Libysche Rebellen haben einen Sandhaufen eingenommen. Photo: theintelligence.de
Libyen lebt auf! In Benghasi wird schon gefeiert. Während die Regime in Gaza und Israel und die ägyptischen Militärs nach besten Kräften sich bemühen, den Unmut ihrer Bevölkerungen nach außen zu kanalisieren, haben die Rebellen in Libyen Gaddafis Herrschaft durch Einnahme von Tripolis faktisch beendet.
Alle möglichen Pappnasen – einschließlich der Regierungen in Polen und Deutschland – bieten den Rebellen bereits an, ihnen beim demokratischen Aufbau des Landes zu helfen. Die taz widmet dem vermeintlichen Sieg im Volksaufstand morgen vier Seiten:
1. Am frühen Montagmorgen brachten die Rebellen auch den Grünen Platz im Herzen von Tripolis unter ihre Kontrolle. Auf dem Platz hatten seit Beginn des Aufstandes im Februar regelmäßig Kundgebungen von Anhängern des Machthabers stattgefunden. Fernsehsender zeigten Hunderte von Menschen, die auf dem Platz in der Nähe des Anwesens von Gaddafi feierten und Freudenschüsse abgaben. Andere schossen auf Riesenposter mit dem Konterfei von Gaddafi. Laut Al-Dschasira kündigte die Rebellen an, den Platz wieder in „Platz der Märtyrer“ umzubenennen.
2. Ein führender Vertreter des Nationalen Übergangsrats hat zur Zurückhaltung aufgerufen. Er appelliere an das „Gewissen und Verantwortungsbewusstsein“ aller Kämpfer gegen Machthaber Gaddafi, sagte Mahmud Dschibril in einer in der Nacht zum Montag vom Fernsehsender der Rebellen, Libya el Ahrar, übertragenen Ansprache: „Rächt Euch nicht, plündert nicht, greift keine Ausländer an und achtet die Gefangenen“. Niemand dürfte Gefangene töten, auch dann nicht, wenn es sich um Vertraute Gaddafis, seine Kinder oder seine Familie handelt.
Die Übergangszeit biete eine gute Möglichkeit, „alle die Rechte vorzuleben, für die wir gekämpft haben“, sagte Dschibril weiter, der als Regierungschef der Rebellen fungiert. „Ich bitte alle meine libyschen Brüder zu beweisen, dass wir in diesem kritischen Moment verantwortungsvoll handeln. Alle Welt beobachtet uns: Entweder wir schaffen die Demokratie oder wir entscheiden uns für die Rache“. Dschibril versprach, dass alle Bürger am Aufbau des neuen Libyen beteiligt würden. Libyen müsse zum Vorbild für die arabische Welt werden.
3. Gaddafi selbst wandte sich am späten Sonntagabend zum dritten Mal an diesem Tag an seine Anhänger. In einer Audio-Botschaft beschwor er im Staatsfernsehen seine Gefolgsleute: „Ihr müsst auf die Straße gehen, um die Ratten und Verräter zu bekämpfen. Alle Stämme müssen nach Tripolis marschieren, um es zu beschützen. Wenn nicht, werdet Ihr Sklaven der Kolonialisten werden.“ Plötzlich stoppte seine Stimme. Für die Unterbrechung der Nachricht gab es keine Erklärung. Unklar war, von wo aus Gaddafi gesprochen hatte.
4. Augenzeugen berichteten, am Sonntag hätten die Rebellen in Tripolis den internationalen Verkehrsflughafen eingenommen sowie den Militärflughafen Mitiga. Gaddafi-Anhänger hätten den Stadtteil Tadschura, in dem die Rebellen bereits in der Nacht die Kontrolle übernommen hatten, mit Mörsergranaten beschossen.
Auch das große Viertel Souk al-Dschumaa werde inzwischen von den Rebellen beherrscht. Anwohner hörten in der Nacht auch Schüsse und Luftangriffe der Nato. Aus gut unterrichteten Kreisen hieß es, die Rebellen hätten das Haus von General Al-Chwaildi Al-Hmeidi, einem engen Vertrauten Gaddafis, im Stadtteil Al-Andalus umzingelt. Rebellen berichteten, sie hätten ein Gefängnis gestürmt und Tausende politische Häftlinge befreit.
