vonHelmut Höge 23.10.2011

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Photo: amnesty-stuttgart.de

Erst lobhudelten die Kapital- und Staats-Medien die sich ausbreitende „Occupy Wall Street“ (War Street) – Bewegung hoch wie blöd, nun springen auch die Rechten auf diesen Zug – der weltweiten Protestbewegung gegen die Macht des Kapitals: Vorneweg die unermüdliche Zapp-La-Rouche-Sekte, unter dem Label „Büso“, aber auch NPD, „Zeitgeist“ und ähnliche Konsorten. In der taz berichtet darüber heute Martin Kaul:

„Die Spaltungsgeschichte der Linken ist sicher kein Ruhmesblatt. Oft und gern stellten dogmatische Besserwisser Differenzen in den Bewegungen vor Verbindendes. Doch am Beispiel der Occupy-Bewegung zeigt sich in diesen Tagen: Von den oft beschimpften Spaltern lässt sich auch etwas lernen.

Am Wochenende wurde deutlich, was auf die vordemokratische Parole folgte, „99 Prozent“ der Menschen repräsentieren zu wollen: In Frankfurt mobilisierten auch Rechtspopulisten zum Protest, Mitglieder einer sektenähnlichen Organisation versuchten, die Deutungshoheit über die Bewegung zu gewinnen – und im Internet wirbt die rechtsextreme NPD mit der Parole „Okkupiert Occupy!“.

Keine Frage: Das sind Minderheiten, nicht der Kern des Protests. Doch die programmatische Beliebigkeit von Occupy sorgt dafür, dass sich viele Globalisierungskritiker den Protesten nicht anschließen. Sie fühlen: Wer zu allen Seiten offen ist, kann irgendwo nicht ganz dicht sein.

Noch heute erinnert sich das historische Gedächtnis der deutschen Linken an den Berliner Straßenbahner-Streik von 1932, bei dem KPD und NSDAP Seit an Seit marschierten. In der Bundesrepublik ist vielen Alt-68ern zu spät aufgefallen, dass die sexuelle Revolution für einige nur ein Vorhängeschild für Pädophilie war. Es ist wichtig, schon am Beginn eines Weges zu schauen, wer sich unter der eigenen Fahne tummelt.

Beruhigend ist: Am Samstag legten sich Globalisierungskritiker mit rechtspopulistischen Demonstranten an, die den Protest instrumentalisieren wollten. Und das Netzwerk Attac hat erkannt, dass es der Bewegung mit sinnvollen Forderungen und organisatorischer Kompetenz weiterhelfen kann. Vor allem aber ist eine Illusion schnellstens zu beerdigen: 99 Prozent ist eine Zahl, auf die sich sonst nur Diktatoren berufen. Zu einer gesunden Mehrheit reichen 51. Ohne Neonazis, Populisten und Verschwörer. Deshalb gilt: Spaltet Occupy jetzt!“

Mir kam die kleine „Occupy-Bewegung“ in Berlin vor dem Reichstag ein bißchen vor wie ein Kinderparlament – Sich organisieren üben, üben, üben, und das an dem touristischen Ekelplatz, der (bisher jedenfalls noch) zu den demokratieungesundesten Plätzen Berlins gehört, zusammen mit dem ganzen Ensemble Brandenburger Torheit, Pariser Platz, Akademie der schönen Künste, Adlon. Hier demonstrierten am Wochenende zur gleichen Zeit die Uiguren – für die Selbständigkeit ihres Landes „Ost-Turkestan“, also gegen die chinesische KP-Regierung, ferner die Iraner – gegen ihre Mullah-Regierung und einige andere, die ich nicht decodieren konnte, dazwischen hampelten diese ganzen us-futuristisch oder ddr-soldatisch gekleideten Arbeitslosen herum, um sich gegen einen geringen Obulus mit und von irgendwelchen bescheuerten Berlin-Touristen photographieren zu lassen, mehrere Pferde langweilten sich derweil in der Sonne, die Rikschafahrer, deren Fahrräder im Gegensatz zu den Droschken immer futuristischer aussehen, tauschten ihre bemerkenswertesten Fahrgast-Erfahrungen aus, und ein unaufhörlicher Flaneur-Strom bewegte sich durchs große „Tor“ in den Tiergarten, wo etliche dann auch an den von schwarzen Bullenketten eingerahmten „Occupy“-Protestierern auf dem Rasen vor dem Reichstag vorbeikamen, die meisten ignorierten jedoch dieses „Event“ und würdigten eher die ganzen Souvenir- und Imbißstände ringsum, wo der Toilettenbesuch – auch für die geschätzten 800 „Occupyer“ – 50 Cent kostete.

