwei Wochen begonnenen Proteste zunächst vor allem gegen die extrem hohen Mieten in Israel richteten, fordern die Menschen inzwischen ganz allgemein mehr soziale Gerechtigkeit.  Der Staat solle für erschwinglichen Wohnraum sowie eine bezahlbare Gesundheitsversorgung und Ausbildung sorgen, lauteten die Hauptforderungen. Diese Leistungen waren vom konservativen Regierungschef Benjamin Netanjahu abgebaut worden, der auf die Kräfte des Marktes setzt. Demonstranten trugen einem Bericht der Zeitung „Haaretz“ zufolge Plakate mit Aufschriften wie „Die Menschen wollen soziale Gerechtigkeit“ oder „Wenn die Regierung gegen die Menschen ist, dann sind die Menschen gegen die Regierung“. In Jerusalem zogen etwa 10 000 Demonstranten zum Haus Netanjahus.

31.7. – Reuters:

Die seit Wochen andauernde Protestwelle gegen die hohen Lebenshaltungskosten in Israel hat zu ersten personellen Konsequenzen geführt. Der Generaldirektor im Finanzministerium trat am Sonntag zurück. Haim Schani begründete seinen Schritt mit Meinungsverschiedenheiten in grundlegenden Fragen und über die Art der Führung des Ministeriums. Am Vortag waren etwa 100.000 Menschen auf die Straße gegangen und hatten von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Finanzminister Juwal Steinitz einen Kurswechsel in ihrer wirtschaftsliberalen Politik gefordert.  Das Büro Netanjahus versuchte den Rücktritt Shanis herunterzuspielen. Dabei handele es sich um einen Einzelfall und nicht um einen Trend. Finanzminister Steinitz lehnte am Sonntag einen Kurswechsel ab. Einige der von den Demonstranten geforderten Reformen würden Israel in eine Krise führen, die der in den USA und im Euro-Raum vergleichbar sei. „Meine vornehmste Aufgabe besteht darin, so etwas für Israel zu verhindern.“  Die innenpolitische Krise hat den Dauerstreit der Israelis mit den Palästinenser in den Hintergrund gedrängt. Netanjahu hat bisher mit wenig Erfolg versucht, der Protestbewegung mit einem Programm zur Linderung der Wohnungsnot die Spitze zu nehmen.

Der Spiegel schreibt am 31.7.:

Das 1500-Seiten-Manifest des norwegischen Massenmörders Anders Breiviks ist vor allem eines: ausführlich. Seite um Seite skizziert der Text in allen Einzelheiten die ideologischen Grundlagen seiner Weltanschauung – eine Weltsicht, die ihn dazu gebracht hat, 77 Menschen zu töten.

Europas rechtspopulistische Parteien wollen mehr – sie haben neuerdings auch Kontakte zu konservativen Politikern in Israel geknüpft. Wichtigste Anlaufstelle bisher ist Ajub Kara, der für die Likud-Partei des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu im Parlament sitzt und als stellvertretender Minister für die Entwicklung des Negev-Gebietes und Galiläas fungiert.  Warum ausgerechnet der Brückenschlag nach Israel? „Auf der einen Seite“, sagte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache kürzlich im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE, „finden im Nahen Osten große Revolutionen statt. Wir würden uns freuen, wenn daraus überall Demokratiebewegungen entstehen. Aber ganz sicher kann man sich hier nicht sein, ob wir nicht am Ende rund um Israel, aber auch im Vorhof Europas vielleicht erleben müssen, dass dann islamische Gottesstaaten entstehen.“  Israel ist für die Rechtpopulisten also die Frontlinie im Kampf, den sie gegen die angebliche schleichende Islamisierung Europas führen.