Im Laufe des Sonntags bekamen die Aufständischen Verstärkung aus ihren Hochburgen Misrata und Slitan in Tripolis. Nach Augenzeugenberichten trafen Rebellen auf dem Seeweg in der libyschen Hauptstadt ein, um dort in die Kämpfe einzugreifen. Von Osten her seien Aufständische auch auf dem Landweg weiter auf Tripolis vorgerückt und ständen nur noch etwa 27 Kilometer vor den Toren der Stadt, hieß es.
5. Der arabische TV-Sender Al Arabija berichtete, die Aufständischen hätten Dutzende Soldaten Gaddafis gefangen genommen. Doch auch die Aufständischen erlitten hohe Verluste. Allein bei den Gefechten im Stadtviertel Tadschura kamen nach Angaben eines Rebellenführers laut Al-Dschasira mindestens 123 Aufständische ums Leben.
Der Vorsitzende des Übergangsrates, Mustafa Abdul Dschalil, sagte Al-Dschasira, dass alle Aktionen vorbereitet und koordiniert seien. Die Nato hatte ihre Kampfeinsätze am Samstag stark auf Libyens Hauptstadt konzentriert. Die Kampfjets der internationalen Truppen hätten allein in Tripolis 22 Ziele angegriffen, berichtete die Nato am Sonntag in Brüssel.
Ein kanadischer Nato-Sprecher erklärte, die Angriffe seien nicht mit den Rebellen abgestimmt. „Wir reduzieren die militärische Stärke der Pro-Gaddafi-Truppen“, sagte Oberst Roland Lavoie. „Die Opposition hat das zu ihrem Vorteil genutzt.“ Die Nato schwäche die Fähigkeit der Gaddafi-Truppen, Zivilisten anzugreifen.
Nach taz-Redaktionsschluß meldeten die Nachrichtenagenturen:
1. „Außenminister Guido Westerwelle hielt am Montag fast trotzig am deutschen Nein zur Beteiligung an der Aufrechterhaltung der Flugverbotszone über Libyen fest. „Diese Entscheidung war richtig. Sie ist gerechtfertigt, weil wir auf politische Lösungen gesetzt haben, insbesondere auf eine gezielte Sanktionspolitik“, erklärte er am Montag in Berlin. Es sei ja ganz offensichtlich, dass sie gewirkt habe. Der Außenminister verschwieg dabei, dass die Rebellen nur mit wirtschaftlichen Sanktionen und ohne die Luftangriffe auf die Truppen Gaddafis heute wohl kaum in Tripolis stehen würden. Dass sich der Groll der Nato-Partner über den deutschen Sonderweg in Grenzen hielt, lag auch an Zusagen, die die Bundesregierung für die Zeit nach Gaddafi gemacht hat. Nun scheint der Zahltag gekommen.
Dass Deutschland sich besonders in Libyen engagieren werde, war seit langem absehbar. Schon am Tag nach der Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat bei der Abstimmung im März über die Flugverbotszone betonte Bundeskanzlerin Angela Merkel, dass man mithelfen werde, dass die Nato erfolgreich sei. Am Montag wurde sie während einer Auslandsreise nach Kroatien deutlicher: Deutschland werde intensiv am Wiederaufbau des Landes und der Schaffung demokratischer Strukturen mitarbeiten, gab die Kanzlerin zu Protokoll.“ (Reuters)
Das war eindeutig eine Drohung an die Adresse der neuen Machthaber in Libyen! „Die Zeit“ meldete vorhin bereits: „In Libyen werden nach dem absehbaren Sturz von Machthaber Muammar al-Gadhafi möglicherweise deutsche Soldaten zum Einsatz kommen. Die Bundesregierung kündigte an, die Beteiligung der Bundeswehr an einem internationalen Einsatz „konstruktiv“ zu prüfen. Bei der laufenden Mission der Nato ist Deutschland nur mit wenigen Soldaten in der Nato-Einsatzzentrale dabei.“
2. „Sechs Monate nach Beginn des Aufstands gegen Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi sind die Rebellen bis an die Tore seiner Residenz vorgedrungen. Die Hauptstadt Tripolis sei fast vollständig erobert, der Nationale Übergangsrat habe sich auf den Weg in die Hauptstadt gemacht, sagte Übergangspräsident Mustafa Abdel Dschalil am Montag. Der Aufenthaltsort Gaddafis sei unklar, zwei seiner Söhne seien jedoch gefasst worden.