Die taz-Berlin war – am Rande – fast vollständig vertreten. Das ist mal eine Bewegung nach dem Geschmack von Realvernünftlern (99%). Jörn und Broeckers aus der taz-abtlg. „bewegung.de“ sind geradezu enthusiasmiert.Deleuze gibt zu bedenken: „Nur Minderheiten sind produktiv!“

Im Jemen gab es unter den Protestierern gegen Präsident Saleh wieder 20 Tote, zuvor hatte es eine UN-Resolution gegen sein Regime gegeben: Die 15 Mitglieder verabschiedeten die Resolution, in der sie den „sofortigen“ Beginn des politischen Übergangsprozesses forderten, einstimmig.

In der jeminitischen Hauptstadt ebenso wie in Spanien, New York und Frankfurt gehört zu der Protestbewegung das Aufstellen von Zelten, um den jeweiligen öffentlichen Ort, meistens der zentrale Tourismus-Hotspot, zu „occupyen“. Aus Jerusalem meldet dazu heute AFP:

„Fünf Tage nach der Freilassung des israelischen Soldaten Gilad Schalit aus palästinensischer Geiselhaft haben seine Unterstützer ihr Protest-Camp vor dem Amtssitz von Regierungschef Benjamin Netanjahu in Jerusalem abgebaut. Das symbolträchtige Zelt der Familie Schalit wurde am Sonntag abgeschlagen. „Das ist einer der schönsten Tage meines Lebens“, sagte Ohad Kaner, der in den vergangenen 15 Monaten vor Ort verantwortlich war für die Zelt-Kampagne zur Freilassung Schalits. Jeden Morgen aktualisierte der 32-jährige Kaner auf einem Schild die Zahl der Tage der Gefangenschaft, die über einem Bild Schalits angezeigt wurden.

Das Zelt war Hauptquartier der Unterstützer Schalits: Im Juli vergangenen Jahres hielten sich dort auch dessen Eltern Noam und Aviva Schalit auf, seither besuchten es täglich zahlreiche Menschen. Auch für Minister, ausländische Regierungsvertreter und Diplomaten führte bald kein Weg mehr an einem Solidaritäts-Besuch in dem Zelt vorbei. Freiwillige verteilten davor Aufkleber und gelbe Bänder die zum Symbol des Protests wurden. T-Shirts mit dem Konterfei des Entführten wurden für umgerechnet vier Euro verkauft.“

Infolge all dieser Aktivitäten stieg der (moralische) Wert des von Palästinenser gefangen genommenen israelischen Soldaten ins schier Unermeßliche: zuletzt war er 1027 von Israel gefangenen Palästinensern äquivalent.

„Libyen erklärt sich nach Gaddafis Tod für befreit,“ meldet eine andere Nachrichtenagentur – aus Tripolis. Wer oder was ist „Libyen“? Die berühmten „99%“ – einschließlich Bodenschätze und Industrieanlagen? Der das auf einer PK in Tripolis verkündete war der „Übergangsrat“.

Aus Beirut meldet AP:

„Der Tod des früheren libyschen Machthabers Muammar al Gaddafi strahlt auf die Proteste in Syrien und Jemen aus. Tausende Demonstranten in beiden Ländern drohten auf Kundgebungen ihren Herrschern, dass sie als Nächstes an der Reihe sein könnten. „Du bist an der Reihe, Baschar“, skandierten die Menschen am Freitag in Syrien, wo Sicherheitskräfte von Präsident Baschar Assad wieder mindestens 24 Menschen töteten.“

Aus Athen meldet die selbe Nachrichtenagentur:

Griechische Gewerkschaften haben für die kommende Woche weitere Streiks im öffentlichen Dienst angekündigt. Der Generalsekretär des Gewerkschaftsverbandes ADEDY, Ilias Iliopoulos, erklärte am Freitag, das am Donnerstag im Parlament in Athen verabschiedete Sparpaket „wird nicht umgesetzt“. Er warf den regierenden Sozialisten vor, mit der Verabschiedung weiterer Sparmaßnahmen den Widerstand der Griechen zu ignorieren. „Unsere Antwort lautet: Verschwindet so schnell ihr könnt. Ihr habt keinen Platz mehr in Griechenland“, sagte Iliopoulos.

