vonHelmut Höge 10.08.2011

taz Blogs


Willkommen auf der Blogplattform der taz-Community!

Mehr über diesen Blog

Ostberliner Frühling. Photo: coldwarhistory.us

Prager Frühling. Photo: dradio.de

Wenn man die sozialen Netzwerke durchforstet scheint „London“ die Phantasie von links bis rechts mehr zu inspirieren als „Kairo“, „Madrid“ und „Israel“, zu schweigen von „Libyen“, „Syrien“ und „Jemen“ – es geht in jedem Fall um Aufstände, aber noch ist keine der Bastionen, gegen die sie sich richten, wirklich gefallen.

In dem rechten Antiintellektuellenblatt (ein Pleonasmus) „Die Welt“ schreibt Ulf Porschardt über die „Londoner Krawalle“: „Europa wird wieder ein brodelnder Kontinent. In Griechenland und Spanien protestieren Jugendliche, in London randalieren sie. Was läuft da schief?“ Dieser Porschardt denkt mit seinen 18 1/2 Jahren schon absolut und völlig verblödet staatsmännisch: Er fragt nicht „Warum protestieren die Jugendlichen nicht auch in Berlin,. Zürich, Hamburg oder Husum…?“ Sondern unterstellt in seiner Stasifrage, dass da irgendwas „schief“ gelaufen ist – in der Staatsführung, weswegen einige Jugendliche aus dem Ruder gelaufen sind. Aber vergessen wir diesen „Welt“-Scheiß….

„Die Zeit“ berichtet heute auf ihren Internetseiten ausführlich über die englischen „Krawalle“ – für das Hamburger Wochenendmagazin ist London quasi Stadtzentrum – und dementsprechend sind die Jugendaufstände dort schon fast im eigenen Hausflur, sie sind also sehr besorgt, dass das da ausarten könnte, während die arabischen Aufstände ihnen höchstens ein feuilletonistisches Interesse abringen können.

Auch die Süddeutsche Zeitung macht sich ans Deuten der englischen „Unruhen“: „Überwachungskameras haben viele der Randalierer in London gefilmt. Nun veröffentlicht die Polizei ihre Bilder im Internet und ruft die Bevölkerung auf, die Verdächtigen zu identifizieren. Doch es gibt ein Problem: Nicht jede Aufnahme zeigt sicher eine Straftat.

In Großbritannien eskaliert die Gewalt – Ursachen sind soziale Ausgrenzung und die Sparpolitik der Regierung. Darin scheinen sich alle einig zu sein. Außer jene, die ganz genau wissen wollen, dass ein paar verrückte Kriminelle dafür verantwortlich sind. Warum kracht es im Königreich? Der Kampf um die Deutungshoheit ist entbrannt.

Die FAZ titelt heute: „Wir haben ein Gang-Problem“. „Während in London weitgehend Ruhe herrschte, kam es in anderen Städten abermals zu schweren Ausschreitungen. Premierminister Cameron erwägt den Einsatz von Wasserwerfern – und kündigt harte Strafen an.“

AFP steuert zu „London“ noch folgende aktuelle Meldung bei:

Der Iran und Libyen haben das Vorgehen der britischen Polizei bei den Krawallen in London und anderen Städten des Landes verurteilt. „Diese grausame Behandlung von Menschen ist absolut inakzeptabel, die britischen Staatsmänner müssen die Stimme des Volkes hören und ihm Freiheiten einräumen“, erklärte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad am Mittwoch laut einem Bericht des Staatsfernsehens. „Die britischen Politiker sollten sich um ihre eigenen Leute kümmern, anstatt nach Afghanistan, den Irak und Libyen einzumarschieren, um ihr Öl zu rauben.“

Der libysche Vizeaußenminister Chaled Kaaim erklärte laut der staatlichen Nachrichtenagentur Jana, Großbritanniens Premierminister David Cameron habe „jegliche Legitimität verloren“. Er forderte den Rücktritt der gesamten britischen Regierung nach der „gewaltsamen Niederschlagung friedlicher Demonstranten durch die Polizei“. Ahmadinedschad und Kaaim forderten zudem den UN-Sicherheitsrat auf, das Vorgehen der britischen Polizei zu verurteilen.

Britische Städte wurden in der Nacht zum Mittwoch die vierte Nacht in Folge von schweren Ausschreitungen erschüttert. Großbritannien ist eines der maßgeblich am Libyen-Einsatz beteiligten Länder, die innerhalb der NATO aus der Luft die libyschen Aufständischen militärisch unterstützen. London hatte zudem das Vorgehen gegen die iranische Opposition nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl im Juni 2009 scharf kritisiert und unterstützt seit Jahren internationale Sanktionen wegen des Atomprogramms Teherans.

Der evangelische Pressedienst, der – seinem Namen verpflichtet – immer ein wenig mehr über Das Soziale  berichtet als die Kapital- und Staats-Propagandaagenturen, der epd also meldet statt weitere Plünderungen bzw. Riots ein Statement eines Sozialpsychologen über die aufständische englische Jugend:

Der hannoversche Kriminologe Christian Pfeiffer hat die Reaktionen der britischen Regierung auf die Jugendkrawalle als beschämend bezeichnet. Mit Härte werde sie die sozialen Probleme nicht in den Griff bekommen, sagte er in einem Interview der Neuen Presse (Mittwochsausgabe) in Hannover. Die Einschnitte im Sozialen wie bei Bildung, Justiz und Polizei seien in den vergangenen Jahren massiv vorangetrieben worden.