In der Nähe von Gaddafis Residenz Bab el Asisija wurde den ganzen Tag heftig gekämpft, wie ein AFP-Reporter berichtete. Ein Diplomat sagte, Gaddafi befinde sich noch immer in der weitgehend zerstörten Residenz. Dschalil sagte dagegen, der Aufenthaltsort des Machthabers sei nicht bekannt. Gaddafis Zeit sei „abgelaufen“, die Rebellen wollten ihn aber lebend fassen, damit er vor Gericht gestellt werden könne. Dschalil rief die Rebellen auf, keine Rache an den Anhängern Gaddafis zu nehmen. Sonst werde er von seinem Posten zurücktreten.
Auch im mehreren weiteren Vierteln von Tripolis und nahe des Hafens wurde Augenzeugen zufolge gekämpft. Die Rebellen waren am Samstagabend mit Unterstützung der NATO von mehreren Seiten in die Hauptstadt eingedrungen. Ohne auf großen Widerstand zu stoßen, waren sie rasch vorgerückt. In der Nacht zum Montag erreichten die Aufständischen den Grünen Platz. Tausende Einwohner feierten auf dem symbolträchtigen Ort, den sie in Platz der Märtyrer umbenannten, ihren Erfolg. Auch in der Rebellenhochburg Bengasi gab es bereits Siegesfeiern.
Mitglieder des Nationalen Übergangsrat machten sich von Bengasi auf den Weg nach Tripolis. Nach Angaben Dschalils nahmen die Rebellen Gaddafis Söhne Mohammed und Seif el Islam gefangen. Letzterer galt als möglicher Nachfolger seines Vaters. Der Internationale Strafgerichtshof sucht ihn ebenso wie seinen Vater wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Das Gericht bestätigte die Festnahme, laut einem Gerichtssprecher wurde bereits mit den Rebellen über eine Überstellung nach Den Haag verhandelt.
Die Internationale Organisation für Migration (IOM) entsandte ein Schiff, um hunderte Gastarbeiter aus Tripolis zu bringen. Mehr als 5000 Gastarbeiter aus Bangladesch, den Philippinen und Ägypten hätten um Hilfe bei der Ausreise gebeten, erklärte die IOM und rief die Kampfparteien auf, ihnen sicheren Zugang zum Hafen zu bieten. In Athen plünderten unterdessen libysche Demonstranten das Konsulat ihres Landes, wie ein AFP-Reporter berichtete. Die Botschafter in Kuweit und Syrien gaben ihren Übertritt zu den Rebellen bekannt. US-Präsident Barack Obama sprach von einem „Punkt ohne Wiederkehr“.“ (AFP)
In Libyen selbst sprach man vom „Punkt Null“, den man in der Wirtschaft – beim Besitzerwechsel bzw. bei einer Unternehmens-Privatisierung – auch als „logische Sekunde“ bezeichnet, alle Angehörige von DDR-Betrieben, die nicht abgewickelt wurden, kennen diesen Begriff.
3. „Die Erfolge der libyschen Rebellen gegen Machthaber Muammar al Gaddafi lassen den Ölpreis fallen: Die Nordseesorte Brent verbilligte sich am Montag zeitweise in die Nähe von 105 Dollar pro Barrel (159 Liter), rund 3 Dollar weniger als am Freitag. Später erholte sich der Preis auf 107 Dollar.
Die libyschen Ölexporte waren im Frühjahr wegen des Bürgerkrieges weitgehend gestoppt worden. Nach einer Machtübernahme der Rebellen und der Einstellung der Kämpfe könnten die Pumpen wieder anlaufen. Die Rebellen hatten in der Nacht zum Montag weite Teile der Hauptstadt Tripolis unter ihre Kontrolle gebracht.
Libyen war vor Beginn der Kämpfe einer der wichtigsten Erdölproduzenten der Welt und hat mit 5,7 Milliarden Tonnen die größten Reserven in Afrika. Libysches Öl gilt als sehr hochwertig, viel davon wurde nach Europa exportiert. Libyen war bisher der fünftwichtigste Lieferant von Rohöl für Deutschland. 2010 flossen 6,6 Millionen Tonnen von dort in die Bundesrepublik. Größter Lieferant war Russland mit über 35 Millionen Tonnen.