Auf „weltereignisse.blogspot.com“ schreibt Robert C. Koehler: „Norwegen hat sich von den Jihadis nicht viel Dankbarkeit erkauft, indem es sich aus dem Irakkrieg herausgehalten hat, oder mit der Forderung von Ministerpräsident Jens Stoltenberg, Israel müsse seine Grenze zu Gaza öffnen, oder für seine Aufrufe zur Bildung einer palästinensischen Einheitsregierung zwischen der Fatah und deren terroristischem Vetter Hamas.“ So das Wall Street Journal in seinem Leitartikel in der ersten Ausgabe der Zeitung, die nach der Schießerei herauskam (von David Dayen in FireDogLake), das sofort seine antiislamische Axt schärfte und eine Hetzrede im Stil des neokonservativen Clash-of-Civilisations (Zusammenprall der Zivilisationen) von Stapel ließ. Oh die Unschuld des freiheitsliebenden Westens! Und Jennifer Rubin von der Washington Post, die uns daran erinnerte, dass die Bush-Cheney-Doktrin lebt, nützte die Gelegenheit, eine Steigerung der Verteidigungsausgaben zu fordern, damit wir weiterhin al-Qaeda bekämpfen können.

Nicht besonders überraschend schob Fox News die Schuld an den Morden in Norwegen muslimischen Terroristen in die Schuhe und stellte zur Bestätigung gleich eine falsche Geschichte dazu, mit einem Bericht, der das geplante islamische Kommunikationszentrum in der Nähe des ehemaligen World Trade Centers heftig kritisierte.

Und sogar die New York Times tat sich schwer damit, sich von der Idee zu verabschieden, dass muslimische Terroristen die norwegischen Teenager umgebracht hätten oder zumindest als geistige Geschwister und Lehrer für Übeltäter mit anderen politischen Absichten zu betrachten wären. Ihr Ansatzpunkt war, dass alles Böse sich auf der anderen Seite des Kriegs gegen den Terror zusammenrottet. Ganz egal, wer die Norweger umgebracht hat, muslimische Extremisten sind immer die Bösen. Und unsere Hände und unsere Kriege sind rein.

In der taz interviewte Ines Kappert am 30. 7. Dr. Sabine Schiffert – sie hat zur Islamdarstellung in den Medien promoviert. Sie leitet das Institut für Medienverantwortung in Erlangen. 2006 bis 2009 war sie Mitglied in der der AG Medien der Deutschen Islamkonferenz:

taz: Frau Schiffer, Sie kritisieren scharf die Islamophobie auch in den seriösen deutschen Zeitungen und Magazinen. Woran machen Sie das fest?

Sabine Schiffer: Es geht um die stereotype Verknüpfung von Islam und Gewalt, Islam und Terror, Islam und Rückschritt.

Alles Phänomene, die sich in der muslimischen Welt finden.

Natürlich. Das muss man auch kritisieren. Aber Terror und Gewalt oder auch Frauenfeindlichkeit sind keine muslimischen Phänomene, sondern ein weltweites Problem.

Das Problem ist also die Verallgemeinerung?

Genau. Es ist die automatisierte Verknüpfung von Kopftuch, Islam, Terror.

Und die hat zugenommen?

Nur der Grad an Explizitheit der Muslimenfeindlichkeit hat zugenommen.

Was halten Sie von der Diskussion um die Frage, ob auch die bürgerliche Mitte dazu beigetragen hat, ein angenehmes Klima für Rassisten wie Anders Behring Breivik zu schaffen?

Ich finde diese Diskussion sehr ermutigend. Mit Ausnahme der Welt scheint sich hier etwas zu bewegen.

Warum nennen Sie die Welt?

Das Blatt ist führend in Sachen Islamfeindlichkeit und dem damit verbundenen neokonservativen Denken. Denken Sie nur an Texte von Mathias Döpfner, Andrea Seibel oder Leon de Winter. Hinter der vordergründigen Unterscheidung: Wir kritisieren nicht den Islam, sondern nur den Islamismus findet sich stets die Botschaft vom Muslim an sich als potenzielle Gefahr für das Abendland. Der 11. September wird als Kriegserklärung an „uns“ gewertet, so dass nur mehr die Frage bleibe, ob wir den Kampf annehmen oder nicht, und wenn wir das nicht tun, ob es „uns“ dann morgen noch geben wird. Das könnte fast aus der Feder des Terroristen stammen.

Das ist jetzt aber steil. Sie sehen eine geistiges Band zwischen Edelfedern der Welt und einem Massenmörder?