England sei schon immer ein Land der sozialen Gegensätze gewesen: „Großbritannien hat eine ausgeprägte Gewinner-Verlier-Kultur“, sagte Pfeiffer. Besonders in den Großstädten hätten sich Gangs gebildet, die nicht mehr hinreichend unter Polizeikontrolle stünden. Dazu komme, dass die Polizei durch massive Personalkürzungen sehr geschwächt sei. Nach Ankündigung der Regierung sollen weitere 15.000 Polizeistellen gestrichen werden. „Das Risiko des Erwischtwerdens ist deswegen niedriger als bei uns, die Polizei ist nicht überall Herr der Lage, sie verwaltet Einbrüche, statt sie aufzuklären.“

Während die Jugendgewalt in Deutschland sinke, steige sie in England an. Der Zorn der jungen Briten sei der Frust über ihre eigene Lebenslage. Die hohe Gewaltbereitschaft sei auch an den Hooligans zu beobachten, die die brutalsten in ganz Europa seien. In den Gewaltorgien wird Pfeiffer zufolge eine tiefgewachsene Unterschichtsstruktur deutlich.

Der Kriminologe sieht auch einen Zusammenhang mit den Jugendaufständen in den arabischen Ländern. Durch Verabredungen im Internet sei es für frustrierte Jugendliche noch nie so einfach wie heute gewesen, die Polizei an der Nase herumzuführen. Während die Proteste in Nordafrika und Spanien durch soziale Missstände politisch motiviert seien, gebe es in England um großen Teil kriminelle Strukturen: „In England wird sich übers Internet zu Plünderungen verabredet, in Nordafrika zu politischen Aufständen.“ Und in Deutschland zu Club-. Konzert-, Lesungs und Ausstellungsbesuchen.

Die revolutionären Aktivitäten der arabischen „Facebooker“ dürften am weitesten tragen – auch wenn sie in ihren Ländern zuletzt den „Muslimbrüdern“ weichen müssen. Die Neue Zürcher Zeitung berichtete am Wochenende über „ein Stück Revolution“, das die ägyptische  Theaterregisseurin Laila Soliman demnächst auch in Berlin aufführt:

„Die Revolution in Ägypten hat die 30-jährige Laila Soliman auf dem falschen Fuss erwischt. Als am 25. Januar mehrere Millionen Menschen auf dem Tahrir-Platz das Ende des Regimes forderten, war sie gerade nach Bern gekommen, um eine Tanzperformance mit der ägyptischen Choreografin Karima Mansour und der Schweizer Tänzerin Daria Gusberti zu erarbeiten. «Ich entschied mich sofort, nach Kairo zurückzureisen, und schloss mich wenige Tage später den Massen auf dem Tahrir-Platz an», sagt Laila Soliman im Gespräch am Telefon. Das schweizerisch-ägyptische Tanzprojekt wurde verschoben.“

Künstlerisch auf die Revolution zu reagieren, war damals allerdings noch kein Thema. Im März, als bei den ägyptischen Kulturschaffenden im Rausch der neuen Freiheit fieberhafter Aktivismus ausbrach, erarbeitete Soliman ihr Stück mit dem programmatischen Titel «No Time for Arts», das in Ägypten und Beirut gespielt wurde und demnächst nach Berlin kommt. Im April hörten die europäischen Medien auf, über Ägypten zu berichten, als wäre die Revolution abgeschlossen gewesen. Da reifte in Soliman und ihrem Freund Ruud Gielens, einem belgischen Schauspieler und Regisseur, die Idee, eine Produktion zu den laufenden Ereignissen zu erarbeiten.

Der Beginn der Revolution war selbst für die ägyptische Bevölkerung eine Überraschung. Nachträglich stellt sich die Frage nach Gründen und Ursachen. Auch die Frage, inwiefern die seit Jahren äusserst lebendige Kulturszene in Kairo den Weg geebnet hat zu diesem Volksaufstand. «Die Kulturszene? – Niemals!» sagt die Theaterfrau mit Nachdruck. Von den 85 Millionen Ägypterinnen und Ägyptern interessiere sich nur eine verschwindend kleine Anzahl für Kunst und Kultur…Es seien vielmehr die Anwälte, die sich für die Menschenrechte einsetzten, und die neuen privaten Fernsehsender mit Diskussionen, die das Selbstbewusstsein in der Bevölkerung gestärkt hätten.

«Ich gehöre zu einer Generation, die es satthat, über vieles nicht reden zu dürfen, die versucht, einige Tabus zu brechen», erklärt die Regisseurin, die in Kairo die Deutsche Schule besucht und an der American University of Cairo Theater und Arabische Literatur studiert hat. Natürlich hoffe sie, etwas zu verändern. «Deshalb arbeite ich künstlerisch. Aber es wäre übertrieben, zu behaupten, dass wir einen wesentlichen Einfluss auf diese Bewegung hatten, die von Millionen Menschen angetrieben wurde.»

«Lessons in Revolting» ist eine Multimedia-Theaterperformance, an der unter der Leitung von Laila Soliman und Ruud Gielens zehn Künstler aus den Sparten Musik, Tanz, Videokunst, Fotografie, Theater und Film mitwirken, die zuvor alle an den Demonstrationen und politischen Aktivitäten teilgenommen haben. Das Stück soll nicht die Revolution dokumentieren, sondern selbst Teil des Widerstands sein. Wie geht das?