Aus Deutschland sind zwei große Energiefirmen in Libyen aktiv: Wintershall und RWE-Dea. Beide warten noch ab, ehe sie ihre Arbeiten in dem Land wieder aufnehmen: „Derzeit ist es noch zu früh zu sagen, wann, wie und unter welchen Voraussetzungen die Produktion in Libyen wieder aufgenommen werden kann. Grundsätzlich könnte die Produktionsaufnahme unter gängigen technischen Bedingungen innerhalb von einigen Wochen erfolgen“, sagte Wintershall-Sprecher Stefan Leunig.
Auch RWE-Dea-Sprecherin Daniela Puttenat sagte, es sei noch zu früh, um die Arbeiten wieder aufzunehmen. Beide Firmen hatten ihr deutsches Personal abgezogen. Die BASF-Tochter Wintershall ist seit 1958 in Libyen und produzierte dort vor den Unruhen 100.000 Barrel Öl am Tag. RWE-Dea bereitete vor den Unruhen auf zwei Feldern die Produktion vor.
Techniker des italienischen Ölkonzerns Eni arbeiten dagegen bereits an der Wiederaufnahme der Förderung, wie der italienische Außenminister mitteilte. Eni ist der größte ausländische Produzent in Libyen.
Wie schnell die Pumpen wieder anlaufen, hängt davon ab, wie sehr Anlagen bei Kämpfen beschädigt wurden und ob die Pipelines zu den Verladehäfen am Mittelmeer heil sind. Auch im besten Fall wird es nach Expertenmeinung mindestens Wochen dauern, bis das Öl wieder fließt.“ (dpa)
4. „Die Aussicht auf einen Sturz des Gaddafi-Regimes lässt europäische Firmen auf eine Rückkehr nach Libyen hoffen. Die Aktien von drei Ölkonzernen legten am Montag zeitweise zwischen drei und fünf Prozent zu. Konkret profitierten das österreichische Unternehmen OMV, die Italiener von Eni und der französische Konzern Total.
Die Firmen beziehen große Teile ihrer Produktion aus dem Land und mussten diese wegen der Unruhen vorübergehend einstellen oder zurückfahren. Bis die Ölförderung nach einem Fall von Machthaber Muammar al-Gaddafi aber tatsächlich wieder anläuft, dürften einige Monate vergehen.“ (Spiegel online)
5. „Das Regime von Libyens Machthaber Muammar al-Gaddafi steht vor dem Kollaps – und die in Deutschland lebenden Exil-Libyer genießen bereits die neuen Freiheiten. Ab sofort können sie beispielsweise wieder ohne Angst vor Überwachung mit ihren Verwandten in Libyen telefonieren. „Nun ist wieder eine uneingeschränkte Kommunikation mit den Menschen im Land möglich“, sagte der Sprecher der libyschen Gemeinde in Deutschland, Same Ghati, am Montag der „Rhein-Zeitung“ (Koblenz/Mainz).
Mit Erleichterung reagierten die Exil-Libyer vor allem auf die Festnahme der beiden Gaddafi-Söhne Saif al-Islam und Al-Saadi. „Saif al-Islam hatte zuvor mit Hilfe des Geheimdienstes alle Informationskanäle überwachen lassen“, sagte Ghati. Wer es wagte, mit Verwandten zu kommunizieren, setzte seinen Gesprächspartner der Gefahr aus, bedroht oder sogar verhaftet zu werden.“ (dpa)
6. „Es sieht so aus, als trüge die Hilfe der USA erheblich zum Erfolg der Rebellenoffensive bei. In den vergangenen Tagen hätten die Vereinigten Staaten rund um die Uhr aus der Luft die Gebiete überwacht, die noch unter Kontrolle der Streitkräfte von Machthaber Gaddafi gestanden hätten, berichtete die New York Times unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsvertreter. Predator-Drohnen hätten Einheiten Gaddafis aufgespürt, verfolgt und gelegentlich auf sie gefeuert.