Ich will das nicht gleichsetzen, nein. Aber das Manifest, das Anders Behring Breivik zugeschrieben wird, ist ja im Wesentlichen eine Copy-und-Paste-Zusammenstellung. Und es gibt einen gemeinsamen Tenor im Sinne von „Der Endkampf hat begonnen“. Im Selbstverständnis des Terroristen vollbringt er die Tat, von der andere nur träumen. Er fühlt sich durch eine muslimenfeindliche Rhetorik mit seinem Hass ins Recht gesetzt. Alles, was diese Extremisten behaupten, belegen sie mit Beispielen aus diversen Medien.

In Norwegen wird die kollektive Blindheit gegenüber Terroristen, die im Namen der eigenen Nation und des Christentums morden, jetzt stark kritisiert.

In Norwegen scheint auf der politischen Ebene tatsächlich ein Nachdenken über Rechtspopulismus einzusetzen. Bei uns werden nur die alten Schubladen rausgezogen und der Schrei nach mehr Überwachung wird lauter. Aber immerhin hat jetzt auch unser Innenminister den Rechtextremismus entdeckt.

Viele sagen, dass Anders Behring Breivik nicht als Neonazi zu bezeichnen ist, da seinem Rassismus jede judenfeindliche Ausrichtung fehlt.

Dieses Schema funktioniert so nicht mehr. Es gibt heute einen Rechtspopulismus, der sich in vermeintlicher Solidarität mit Israel gegen die Muslime im Allgemeinen richtet und ansonsten alle Elemente des Rechtsradikalismus aufweist.

Was müsste passieren, damit sich die bürgerliche Mitte von islamfeindlichem Gedankengut distanzieren kann – ohne ihre Kritikfähigkeit einzubüßen?

Auf keinen Fall kommt man dem breit angelegten Ressentiment gegen Muslime bei, indem man jetzt lauter schöne Geschichten aus der islamischen Welt erzählt, alles schönredet. Wichtig ist, dass wir merken, wenn berechtigte Kritik instrumentalisiert wird, um eine Bevölkerungsgruppe zu diffamieren. Das ist nämlich genau der Punkt, der Kritik von Rassismus unterscheidet.

Was heißt das konkret?

Wir sollten aus der Antisemitismusforschung lernen. Ein grundlegendes Element von Rassismus ist die feste Zuweisung von Charaktereigenschaften an eine bestimmte Bevölkerungsgruppe. Der Jude ist …, der Muslim ist …

Auffälligerweise hat in der Berichterstattung über den „arabischen Frühling“ die Kategorie Muslim kaum eine Rolle gespielt. Ist das ein Anfang, um aus der Stereotypisierung auszusteigen?

Stimmt. Trotzdem sehe ich hier eine Gefahr. Denn man neigt bei uns dazu, Islamwissenschaftler einzuladen, wenn es um die Revolutionen in Tunesien oder in Ägypten geht. Ich würde Wirtschaftswissenschaftler einladen. Denn die Ökonomie wird darüber entscheiden, ob die Demokratisierung weitergeht oder nicht. Zum Beispiel ist es wichtiges Thema, dass Ägypten jüngst einen IWF-Kredit abgelehnt hat. Aber niemand spricht darüber, weil wir so daran gewöhnt sind, die arabische Welt in religiösen Rahmungen wahrzunehmen. Und diese „Frames“ stehen schon bereit, wenn die Revolutionen den Bach runtergehen.

Sie sehen schwarz?

Ja, aus wirtschaftlichen Gründen wird es schiefgehen. Die Situation in Tunesien etwa ist schon ganz schlimm, aber das ist vollkommen aus unserem Fokus gerutscht. Dabei wäre eine Berichterstattung etwa über Einfuhrbeschränkungen der Europäischen Union dringend erforderlich. Unter anderem die führen nämlich dazu, dass die Menschen in Tunesien keinen Job finden.

Warum sehen Sie nur die negativen Entwicklungen? Wir diskutieren doch jetzt über Muslimenfeindlichkeit. Warum ist das keine Chance?