Das würde die lokale Anti-Gentrifizierungs-Bewegung auch gerne sagen können: „Verschwindet ihr Miethaie. Ihr habt keinen Platz mehr in Berlin.“ Wobei das „Luxusauto-Abfackeln“ natürlich deren zweite Flucht aus der Frontstadt nachgerade verhindert.

Aus Chicago meldet AP:

„Die aus einer kleinen Gruppe von Demonstranten hervorgegangene Occupy-Bewegung hat am Wochenende in etlichen amerikanischen und europäischen Städten Kundgebungen mit tausenden Teilnehmern abgehalten. In Chicago wurden 130 Personen am Sonntagmorgen festgenommen, weil sie einen Park in der Innenstadt nicht räumen wollten. Auch in Cincinnati wurden elf Demonstranten in Gewahrsam genommen, weil sie die Schließung eines innerstädtischen Platzes ignorierten.

In Oakland im US-Staat Kalifornien verzichteten die Stadtväter in der Nacht zum Samstag darauf, ein gestelltes Ultimatum zur Räumung des Platzes vor dem Rathaus durchsetzen zu lassen. Auch nach Ablauf der gesetzten Frist schallte Musik über den Platz und weitere Teilnehmer gesellten sich mit Zelten zu den bereits dort campierenden hunderten Demonstranten. In Detroit zeigte ein Paar seine Solidarität mit der Bewegung, indem es sich am Samstag inmitten der Demonstrantenschar das Jawort gab.

In New York wurde am Samstag in der Nähe des Zuchotti-Parks, dem Ausgangspunkt der Proteste, ein 24-jähriger Kanadier in Polizeigewahrsam genommen, weil er eine zwölf Meter hohe Skulptur erklommen hatte. Er wolle erst wieder herunterkommen, wenn der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg zurückgetreten sei, verkündete er.

Nach stundenlangen Verhandlungen mit der Polizei stieg er wieder herab. Laut Angaben der Polizei wurde er zu einer psychologischen Begutachtung in ein Krankenhaus gebracht…“

„Occupy Frankfurt“ meldet am 8.Tag der Bewegung via Facebook:

„Danke an alle die, die unserem ja doch recht verspätet beworbenen Aufruf gefolgt sind und gestern mit uns und 4.000 anderen Menschen in Frankfurt für mehr demokratische Teilhabe und eine gerechtere Finanzpolitik auf die Straße gegangen sind!
Der gestrige Tag hat uns noch mal einen positiven Schub gegeben und wir starten heute voller Tatendrang in die zweite Camp-Woche. Es wird ein langer Kampf und wir sind nicht unfehlbar, aber wir haben Kraft und Herz.“ (Am 22. gabs dazu einen Clip auf Youtube).

Die „Junge Welt“ macht mit scheinbar etwas anderem auf: mit einem Bericht über „Die Linke“ und ihres Erfurter Parteitags auf: „Linke stellt Systemfrage“ betitelt.

„Erfurter Parteitag beschließt Programm mit »roten Haltelinien«. Ernst bekennt sich zum Erbe der Pariser Kommune, Rosa Luxemburgs und Carlo Giulianis…“

Mit diesen drei Erinnerungskomplexen hat „Die Linke“ einen eleganten Bogen geschlagen von ihrer quasi urkommunistischen Vergangenheit über die mit Rosa Luxemburg als Stiftung und Ehrenmal hinüberdräuende Gegenwart bis hin  zur roten Zukunft – mit Orientierung auf die derzeit sich  weltweiit ausbreitende Protestbewegung: Carlo Giulianis  war 2001 beim Protest gegen den G-8-Gipfel in Genua von der Polizei erschossen worden. Quasi der erste Märtyrer dieser neuen sozialen Bewegung. Die Kommunisten leben/zehren nicht zuletzt von Märtyrern, das haben sie mit der islamischen Bewegung gemein.