Auch Tornados der britischen Luftwaffe bombardierten Gaddafi-Truppen nach Hinweisen der Rebellen, schreibt der Guardian. Zur gleichen Zeit hätten Spezialkräfte aus Großbritannien, Frankreich und anderen Ländern geholfen, die Kämpfer der Rebellen auszubilden und zu bewaffnen. Ein westlicher Diplomat sagte der New York Times, allen sei bewusst gewesen, dass das Gaddafi-Regime an einen Punkt gelangen werde, an dem es seine Streitkräfte nicht mehr befehligen und kontrollieren könne. Die Luftangriffe hätten nicht nur die militärische Infrastruktur zerstört, sondern die Kontrolle der Kommandeure über ihre Truppen stark beeinträchtigt. Selbst entschlossene Kampftruppen seien nicht mehr in der Lage gewesen, ihre Aktionen zu koordinieren.“ (sueddeutsche zeitung)
Man kann das Ereignis auch von der anderen Seite – und aus großer Entfernung – parteilich betrachten – wie der Libyenbericht in der kubanischen Parteizeitung „Granma“ von heute (übersetzt von Bernd Pickert):
„Der Sprecher der libyschen Regierung, Mussa Ibrahim, erklärte heute angesichts der Zunahme der Bombardierungen durch die Nato, dass die kolonialistischen Mächte vorhaben, sein Land in ein zweites Somalia zu verwandeln. Eine Nation ohne Regierung, mit einer Hungerkrise, das sei es, was die westlichen Mächte mit ihren fortdauernden Angriffen beabsichtigten, während die Regierung einen Plan des Friedens verfolge, sagte Ibrahim laut Telesur.
Die libysche Hauptstadt erlitt heute eine neue Welle von Luftangriffen der imperialistischen Allianz, die eine schwangere Frau, ein Kind und einen indischen Migranten das Leben kosteten. Außerdem wurden drei Kinder verletzt.
Dichte Rauchschwaden stiegen aus der Zone um Bab Aziziya auf, wo sich die Residenz des libyschen Führers Muammar al Gaddafi befindet, berichtet Prensa Latina. Außerdem bombardierte die Nato Gargour und zerstörte dabei eine Schule und ein Medikamentenlager, berichtet AVN. Die libyschen Behörden befürchten eine Zunahme der militärischen Aggressionen gegen die Nation im Vorfeld des 42. Jahrestages der von Gaddafi angeführten Grünen Revolution am 1. September.“
Als nächstes wird jetzt der Massenmörder Assad fallen – dpa meldet aus Syrien:
„In Libyen ist das Regime am Ende. Dagegen hält Syriens Präsident Assad unbeirrt an seinem Kurs fest. Und wieder gibt es Tote. Nun schaltet sich der UN-Menschenrechtsrat ein.
Trotz der jüngsten Reformversprechen von Präsident Baschar al-Assad fließt weiter Blut in Syrien. Mitglieder der regimefreundlichen Schabiha-Miliz erschossen nach Angaben syrischer Aktivisten in der Stadt Hama zwei Menschen und griffen Geschäfte von Regimegegnern an. In Genf beriet am Montag der UN-Menschenrechtsrat über einer Resolution zur Lage in Syrien. Der deutsche UN-Botschafter Reinhard Schweppe forderte ein entschlossenes Vorgehen des Menschenrechtsrates gegen das Regime in Syrien.
Die Schabiha-Mitglieder feierten angeblich die Fernsehansprache des Präsidenten, in der Assad am Sonntagabend einen Rücktritt weiter entschieden abgelehnt hatte. Die Probleme im Land müssten politisch gelöst werden, sagte der Staatschef in seinem ersten Fernsehauftritt seit Mitte Juni. Er kündigte eine Verfassungsreform und Wahlen voraussichtlich im Februar 2012 an.
Angesichts des wachsenden internationalen Drucks warnte Assad vor einer militärischer Intervention gegen sein Land. Die Konsequenzen wären untragbar, sagte er in dem Fernsehinterview. Die seit Monaten anhaltenden Proteste, die von den Sicherheitskräften blutig niedergeschlagen werden, bezeichnete er als Ausdruck eines Übergangsprozesses.“
Vom Verlag Assoziation A erreichte die taz vorhin folgende mail:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freundinnen und Freunde,
frisch aus der Druckerpresse gekommen, wird in dieser Woche eine Neuerscheinung des Verlages an den Buchhandel ausgeliefert, die eine ungewöhnliche Lebens- und Exilgeschichte reflektiert. Wir sind uns sicher, dass dieser autobiografische Bericht Ihr Interesse verdient:
Margrit Schiller:
„So siehst du gar nicht aus!“ Eine autobiografische Erzählung über Exil in Kuba und Uruguay. Mit einem Vorwort von John Holloway.