«Wir verstehen diese Arbeit als eine Art Theaterkolumne, in der unsere Erfahrungen, Positionen und Gefühle zu den laufenden Ereignissen künstlerisch umgesetzt werden», sagt Soliman. «Wir wollen eine andere Geschichte erzählen als die medial vermittelte, und zwar vom Standpunkt der Beteiligten aus.» Dabei würden Szenen des Stücks, die sich direkt auf die Tagesaktualität bezögen, fortwährend überprüft, wenn nötig verworfen und ersetzt. «Für uns ist es ein aufregendes Experiment, in dem wir versuchen, unsere Werkzeuge so einzusetzen, dass wir die politischen Ereignisse unterstützen.» Was sind Ziel und Methode ihrer Arbeit? «Ich möchte die Menschen anregen, sich selbst und andern Fragen zu stellen, alte Gewissheiten zu hinterfragen.» Dabei will sie ein ägyptisches Publikum ebenso ansprechen wie ein europäisches oder arabisches. Das Stück wird nicht nur der Aktualität angepasst, sondern auch dem jeweiligen Publikum. So wird in Europa nicht genau die gleiche Version zu sehen sein wie in Kairo, wo am 19. August Premiere ist.

Laila Soliman sieht in dieser Phase des Umbruchs ein grosses Potenzial für die ägyptische Gesellschaft, weiss aber noch nicht, wohin die Entwicklung treiben wird. «In meiner Arbeit bin ich Optimistin, im Denken Pessimistin. Immerhin wird jetzt vieles in Frage gestellt. Das war in den letzten 30 Jahren nicht möglich.»

Europa wird wieder ein brodelnder Kontinent. In Griechenland und Spanien protestieren Jugendliche, in London randalieren sie. Was läuft da schief?

(Auch die NZZ der Zürcher Gnomen meint, das man da schleunigst was korrigieren muß – wo etwas „schief läuft“)

AP meldet heute aus dem Jemen:

Bei Protesten gegen den Import von Khat aus dem Norden ist im Süden des Jemens ein Mensch von Sicherheitskräften getötet worden. Zwei weitere Personen seien verletzt worden, hieß es von medizinischer Seite. Zu den Zusammenstößen kam es in der Stadt Sajun, wo Tausende auf die Straße gegangen waren, um Druck auf die örtlichen Behörden auszuüben. So kümmern sich die Behörden aus Sicht der Demonstranten zu wenig um die Bereitstellung von Grundlegendem wie Treibstoff und Weizen, viel mehr sorgen sie für Khat-Importe aus dem Norden des Landes.

(Die Blätter des Khatstrauchs haben eine stimulierende Wirkung. Viele Jemeniten kauen täglich die wie ein mildes Rauschmittel wirkende Pflanze. Die Bewohner des Südjemen fühlen sich in dem 1990 vereinigten Land vom dominierenden Norden benachteiligt.)

Aus Syrien meldet dpa:

Syrische Truppen haben am Mittwoch ihre Offensive in der nordwestlichen Provinz Idlib unweit der türkischen Grenze fortgesetzt. Eine Frau sei getötet worden und 13 Menschen hätten Verletzungen erlitten, als gepanzerte Verbände in die Orte Sarmin und Taftanas einrückten, berichteten syrische Exil-Aktivisten. Nach Angaben der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana zogen die Truppen aus der Stadt Hama in der Mitte des Landes ab. Zuvor hätten sie „Sicherheit und Stabilität in der Stadt wiederhergestellt“, schrieb die Agentur am Mittwoch.

(In Hama, eine der Hochburgen der Proteste gegen das Assad-Regime, waren die Streitkräfte vor anderthalb Wochen einmarschiert. Dabei waren rund 100 Menschen getötet worden.)

Aus Libyen meldet AP:

Die Gefechte um den Ölhafen Brega haben nach Angaben der libyschen Rebellen am Dienstag zwei Menschen das Leben gekostet. 14 weitere seien verletzt worden, erklärte Rebellensprecher Mohammed al Ridschali. Die Kämpfer seien nach Brega, 200 Kilometer südwestlich der Rebellenhochburg Bengasi, vorgerückt.

In Tripolis berichtete unterdessen die Nachrichtenagentur der libyschen Regierung, Luftangriffe der NATO hätten in der Nacht in Slitan 85 Menschen das Leben gekostet. Ein NATO-Sprecher sagte, die Allianz habe zwei landwirtschaftlich genutzte Gebäude in der Region getroffen. Sie seien ein legitimes militärisches Ziel gewesen.

Aus dem Irak meldete dpa:

Unbekannte Bewaffnete haben am Sonntag zwei Wohnhäuser in Iskanderija bei Bagdad in die Luft gesprengt. Sechs Menschen starben und elf weitere wurden verletzt. Das teilte die örtliche Polizei mit. Über die Hintergründe der Tat wurde zunächst nichts bekannt.

Im südlichen Hinterland Bagdads leben sowohl Schiiten als auch Sunniten. Vor allem während der bürgerkriegsartigen Zustände zwischen 2006 und 2008 war es Schauplatz blutiger Auseinandersetzungen. Iskanderija liegt 40 Kilometer südlich von Bagdad.

Aus Pakistan meldet AP heute:

Bei einem US-Drohnenangriff im Nordwesten Pakistans sind nach Geheimdienstangaben am Mittwoch 20 mutmaßliche Islamisten getötet worden. Bei 14 der Toten handele es sich um Mitglieder des Hakkani-Netzwerks, eine mit den Taliban in Verbindung stehende Gruppierung, hieß es weiter. Sechs weitere der Getöteten seien pakistanische Islamisten gewesen, die das Netzwerk unterstützt hätten, sagten Vertreter des pakistanischen Geheimdienstes.