Wegen der weltweiten Wirtschaftskrise. In Zeiten ökonomischer Instabilität können Ressentiments richtig in die Höhe schießen. Und wir sind erst am Anfang einer selbstkritischen Reflexion. Das ist noch nicht nachhaltig. Von dem entscheidenden Schritt, dass wir uns nicht in Muslime und Nichtmuslime spalten lassen, sondern gemeinsam gegen eine unmenschliche Wirtschaftspolitik vorgehen, sind wir noch weit entfernt.

Ebenfalls in der taz vom 30.7. berichtete Juliane Schumacher aus Kairo:

Ein „Freitag der Einheit“ sollte es werden auf dem Tahrirplatz – der Einheit zwischen den Jugendbewegungen, den liberalen Parteien und den radikalislamischen Gruppen. Doch davon ist schon am Vormittag nichts mehr zu sehen: Nicht nur der Tahrirplatz ist voll von Männern mit dem Bart der Salafiten und Muslimbrüder, in sämtlichen Straßen der Innenstadt versammeln sich die Gläubigen, beten, diskutieren, rufen Slogans: „Für einen islamischen Staat! Bei unserem Leben und Blut, wir schützen den Islam und den Koran!“  Frauen sind nirgends zu sehen, und die jungen Aktivisten, bartlos, stehen am Rand des Platzes und wagen es nicht, sich zu ihrem Camp durchzudrängeln, das seit der letzten Protestwelle vor drei Wochen auf dem Tahrirplatz steht. „Es ist unglaublich!“ schimpft Aktivistin Gigi Ibrahim: „Ich protestiere hier seit Wochen. Wenn ich nun versuche zu meinem Zelt zu kommen, machen mich die Leute an: Was willst du hier? Die rufen nach der Einführung der Scharia!“  Die jungen AktivistInnen, liberale Parteien und radikalislamische Gruppen wie die Muslimbrüder hatten während der Revolution im Januar und Februar Seite an Seite gegen das Regime von Husni Mubarak gekämpft. Im Mai war das Zweckbündnis jedoch zerbrochen: Während säkulare Teile der Bewegung für eine Verschiebung der Wahlen und eine vorherige Ausarbeitung einer neuen Verfassung kämpfen, haben sich die radikalislamischen Gruppen gut im neuen System eingerichtet, Parteien gegründet und gute Chancen, bei den Wahlen einen Großteil der Sitze zu erringen.

Als Ende Juni in Ägypten neue Proteste begannen und der Tahrirplatz erneut besetzt wurde, hielten die radikalislamischen Gruppen sich fern. Nun, mitten in den Vorbereitungen für den Fastenmonat Ramadan, sind sie zurück auf dem Platz. Vor Sonnenaufgang rollen Busse an, um Gläubige auf den Tahrirplatz zu bringen, die Muslimbrüder, die Partei der Salafiten und al-Gamaa al-Islamija haben das organisiert. „Es ist schön hier zu sein“, sagt ein junger Mann aus Oberägypten. „Gott hat uns beschützt, Gott schenkt mir, dass ich das erleben darf!“  Hunderttausende drängen sich am Nachmittag auf dem Platz und in den umliegenden Straßen. Am frühen Morgen hat es noch Streit um ein Transparent gegeben, das einen islamistischen Staat forderte – säkulare AktivistInnen hängten es ab. Um die Mittagszeit hat der Widerstand gegen solche Forderungen keine Chance mehr: Über den ganzen Platz fordern Plakate und Sprechchöre die Einführung des islamischen Rechts, der Scharia, die Säuberung der „atheistischen“ Presse und die Errichtung eines islamischen Staats. Stellenweise werden Rufe zur Unterstützung des Militärrats Scaf laut – in Opposition zu den Jugendbewegungen, die sich offen gegen die Militärherrschaft wenden und seit 22 Tagen den Tahrirplatz besetzt halten.  Die Besetzung war in den letzten Tagen zunehmend unter Druck geraten: Am Samstag hatten Militär und Polizei eine Demonstration gegen den Scaf eingekesselt, Schlägertruppen verletzten hunderte Menschen. Seither herrscht im Camp die Angst vor einer Räumung. Die könnte nun von anderer Seite kommen: Am Freitagnachmittag wuchs im Camp die Furcht vor einem Angriff der radikalislamischen Gruppen. Diese hatten die Mobilisierung gegen das Militär und die Besetzung kritisiert. Zudem hatte die Presse zum Thema gemacht, dass auf dem Tahrirplatz Männer und Frauen gemeinsam übernachteten. Von der Hoffnung auf Einheit ist am Samstagnachmittag auf dem Tahrirplatz nichts mehr zu spüren.