Das Buch reflektiert eine in jeder Hinsicht ungewöhnliche Exil-Geschichte: Zwei Mal wegen Mitgliedschaft in der RAF zu insgesamt mehr als sieben Jahren Gefängnis verurteilt, entscheidet sich Margrit Schiller 1985, die alte Bundesrepublik zu verlassen und nach Kuba ins Exil zu gehen, um einer erneuten Verhaftung und der drohenden Sicherheitsverwahrung zu entgehen. Acht Jahre später emigriert sie mit ihrem kubanischen Mann und den beiden in Kuba geborenen Kindern nach Uruguay, ein Land, in dem sie hofft, ihre Erfahrung als politische Gefangene mit vielen Menschen teilen zu können.
Ihr Buch ist ein sehr persönliches und schonungslos ehrliches Zeugnis, das grundlegende Exilerfahrungen thematisiert. Margrit Schiller umkreist in ihrem Buch die Bedeutung von Sprache, die Frage nach Identität, das Gewicht des nicht endenden Fremdseins. Sie schreibt über die Macht der Bilder und wie diese täuschen können. Mit wachem, kritischem Blick skizziert sie die Probleme des Alltagslebens in Havanna und Montevideo. Ihr Buch nimmt uns mit auf eine Reise, auf der es mehr als 15 Jahre lang kein Zurück zu geben schien. Mit besten Grüssen…
Heise online meldet: Anonymous legt GEMA-Seiten lahm:
Dabei handelt es sich um eine Weiterleitung auf eine Seite, die beim anonym nutzbaren Hoster Paste HTML abgelegt ist. Die Weiterleitung könnte durch einen modifizierten DNS-Eintrag oder durch eine ausgenutzte Sicherheitslücke der GEMA-Website eingeschleust worden sein. Nachdem sich Original-GEMA-Seite und Weiterleitung am Montagmorgen immer wieder abwechselten, bereiteten die GEMA-Techniker gegen Mittag dem Spiel ein Ende und nahmen die Seite komplett vom Netz. Eine GEMA-Sprecherin konnte sich auf Anfrage von heise online noch nicht zum Vorfall äußern.
GEMA-Pressechefin Bettina Müller erklärte gegenüber heise online, es handele sich „um eine echte Attacke auf die Inhalte des Webservers.“ Zur Vorgehensweise der Hacker und zu den Folgen des Angriffs könnten noch keine Angaben gemacht werden. Techniker der Organisation arbeiteten gegenwärtig an der Wiederherstellung von Website und Online-Services.
Inzwischen hat sich auch der mutmaßliche Hacker zu Wort gemeldet. Die Website der GEMA sei erneut angegriffen worden, weil die Verwertungsgesellschaft auch nach einer Ddos-Attacke auf ihre Server im Juni an den nach Ansicht des Hackers überhöhten Forderungen für ihre Inhalte festhalten würden.
Die Anzeige ist offensichtlich eine Anspielung auf eine Fehlermeldung, die Nutzer der Videoplattform Youtube beim Aufruf vieler Musikclips angezeigt bekommen. Mit dem Konflikt zwischen Verwertungsgesellschaft und Youtube-Betreiber Google über eine angemessene Vergütung der Urheber beschäftigen sich seit Jahren die Gerichte. Die GEMA besteht auf einer festen Vergütung pro Videoaufruf, während Google die Urheber wie in anderen Ländern an den Werbeeinnahmen beteiligen will. Inzwischen drängt auch die Musikindustrie auf eine Einigung.“ (jh)
GEMA und VG Wort waren indirekt auch an dem gestern zu Ende gegangenen viertägigen Festival über Lebenskunst im Berliner Tiergarten beteiligt. Über diese Veranstaltung heißt es in der taz von morgen:
„Die sonst eher leere Kongreßhalle – das Haus der Kulturen der Welt – mit seinem Betonsee und der Henry-Moore-Plastik davor sowie dem Cafégarten am Spreeufer dahinter, war mit allerlei Geräten, An- und Einbauten und vor allem interessierten Zuschauern gerammelt voll. Es ging dort um „nachhaltige Lebenskunst“ von vorne bis hinten. Für 2,3 Millionen Euro von der Bundeskulturstiftung, zeigten Künstler aus aller Herren Länder, was in ihnen steckt – in puncto Klimaerwärmung, Biodiversität, Ökoanbau und Resterecycling.