Demnach ereignete sich der Angriff in der Nähe von Miran Shah, einer Stadt in der Stammesregion Nord-Waziristan an der Grenze zu Afghanistan. Es ist nicht möglich, die Angaben des Geheimdienstes von unabhängiger Seite zu bestätigen, da es in der Region zu gefährlich für eine unabhängige Berichterstattung ist. Lokale Gruppen und Menschenrechtsaktivisten weisen darauf hin, dass bei Drohnenangriffen immer wieder auch Zivilisten getötet werden. Die USA lehnen es ab, das verdeckte Drohnenprogramm des Auslandsgeheimdienstes CIA in Pakistan öffentlich zu bestätigen.

Die USA sehen den Nordwesten Pakistans als das Hauptrückzugsgebiet der Taliban, des Terrornetzwerks El Kaida und verbündeter Gruppen an. Seit der Tötung von El-Kaida-Chef Osama bin Laden durch ein US-Kommando Anfang Mai flogen die USA laut Berichten mehr als 21 Drohnenangriffe in Paskistan. Die Angriffe stoßen in der Bevölkerung auf heftige Kritik, weil dabei auch immer wieder Zivilisten getötet werden. Auch die pakistanische Regierung kritisiert die Angriffe der unbemannten US-Kampfflugzeuge, duldet sie aber.

Aus Israel meldet AFP:

Die israelische Protestbewegung hat für Samstag zu neuen Massenprotesten gegen die hohen Lebenshaltungskosten aufgerufen. Anders als am vergangenen Wochenende ist aber keine Demonstration in Tel Aviv geplant, wie Mitorganisator Staw Schafir am Mittwoch sagte. Für die Protestbewegung sei es wichtig, zu zeigen, dass sie nicht nur auf Tel Aviv beschränkt sei. In Tel Aviv waren am vergangenen Samstag laut Polizei mehr als 200.000 Menschen auf die Straße gegangen. Aber auch in anderen Städten gab es große Proteste.

Der Chef des israelischen Studentenverbandes, Izik Schmuli, kündigte für diesen Samstag unter anderem Kundgebungen in Afula im Norden des Landes und in Beerschewa im Süden. Einer am Dienstag veröffentlichten Umfrage zufolge wird die Protestbewegung von 88 Prozent der Bevölkerung unterstützt. Jeder Zweite hält demnach eine Beteiligung an den Protesten für möglich. Die größten Sozialproteste in der Geschichte Israels richten sich gegen Wohnungsnot, steigende Lebenshaltungskosten sowie die Gesundheits- und Bildungspolitik der Regierung.

Im „Realiran.net“ schreibt Amir Mostafavi:

I always admire Iranian women because they deserve it. Our women are obliged to bear numerous restrictions artificially imposed by our government, but they have not lost their face, respect and dignity. Unfortunately, as a result of the policy of our authorities, our women spoil their health for the sake of their future children.

Dear readers, I want to tell you the story of my former neighbor-Zohra. She was always joyous and cheerful, shestudied at the medical university and graduated from it successfully. We often met at the street in our quiet  lane and I always asked how the things were going on, because I knew that Zohra’s life was not easy-her father died in the second half of the 1980s in the Iraqi war and her mother worked alone to raise her family. Zohra had two younger siblings. But recently I passed via Zohra and stopped only when she called me by name. I could not recognize her-she was so pale, despite the July Tehran sun, and so thin.

‚What happened, Zohra? Why are you so thin?‘. I asked. ‚Don’t even ask! It is all because of surgery! Haven’t you heard that I have recently sold my kidney? And now I am sick!’… What could I tell her? She is so young and already half-disabled. And it is not the sole case, since unofficial price on kidney here is about $10,000.

For this reason, many unemployed Iranians prefer this way to settle their financial problems quickly and also to pay for wedding parties and other family festivities… It is inexplicable and unclear to me, since even by medical indicators, having just one kidney may cause numerous implications, but poverty is a way not only to this…

As a whole, the situation in the kidney trade in our country is too dark and tough. On one hand, we can be proud that it was decided already back in 1985 to carry out kidney transplants in the country.

And in 1988 a state program on compensated organ transplantation from non-relative donors was adopted. As a result, 19,609 kidney transplants were carried out in over 20 years (3,421 – from donor families, 15,365 from non-relative donors and 823 from dead donors). On average, 28 kidney transplant operations per 1 million population are carried out in our country.

All the more, outwardly it looks decent and godly – the government and state controlled group of donors pay the treated donor $4,500 dollars and grant him one year of free health insurance. But no one asks a simple question – why does the percentage of kidneys sales grow?

Why Iran is one of the leading countries in kidney trade? Why every year thousands of people come into the country for a transplant? Is it because a lot of our fellow citizens in search of money come to the black market, where prices for body are several times higher, and sell their kidney and thus their health?

They can object my views claiming that this is legal. I agree with this. But legalization has brought more harm than good. After all, previously a person, having no money, thought how to earn through his own labor, took extra work, did not sleep at night and made money. What now? Now people choose the easy way – to sell kidneys. I’m afraid that soon a new proverb will enrich our language – „Want to get married? Sell ​​a kidney!“ But no one thinks what will happen a year after the sale of kidneys, when the money runs and insurance out.

In this sense, I felt bad at Zohra’s story and her bitter fate.  But few people seem to care about the scale of this problem. I talk to many people and they often say that there is nothing to worry about – most of these donors receive compensation from the recipient or, if the recipient is poor, from charity organizations.

The state also provides all patients with immunosuppressive drugs at a reduced price. And yet … Pale Zohra stands in front of my eyes. I have consulted with my friend who is a doctor and learned from him that drugs such as tacrolimus, sirolimus, and OKT3 are not subsidized by the state, and their cost is not covered by insurance. Besides, they are very expensive and therefore rarely used.