Dpa meldete aus Ägypten am 31.7.:

Ägyptens Islamisten spielten beim Sturz von Präsident Mubarak keine auffallende Rolle. Doch jetzt machen sie mobil mit Demonstrationen und auch mit Gewalt, ausgerechnet an der Grenze zu Israel. Die säkulare Opposition setzt dagegen ihre Proteste zum Ramadan aus.

Kairo (dpa) – Ägyptische Islamisten haben vor Beginn des Fastenmonats Ramadan bei einer Massenkundgebung sowie einem brutalen Angriff auf eine Polizeiwache die Errichtung eines Gottesstaates gefordert. In der Stadt Al-Arisch auf der an Israel angrenzenden Sinai-Halbinsel stürmten Islamisten eine Polizeiwache. Bei Kämpfen mit Polizisten wurden 5 Menschen getötet und 19 weitere verletzt. Das bestätigten Sicherheitskreise am Samstag in Al-Arisch. In Kairo hatten hunderttausende Islamisten für ein religiös ausgerichtetes Ägypten demonstriert. Die linken, liberalen und nationalistischen Gruppierungen, die seit mehr als drei Wochen den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo besetzen, wollen ihre Blockade für die Dauer des Fastenmonats Ramadan aussetzen.

Der Überfall auf der Sinai-Halbinsel ereignete sich am Freitag. 15 Personen, unter ihnen 8 Palästinenser, wurden festgenommen. Die rund 150 Islamisten in Al-Arisch waren zumeist schwarz gekleidet und trugen schwarze Fahnen mit der Aufschrift „Es gibt keinen Gott außer Gott“. Sie riefen Parolen, wonach sie aus dem Sinai ein „islamisches Emirat“ machen wollten. Bei dem Sturm zerstörten sie eine Büste des ägyptischen Präsidenten Anwar el Sadat, der 1981 von islamistischen Extremisten ermordet worden war.

In Kairo hatten am Freitag mehrere Hunderttausend Islamisten für einen Gottesstaat demonstriert. Es war die bisher massivste Demonstration der Stärke dieses Lagers seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak am 11. Februar. Die Teilnehmer riefen Parolen wie „Unsere Verfassung ist der Koran“. Die Kundgebung im Stadtzentrum war ohne Zwischenfälle verlaufen.

Mehr als 20 linke, liberale und nationalistische Gruppierungen, die über drei Wochen den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo besetzt hielten, wollen ihre Blockade für die Dauer des Fastenmonats Ramadan aussetzen. Die Bewegung 6. April, die Teil dieser säkularen Opposition ist, erklärte am Sonntag, ein Teil ihrer Forderungen, wie etwa zügige und öffentliche Prozesse gegen die Verantwortlichen des Mubarak-Regimes, sei inzwischen erfüllt worden. Andere, kleinere Gruppen wollen aber weiter auf dem Platz bleiben. Der Ramadan beginnt in Ägypten an diesem Montag.

Die jüngste Dauerbesetzung hatte am 8. Juli begonnen, weil die Demokratiebewegung mehr Druck auf die Reform von Justiz und Polizei machen wollte. Inzwischen bestätigte sich, dass am kommenden Mittwoch in Kairo der Prozess gegen den Ex-Präsidenten Husni Mubarak, seine beiden Söhne und Ex-Innenminister Habib al-Adli beginnen wird. Ihnen werden tödliche Gewalt gegen Demonstranten und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Der Tahrir-Platz war das Epizentrum der landesweiten Proteste, die am 11. Februar den Sturz Mubaraks herbeigeführt hatten.