Es ging dabei um strengsten Reduktionismus, aber anders als in den verhärmten Landkommunen früherer Jahrhunderte hedonistisch – mit Hightech und Technomusik und Teeniebubbler. „Streng“ das hieß: im Sinne des Gestalterischen. Es mußte schon gut aussehen: „Das gute Leben“ – um das es dann explizit in der Expertenkonferenz am Samstagabend ging. Diese schlugen sich erst einmal ein paar „Glücks“-Definitionen um die Ohren. Dabei führten sie bereits vor, wie man als Projektemacher, Politiker oder Professor und quasi persönlich in der Ökologiebewegung engagiert, ein gutes Leben führen und dabei auch noch glücklich sein kann. Jedenfalls taten sie so. Aber abgesehen davon wurde an keiner Stelle des seit 2010 laufenden Großprojekts „das Leben“ geklärt. „Das Leben,“ das legen die sich so aus: ‚Die Eierstöcke sind die größten Philosophen‘,“ vermutete Gottfried Benn einst.
Und abgesehen auch davon ist die sogenannte Ökologiebewegung genau genommen ein „nonmovement“, wie der in Leiden lehrende Soziologe Asef Bayat das nicht nur im Hinblick auf die sozialen Veränderungen im Mittleren Osten nennt. Die „Ökologie“ ist ein konjunkturelles und damit mediales Massenphänomen. Ihre Sprecher – wie etwa der Wissenssoziologe Bruno Latour – versichern: Es geht nicht mehr um Ökonomie, sondern nur noch um die Ökologie (wobei er jedoch den Dualismus Kultur-Natur auflösen will). Und ihre Gegner – auf der „Achse der Guten“ z.B. – verbinden ihre Ablehnung der Windkraft lückenlos mit z.B. Anti-Islamismus. Verrückt! Die Spanne reicht vom Fundamentalismus bis zum Lifestyle.
Auf der anderen Seite verriet z.B. einer der „Glücks“-Experten auf der Konferenz über das gute Leben: „Es geht uns darum, ein unmittelbareres Verhältnis zur Welt zu bekommen.“ Und dieses stehe quer zur rapide fortschreitenden „Entverwirklichung unserer Lebenswelt.“ Der Philosoph Vilem Flusser, der sich beizeiten an die Spitze dieses „Abstraktifizierungsprozesses“, dieser „Erfahrungsverarmung“ setzte, da sich kaum noch ein „echter körperlicher Austausch“ ereigne, wollte uns bereits mit diesem elenden Schicksal versöhnen, indem er gerade in der Antiökologie das Heil sah: „Das Zeitalter der wahren Kunst beginnt mit der Gentechnik, erst mit ihr sind selbstreproduktive Werke möglich,“ behauptete er kühn. Dabei würde die Kultur die Natur quasi schlucken. Das Großprojekt „Über Lebenskunst“ war selbstverständlich genkritisch eingestellt. Am Schönsten sahen in diesem Zusammenhang die von einer Künstlerin auf dem Henry-Moore-See liebevoll angelegten schwimmenden Salatbeete aus.
Auf der Konferenz am Samstag wurde die „wahre Kunst“ dann auch eher in der (Wieder-)Herstellung des (ländlichen) Gemeineigentums gesehen – genauer gesagt: der „Common“ – ein US-Modewort im Zusammenhang des Hightech-Siegeszugs: Spätestens seit die Allmendeforscherin Eleonore Ostrom dafür 2010 den Wirtschaftsnobelpreis bekam. Kurzum – und die elektronischen Konferenzschaltungen nach Brasilien und zu anderen „Schwellenländern“ bestätigten das Phänomen noch einmal: der „Globalisierungskritiker“ ist der kommende Mann bzw. die kommende Frau – und das schier global. „Wie kommen wir aber nun vom Wissen zum Handeln?“ Das war auch so eine Frage auf dem „Festival“ der Öko-Projektemacher. Aus Sao Paulo kam dazu der Hinweis auf das ökologisch vorbildliche Leben der Indigenen, verbunden mit einem Filmbeitrag über eine in „Echtzeit“ gerade in der Stadt stattfindende Indigenen-Demo gegen ein großes Staudammprojekt.