Thus, opportunities for individualization of immunosuppressive therapy in our country are very limited. If we put it in simple language, it means that in case of serious complications it would be very difficult to help the person who sold his kidney…

There is one negative point – a growing number of women who sell a kidney. Half of the transplanted kidneys function only for 10 years. The problem is that many women are forced by relatives to donate their kidney. And the size of state compensation provided to the donor is about $1,200, which is not enough to make people’s lives without kidneys normal, because most donors (84%) are from poor families…

I think this is wrong. Indeed, medical insurance is the only social benefit for a donor currently. And a person, who sells his organ to a stranger, saves or improves the life of another member of society. And society must realize its obligations to the donor and provide him with full compensation, not only financial but also social (benefits, etc.).

This is the minimum. And the maximum is that our government should improve living standards of Iranians so that they will not have to sell their kidneys for money… After all, Zohra, who has not become a mother yet, has kidneys no longer. How she will be a mom to her children – healthy or sick? Are not the authorities ashamed for Zohra and for those like her who sacrifice their health because of poverty?

Die Tagesschau meldet aus Tunesien:

Nach der Revolution: Discount-Urlaub in Tunesien. Für den tunesischen Tourismus ist es eine schwarze Saison: Die Einnahmen sind seit Jahresbeginn um rund die Hälfte eingebrochen. Aus Angst vor Ausschreitungen meiden viele Touristen das Land. Doch manche Deutschen kommen gerade jetzt ins postrevolutionäre Tunesien: Denn es ist billig wie nie.

Auf „1001geschichte.de“ berichtet Anke aus Tunesien, wo der Araber nicht nur den „westdemokratischen Aufbruch“ islamistisch in den Sand setzt, wie Islamexperten unken, sondern auch noch die mit ihm sympathisierenden Westfrauen abzockt:

Ali, der Betrüger und Heiratsschwindler auf Djerba.  Meine Geschichte beginnt im Jahr 2004. Ich bin schon immer gerne nach Tunesien gefahren, sowohl aufs Festland als auch nach Djerba und habe meinen Urlaub im Club Aldiana verbracht, unter anderem wegen der deutschsprachigen Gäste und dem höflichen Umgang des Personals. Ich hatte schon oft von Bekannten und Berichten mitbekommen wie man in “billigeren“ Hotels von dem Personal belästigt wurde. Ende 2004 habe ich im XXX-Hotel in Djerba einen Mitarbeiter kennengelernt der mir völlig “den Kopf verdreht“ hatte. Sein Name ist Ali. Wir hatten uns tagelang unterhalten, wobei ich ihm klar gemacht habe, dass eine
Beziehung mit einem Araber für mich nicht in Frage kommt da ich bereits schlechte Erfahrungen gemacht hatte. Er entschuldigte sich immer bei mir für seine Landsleute und versicherte mir immer, dass er ganz anders sei. Mit der Zeit fasste ich Vertrauen zu ihm. Insbesondere auch deshalb, weil ich dachte, dass ein Mitarbeiter in einer Führungsposition (Assistant F & B Manager eines bekannten deutschen Clubs) sich den
Gästen gegenüber tadellos zu verhalten hat und sich nichts Abgezocktes erlauben könnte. Wie sehr habe ich mich darin getäuscht!
Er hat mich so beeindruckt, weil er ein moderner, aufgeschlossener, sogar fast europäischer (er kannte Deutschland, wollte jedoch nicht dorthin) Tunesier war. Im Alter von 32 sagte er, käme Deutschland für ihn als Urlaub in Frage, jedoch nicht zum Leben, da das Leben für ihn in Tunesien besser wäre. Er ging immer mehr auf mich ein, lass mir meine Wünsche von den Augen ab und war ein Gentleman ohne
Ende! Über seine “schlechten“ Landsleute hat er immer nur geschimpft und sagte es seien nicht alle Tunesier so und er sei ganz anders (treu, aufrichtig, absolut vertrauenerweckend, fürsorglich, einfach ein Traummann)!

Wie es so war, fanden wir dann doch zueinander. Er wollte jedem im Club erzählen, dass ich sein Schatz und seine Süße sei und zeigte sich mit mir in der Öffentlichkeit. Nach meiner Abreise rief er ständig an und schickte SMS (angeblich hatte er nur für mich einen zweiten Mobilfunkvertrag für SMS abgeschlossen)! Nach dem zweiten gemeinsam verbrachten Urlaub (knapp zwei Monate später) schwebte ich immer noch im siebten Himmel und fühlte mich von ihm geliebt wie noch nie von einem Mann zuvor! Selbst eine Freundin von mir, die ihn nach diesem Urlaub im Club besuchte, berichtete mir, dass ich ja so ein Glück mit Ali hätte! Ca. zwei Wochen nach meiner Rückkehr erhielt ich einen Anruf, wo mir erzählt wurde, dass Ali mit einer anderen Frau zusammen sei. Ich rief ihn sofort an und er machte mir glaubhaft, dass ich seine einzige Frau sei und nur mich lieben würde (Sein Spruch war immer: “Ein Mann, eine Frau, für immer, fürs Leben“ –
jetzt weiß ich allerdings, dass er nicht zählen konnte!) So habe ich dem Thema der anderen Frau keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt! (Insbesondere da er immer sagte, ich solle ihm endlich vertrauen und es ihm angeblich immer weh tat, Misstrauen von mir zu spüren!) Es lief also alles friedlich und verliebt weiter und wir haben noch einen weiteren Urlaub zusammen verbracht.
Nach meinem letzen Urlaub erhielt ich einen Anruf von der oben genannten Frau. Sie teilte mir mit, dass sie die Freundin von Ali seit Oktober 2004 sei und nun ein Leben mit ihm planen wollte (ein gemeinsames Leben hatte er auch mit mir bereits geplant und mich immer gefragt, wann ich denn zu ihm komme. Ich war ja schon seit November 2004 mit ihm zusammen!) Was sich dann alles herausstellte in dem Gespräch zwischen dieser Frau und mir würde den Rahmen dieser Geschichte sprengen aber hier ist eine Zusammenfassung der wichtigsten Tatsachen:

• Telefonate – während eine von uns da war, telefonierte er täglich mit der anderen und beteuerte ihr seine Liebe und dass er nur sie liebte. (Er hatte beide Frauen geschickter weise eine andere Mittagspause genannt, so dass er für diese Frau dann immer Telefonzeit hatte, als die andere da war!) Um weiterhin einen Schutz vor dem Auffliegen zu haben, hatte er für uns andere Namen in seinem Handy. Ich hieß wie seine
Lieblingsnichte (sehr raffinieraffiniert wenn die andere Frau ihn darauf ansprach!) und die andere Frau hatte auch einen anderen Namen.
• SMS – wir stellten fest, dass sowohl die andere Frau als auch ich zum Teil die selben SMS erhalten haben am selben Tag! Wir haben sie ja verglichen. Des weiteren erhielt ich ihre SMS an ihn weitergeleitet und umgekehrt. Und wir dachten beide, er könnte ja so tolle SMS schreiben! Das ihm dabei kein Namensausrutscher passierte ist einfach bewundernswert! Wie geschmacklos und abgezockt das doch ist!
• Logistische Planung – er hat es immer geschafft, uns nicht gleichzeitig im Club zu haben durch geschickte Gespräche am Telefon. Aufgrund der Tatsache, dass zwei Personen (wer weiß wie viele Frauen noch??) den Club besuchten, probierte er immer, die andere Frau als nur gute Bekannte darzustellen (da das Personal auf seiner Seite ist geht so etwas auch problemlos durch). Durch seine raffinierte Planung, die hier den Bericht sprengen würde, schaffte er es bis zu diesem Telefonat ohne aufzufallen durchzukommen.
• Fotos im Zimmer – die Frau die gerade da war, deren Bilder hingen immer in seinem Zimmer, so dass man dachte, man sei wirklich seine einzige! Dass die Bilder dann innerhalb von Stunden manchmal ausgetauscht wurden (An- und Abreise der zwei Frauen am gleichen Tag!) wurde uns bekannt, als diese Frau und ich telefonierten. Das gleich hat er mit Bildern im Handy und Portemonnaie gemacht!
• Vermögen checken – auf raffinierteste Art und Weise hat er bei mir gecheckt wie viel Geld ich habe. Er behauptete, andere wollten mich finanziell ausnutzen, da ich da unten als reiche Frau gelte. Ich habe ihm gesagt, ich sei ganz normal, nicht arm und nicht reich. Da antwortete er immer es sei ihm egal ob ich viel oder wenig Geld habe, er liebt mich und könnte es nicht vertragen wenn andere mich ausnutzen würden.
Sogar bei meiner Freundin, die ihn mal im Club besuchte, schnitt er das Thema meines Vermögens ganz raffiniert an.

Resultat:

Nach all den kurz aufgelisteten Punkten und noch vielem mehr ist klar, dass dieser Mann nur hinter dem Geld der Frauen her ist. Er lügt und betrügt und gaukelt jedem die große Liebe vor, um sein Ziel, an das Vermögen deutscher Frauen heranzukommen, um dadurch ein besseres Leben führen zu können, zu erreichen. Das macht er mit einer äußerst raffinierten Art und Weise. Er spielt den Bescheidenen, bis die Frau sich für ihn entschieden hat (zu ihm ziehen will) – ich war kurz davor! Wer weiß, wann ich wieder mittellos nach Deutschland zurückgekehrt wäre?

Ja, und das ist meine Geschichte für Euch über den Ali, der so anders war als alle anderen. Leider hat er aber auch bei dieser Aussage gelogen! Und sicher wird er weiter lügen und bei ständig über 600 deutschen Gästen im Club findet er bestimmt wieder “seine große Liebe, seine Süße, seine Frau fürs Leben“! Ich möchte alle Frauen vor diesem Mann warnen, weil er so raffiniert ist und man ihm wirklich alles glaubt. Ich wurde von ihm geschädigt und hoffe nur, dass dieser Bericht dazu beiträgt, dass er in Zukunft weniger Schaden anrichtet und weniger gebrochene Herzen hinterlässt.

In der „Jungen Welt“ analysiert  Adolfo Muñoz die Situation in Spanien:

Es ist ihnen aus der Hand geglitten. Die Kaste der Politiker ist Dienstleister des Kapitals, begünstigt aktiv dessen Akkumulation und zerstört gleichzeitig soziale Instrumente, die dazu geschaffen wurden, den gesellschaftlich erwirtschafteten Reichtum etwas gerechter zu verteilen. Das Arbeitsrecht, der Flächentarifvertrag, die Abschaffung der Vermögenssteuer, die Privatisierung öffentlicher Betriebe – wie weit soll das noch gehen, wie lange wird diese Ausplünderung noch politisch gedeckt?