(Deswegen warb das Tourismusministerium auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin 2011 mit dem Slogan „Visit Tahrir – The Place that Rocks the World!“)

Die FAZ meldete am 31.Juli aus Syrien:

Bei dem Angriff der syrischen Armee auf die Protesthochburg Hama im Zentrum des Landes sind am Sonntag nach Angaben von Aktivisten 95 Menschen getötet worden. Das gab laut Nachrichtenagentur AFP der Präsident der nationalen Organisation für Menschenrechte, Ammar Kurabi, bekannt. Nach seinen Angaben wurden bei den Angriffen der syrischen Streitkräfte gegen die Protestbewegung in mehreren Städten des Landes am Sonntag insgesamt mehr als 120 Menschen getötet.  Syrische Panzereinheiten hatten am Sonntag im Morgengrauen die Protesthochburg Hama gestürmt. Zuvor hatten Spezialisten die Strom- und Wasserversorgung gekappt. Panzer sollen in Wohngebiete gefeuert, Scharfschützen auf Hausdächern Stellung bezogen haben. „Es regnete Granaten über die Stadt, die Soldaten schossen auf alles, was sich bewegte“, beschrieb einer der Aktivisten die Lage gegenüber der dpa. „Die Opferzahl steigt von Minute zu Minute.“ Die Truppen würden inzwischen das Krankenhaus umstellen und die Menschen daran hindern, ihre Verwundeten dorthin zu bringen.

In der Süddeutschen Zeitung schreibt Stefan Kornelius am 31.7. über die Situation in Syrien:

In ihrer wachsenden Ungeduld verfahren die westlichen Kriegsmächte mit dem libyschen Diktator wie mit einer Zwiebel: Lage um Lage wird die schützende Haut um Muammar al-Gaddafi freigelegt, in der Hoffnung, am Ende zum Kern des Problems zu gelangen. Und weil die Augen schon gewaltig tränen nach der langen Schäl-Aktion, gerät die Arbeit an der Zwiebel immer hektischer….Die Rebellen werden anerkannt, Gaddafi wird delegitimiert, in der Hoffnung, dass damit der innere Halt für den Diktator in Libyen mehr und mehr zerfällt. Vorgestern noch wurde dem „Bruder Führer“ in Aussicht gestellt, er dürfe auch in Libyen bleiben, solange er endlich die Finger von der Macht lasse. All dem haftet ein Hauch von Verzweiflung an. Die Übergabe einer Botschaft an die Rebellen ist ein ungewöhnlicher Akt, der völkerrechtliche Fragen aufwirft und die Unantastbarkeit dieser Gebäude beschädigt. Das können die Briten auch im eigenen Interesse nicht wollen. Und wer Gaddafi Exil im eigenen Land in Aussicht stellt, verhöhnt den Internationalen Gerichtshof, der diesen Mann doch per Haftbefehl sucht.  Wenige Stunden vor Beginn des Ramadan wird die Zwiebel immer hektischer bearbeitet. Nur der Kern lässt sich nicht finden.

Aus dem Jemen meldet der österreichische Kurier am 31.7.:

Bei Kämpfen zwischen der jemenitischen Armee, mutmaßlichen Mitgliedern des Terrornetzwerks al-Kaida und Stammesangehörigen sind im Süden des Landes mindestens 42 Menschen ums Leben gekommen. Dutzende weitere seien verletzt worden, hieß es am Samstag von der Armee und von lokalen Quellen. Einflussreiche Stammesführer schlossen sich unterdessen zu einer Koalition gegen Präsident Ali Abdullah Saleh zusammen.  In Dofas bei Sinjibar in der Provinz Abjan hätten al-Kaida-Kämpfer am Freitag mit automatischen Waffen eine Armeeeinheit angegriffen, sagte ein Militärvertreter. Dabei seien zwei Offiziere und vier weitere Soldaten getötet worden. Neun Soldaten wurden den Angaben zufolge verletzt. Ein örtlicher Behördenvertreter sagte, zudem seien fünf al-Kaida-Kämpfer getötet und vier weitere verletzt worden…

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