Während in Berlin zur selben Zeit die Fuck-Parade durch die Innenstadt zog – mit lautem Techno-Gedröhne. Die hinter den Boxen Hertanzenden kamen der Bundeskulturstiftungs-Antwort auf die berühmte Leninsche Frage „Was tun? Wie handeln?“ aber schon nahe: „künstlerisch und kreativ!“ Und „nachhaltig“ natürlich. Also weder wurde „das Leben“ diskutiert (die Biologen z.B. beschäftigen sich damit gar nicht mehr – nur noch mit den „Algorythmen des Lebendigen“), noch wurde der Begriff „Gesellschaft“ problematisiert: Kann man ihn einfach ungeklärt voraussetzen? Gibt es „die Gesellschaft“ überhaupt noch? Sind wir nicht nur ein Haufen Sandkörner? wie Mao tse Tung schwante – und das vor allem durch die unermüdliche Tätigkeit der Kreativen und Künstler – diesen Ausgeburten des Individualismus seit der schrecklichen Renaissance? Deren malerische Erfindung einer „Zentralperpektive“ der russische Theologe und Algenforscher Pawel Florenski bereits als eine „Maschine zur Vernichtung der Wirklichkeit“ begriff.“
Zusammengefaßt (in der JW):
Das „Festival über Lebenskunst“ – mit dem an dieser Stelle schon fast absurden Adjektiv „nachhaltig“, das man im übrigen nicht mehr hören kann, auf dieser Veranstaltung also ging es weniger um individuell glückliches oder geglücktes Leben (in einer Liebesbeziehung) – als vielmehr um „richtiges“ oder „richtigeres“ (ökologisches) Leben“, welches seine Freiheit eventuell im künstlerischen Ausdruck findet. Es war also ein sehr protestantisches Festival – und dazu noch relativ staatstragend, insofern z.B. die „Unterschicht-Revolten“ in China, Lateinamerika und in den französischen Banlieus sowie jüngst in England nicht als künstlerischer Ausdruck jugendlichen Freiheitswillens und schon gar nicht als ökologisch in betracht gezogen wurden.
Das die Jugendlichen aber in Massen während der vier Randale-Tage in England buchstäblich „auflebten“, wird wohl niemand bestreiten wollen. Das gilt auch für die jugendlichen „Facebooker“, die in Arabien den Aufstand wagten. Dass sie um des „Lebens“ willen den Tod riskierten äußerte sich z.B. auf dem Tahrirplatz dahingehend, dass die meisten Aktivisten nach den Zeltbesetzungen (die dann von der spanischen und israelischen Jugend übernommen wurden) meinten: Die wichtigste Erfahrung sei die Aufhebung der von oben durchgesetzten „Trennungen“ – in arm – reich, gläubig-ungläubig, frau-mann, jung-alt, kopf- und handarbeiter – gewesen. Das Leben ist also auch etwas Ganzheitliches.
Erwähnt seien außerdem noch mehrere Veranstaltungen zum Thema Leben: „Gaza muß leben!“ (über die Situation in Palästina), „Brennendes Leben“ (über eine deutsche Schriftstellerin), „Erfülltes Leben“ (über einen EU-Politiker), „Gesund leben“ (über Biogemüse und wie man es zubereitet), „Göttlich leben“ (über die Liebe und die Überwindung des Berührungstabus), „Universelles Leben“ (über das Erreichen einer „höhere Ethik und Moral“), „Urbanes Leben“ (über Stuttgart), „Anders leben“ (über Jugendprojekte in Mannheim), „Engagiertes Leben“/“Freunde fürs Leben“ (über eine Vereinsfeier in Halberstadt), „Glücklicher Leben ohne Islam“ (über vom Glauben abgefallene), „Leben am Abgrund“ (über Fensterputzer).