Spaniens Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero erklärt: »Um das Vertrauen der Märkte zu gewinnen, werde ich die dafür notwendigen Reformen durchsetzen, so hart sie auch sein mögen.« Als er das im Mai 2010 sagte, stand die »Risikoprämie« bei 160 Punkten, nach Durchsetzung besagter Reformen hat sie nun einen Stand von 400. Das ist das Ergebnis, wenn man sich auf eine Erpressung einläßt. Wenn der Erpresser weiß, daß er mit seiner Vorgehensweise Erfolg hat, wendet er sie wieder und wieder an. Wir haben das Recht darauf, Verantwortlichkeiten einzufordern. Mit welchem Ziel wurden all diese Reformen durchgeführ? Sie haben die Macht des Kapitals gestärkt, sie haben die reale Wirtschaft in die Misere geführt, sie haben die Arbeitslosigkeit in astronomische Höhen getrieben.

Zapatero vertritt die Interessen von Hochfinanz und Großindustrie. Er wird kein Problem damit haben, einen lukrativen Job in einem dieser Unternehmen zu finden, wenn er nun abtritt. Genauso wie vor ihm Felipe Gonzáles, José María Aznar, Pedro Solbes und wie sie alle heißen. Es gibt nur allzuviele führende Politiker ohne wirkliche Lösungen und Zukunftsmodelle, die direkt aus staatstragenden Regierungspositionen in große Unternehmen der Privatwirtschaft wechseln. Das ist die Form der Danksagung dieser Unternehmen für die für sie geleisteten Dienste. Dies ist ein Teil der Erklärung des Ganzen: Die Politik ist bis ins Mark von Privatinteressen durchdrungen. Die Banken und Sparkassen wurden kürzlich einem Streßtest unterzogen. Die Resultate sind nicht besonders vertrauenerweckend. Diejenigen, die es wissen müssen, sagen, wenn man in die Bilanzen nicht bestehendes Immobilienkapital »zu marktüblichen Werten« hätte einfließen lassen, dann hätten viele diesen Streßtest gar nicht bestanden. Der Direktor der spanischen Nationalbank, ein Zyniker sondergleichen, fordert unterdessen weitere Einschnitte im Bereich des Sozial- und Arbeitsrechts sowie ein rasches Vorantreiben der Privatisierungen und die Einführung des »Copago«, also Zusatzzahlungen bei jedem Arztbesuch. Keiner aus der politischen Führungsriege widerspricht ihm, im Gegenteil. Alle tun, was er sagt. Die Bank ist ein Faß ohne Boden als bittere Konsequenz aus großer Verantwortungslosigkeit und Folge internationaler Spekulationsorgien. Sie hat entschieden, daß wir die Verluste mit dem Abbau erkämpfter Sozial- und Arbeitsrechte bezahlen sollen. Die Finanzinteressen stehen in einem krassen Gegensatz zum Gesellschaftsinteresse. Es passieren zur Zeit sehr schwerwiegende Dinge, für die es eine Erklärung zu suchen gilt. Laut einem Gutachten der Staatengruppe des Europarates gegen Korruption (GRECO – Groupe d’Etats contre la Corruption) erlassen in Spanien Banken den politischen Parteien teilweise die Schulden. Was ist der Grund dafür? Ganz einfach, diese politischen Parteien arbeiten für die Bank.

Zapatero hatte keine Mehrheit für die Reformen, er konnte sie nur dank der Unterstützung durch PNV (Baskische Nationalistische Partei), CiU (katalanisches Bündnis »Convergència i Unió«), UPN (Union des Navarresischen Volkes) und CC (Kanarische Koalition) im Parlament durchbekommen. Die Reform sei gegen die Kurzzeitarbeitsverträge gerichtet, sagte er. Allerdings steigt die Zahl der Kurzzeitverträge seitdem ständig an. Die Lohnkürzungen bei den Beschäftigten im öffentlichen Sektor; das Einfrieren der Renten und die Erhöhung des Renteneintrittsalters, die in Abstimmung mit den Gewerkschaften CCOO und UGT mit dem Ziel einer Ausweitung privater Rentenfonds vorgenommen wurde; die Angriffe auf die Flächentarifverträge und die damit verbundene Verschlechterung der Arbeitsbedingungen; die Privatisierung der Sparkassen und das Einkassieren ihrer Rücklagen für soziales Engagement – sie wetteifern darum, wer die unsozialste Politik durchsetzt. Die Krise ist ihnen dabei eine perfekte Rechtfertigung, Dinge durchzusetzen, die sie schon lange zu verwirlichen vorhatten. Noch vor zwei Jahren hätte sich niemand vorstellen können, daß es so schnell so weit kommen könnte. Mehr noch, niemand kann sich eine Vorstellung davon machen, was in den nächsten Monaten geschehen wird. Das einzige, was wir wirklich wissen, ist, daß es ihnen aus den Händen geglitten ist und wer wen nach seiner Pfeife tanzen läßt, nämlich das Kapital, dem immer alles zu wenig ist, die politischen Parteien, die nicht in der Lage sind, sich dem Diktat des Kapitals zu widersetzen.

Drei Jahre nach dem Beginn der Krise nutzt das Kapital weiter nach Belieben die Steuerparadiese. Mehr als je zuvor, sagen diejenigen, die es wissen müssen und nie etwas dagegen unternommen haben. Im Gegenteil, sie sagen uns, daß man das Kapital liebevoll behandeln muß und daß man die Gewerbesteuern senken muß, man muß es in Ruhe lassen – dasselbe Argument in aller Welt. In den USA gibt Obama dem Druck der »Tea Party« nach, die es geschafft hat, sowohl die Republikaner als auch die Demokraten mitzureißen. In Peru war das erste, was die multinationalen Mineralunternehmen dem neuen Präsidenten Ollanta Humala sagten, daß er es ja nicht wagen solle, die Steuern für diese Unternehmen zu erhöhen – während die unteren Volksklassen verhungern. Im Baskenland haben wir unsere eigene »Tea Party«, und die ist enorm effizient. Sie benutzt die gleiche Demagogie: »Das Kapital zu besteuern, schadet der Wirtschaft und der Beschäftigung.« Sie haben keinerlei Schamgefühl dabei. Sie wollen nicht preisgeben, wer sich daran bereichert, daß wir den geringsten Steuerdruck auf Unternehmen in der ganzen EU haben (acht Millarden Einnahmeverlust der öffentlichen Kassen im Südbaskenland) und wo die Gewinne dieser Bereicherung in die Spekulation eingebracht werden oder wohin sie verschwinden. Die baskische Tea Party weiß ganz genau, daß diejenigen, die nicht aus Arbeit resultierende hohe Einkommen haben und Steuern bezahlen, dumm sind. Die Zusammenarbeit der Finanzämter mit den Steuerhinterziehern bewirkt, daß diese völlig unbehelligt bleiben. Das Kapital muß ohne Zweifel zur Kasse gebeten, muß wesentlich höher besteuert werden.

Aber mit dem Rückenwind, den die Unternehmer genießen, fordern sie noch dreist: Geringere Löhne, mehr Arbeitsstunden, mehr Flexibilität – was sich letztendlich in weniger Arbeitsplätzen ausdrückt. Sollen diese Leute tatsächlich repräsentativ für eine reale Gesamtwirtschaft sprechen? Sie wollen, daß immer weniger Leute immer mehr arbeiten, und das auch noch in einer depressiven Konjunktur. Diese Politik bringt uns in eine perverse Spirale und führt letztendlich zum Kollaps der Wirtschaft und damit des Arbeitsmarktes.

Viele Arbeiter sehen sich mittlerweile gezwungen, zwölf bis 14 Stunden täglich zu arbeiten, um dafür vier oder fünf Euro die Stunde zu bekommen. Die Tarifverträge werden schon lange nicht mehr eingehalten oder umgangen, es handelt sich um Ausbeutung pur. Ein Sprecher des baskischen Unternehmerverbandes »Confebask« hat selbst gesagt: »Wir verfügen hier über ausgezeichnete Produktionsbedingungen. « Trotzdem reicht ihnen das noch nicht aus, sie wollen jetzt nach der Arbeitsreform und der Aushebelung der Flächentarifverträge auch noch den bestehenden Tarifverträgen an den Kragen. Günter Grass hat einmal gesagt (und darin stimmen wir überein), daß das kapitalistische Wirtschaftssystem räuberisch im Umgang mit den Rechten der Arbeiter, mit den sozialen Rechten sowie mit der Umwelt ist, und daß jetzt Fragen gestellt werden müssen, die vor kurzem noch vielen als politisch nicht korrekt und unstellbar gegolten haben. Wir von der Gewerkschaft ELA bestehen darauf, daß nicht nur andere Politikformen möglich, sondern gesellschaftlich gesehen inzwischen unumgänglich und notwendig geworden sind.

Die Gewerkschaften haben eine hohe Verantwortung, sie müssen soziale Alternativen gesellschaftsfähig machen und gleichzeitig dafür mobilisieren. Sie müssen Arbeiterinnen und Arbeiter organisieren, um für ihre Sache zu kämpfen. Es gibt auch Dinge, die sie nicht tun sollten: Sie sollten auf keinen Fall Komplizen von Regierungen sein, die Sozialabbau betreiben und mithelfen, die Wünsche des Kapitals durchzusetzen.(

Adolfo »Txiki« Muñoz ist Vorsitzender der baskischen Gewerkschaft ELA. Der Beitrag erschien zuerst in der baskischen Tageszeitung Gara.)

Die taz berichtet aus Stuttgart:

Die Polizei hat am Dienstag eine Blockade der Baustelle für das Bahnprojekt Stuttgart 21 aufgelöst. Etwa 200 bis 300 Gegner hatten nach Polizeiangaben am Morgen mehrere Fahrzeuge daran gehindert, auf die Baustelle für das sogenannte Grundwassermanagement zu fahren. 30 bis 40 Blockierer wurden von den Beamten weggeführt oder weggetragen. Sie erwartet eine Anzeige wegen Nötigung.

Die Polizei war mit mehreren hundert Kräften vor Ort. Ein Sprecher nannte die halbstündige Auflösung der Blockade letztlich eine „besonnene und gewaltfreie Aktion“.

Die Arbeiten am Grundwassermanagement waren seit mehr als anderthalb Monaten unterbrochen gewesen, nachdem es am 20. Juni bei Protesten zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen war.

Die Bahn hatte in der vergangenen Woche angekündigt, die weitgehend ruhenden Arbeiten am Grundwassermanagement wieder anlaufen zu lassen. Die Arbeiten waren unterbrochen worden, nachdem Demonstranten, die gegen das Milliardenvorhaben sind, Rohrleitungen beschädigt hatten. Die Polizei hatte deshalb angekündigt, die Baustelle schützen zu wollen.

Im Streit um Stuttgart 21 ist nach wie vor keine Annäherung in Sicht. Schlichter Heiner Geißler schlug zuletzt vor, einen kombinierten Kopf- und Tiefbahnhof zu bauen. Die Deutsche Bahn vergab allerdings bereits Bauaufträge in Millionenhöhe für die geplante unterirdische Durchgangsstation mit kilometerlangen Tunnelbauten. Die grün-rote Landesregierung von Baden-Württemberg plant für den Herbst eine Volksabstimmung.

„Israelischer Sommer“. Photo: nordbayern.de

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/kairo-virus_108/

aktuell auf taz.de

kommentare