Ansonsten scheint in der Partei jedoch erst mal noch business as usual zu herrschen – die JW berichtet:

„Eine der zwölf Enthaltungen bei der Schlußabstimmung kam von der stellvertretenden Vorsitzenden Halina Wawzyniak, die als »Reformerin« innerhalb der Linken gilt. Wawzyniak begründete ihre Nichtzustimmung damit, daß die Formel »Freiheit durch Sozialismus« in der Präambel nicht durch »Freiheit und Sozialismus« ersetzt worden sei.“

Ich zitiere diese Passage auch deswegen, weil die Genossin Halina bzw. ihr Wahlkreisbüro oder wie man das nennt, also ihr Domizil mittenmang ihrer Wähler, am Mehring-Platz vor dem Halleschen Tor hat und ich regelmäßig daran vorbeikomme, wenn ich zu meinem anarchistisch-syndikalistischen Buchladen im Mehringhof gehe. Am Schaufenster von Halinas Büroladen klebt ganz groß ein farbiges Porträtphoto von ihr – ich glaube sie sieht ein bißchen wie eine Blondine aus, ich kann mich aber auch irren, ist aber auch sowieso unwichtig. Ich habe ihre Location hier nur erwähnt, falls mal jemand wegen ihrer Enthaltung mit ihr reden will.

Ansonsten berichteten die Kapitalmedien heute nur Böses über den Erfurter Parteitag der „Linken“: dass sie nämlich für die Freigabe auch der harten Drogen sei.

1. Ist es doch scheißegal, was eine Partei in ihrem Programm fordert; 2. Kommt sowieso nur Scheiße dabei raus, wenn von oben eine „Erleichterung“ durchgesetzt wird – wie z.B. zuletzt das Prostituiertengesetz, das bloß bewirkt hat, dass jetzt der Staat an die Stelle der Zuhälter getreten ist: Die Prostituierten werden nämlich seitdem von der Steuerfahndung gejagt, erpreßt und bedroht. Für eine der Betroffenen mußte ich gerade leicht laszive Photos am Wannsee für ihre Online-Annoncen aufnehmen – man sollte jedoch ihr Gesicht nicht da drauf erkennen. Eigentlich eine optische Quadratur des Kreises. Und das nur wegen des Finanzamts.

Ein anderes Beispiel sind die „freien Träger“ der Jugendämter, die nach Art eines Pyramidenspiels – wie es die „Beschäftigungsgesellschaften“ mit den Belegschaften abgewickelter Betriebe vorgemacht haben – immer mehr Familien die Kinder wegnehmen müssen, damit sie ständig in ihren offenen und geschlossenen „Einrichtungen“ zu betreuenden Nachschub und damit Lohn und Brot haben. Es ist die Rede von 50.000 Fällen. Gleichzeitig wird die Familie jedoch von Staats wegen zur Keimzelle der Gesellschaft hochgejubelt und ideologisch werbewirksam umgarnt – bis hin zum 19 Euro 50 Kita-Zuschlag ab dem 7. Kind. Während die bürgerlichen Feuilleton und die Inlandsredaktionen nicht müde werden, die Verrohung der Familiensitten bis hin zu Kindestötungen zu geißeln, denen die Jugendämter nicht schnell und effektiv genug beikommen.

Eigentlich trägt der Staat mit all seinen Anstrengungen nur dazu bei, dass die berühmten „99%“ noch gewitzter werden, er ist also eine ständige Quelle von bürgerlicher Kreativität. Im Falle der Internetüberwachung mittels Staats-Trojaner und -Drohnen läuft das ganze allerdings auf ein blödes Hase-Igel-Rennen hinaus.

Die JW schreibt über die neue kommunistische Drogenpolitik:

„Zahlreiche Medien hatten am Samstag einen Parteitagsbeschluß skandalisiert, in dem die Entkriminalisierung von Drogenkonsumenten und die langfristige Legalisierung aller Rauschmittel gefordert wurde. Nachdem Bundestagsfraktionschef Gregor Gysi in einer Rede erläutert hatte, daß es doch um »kontrollierte Abgabe« durch Ärzte an schwer Suchtkranke gehe, wurde dies kurzfristig abgestimmt und in den Programmentwurf eingearbeitet.“

Da sollen der Ärzteschaft und den Apothekern also bloß weitere Einnahmequellen erschlossen werden, eigentlich müßte zumindestes die Intelligenzpresse das doch begrüßen, wenigstens in ihren „Gesundheits“-Beilagen. Man soll also nichts mehr bei den Dealern in der Hasenheide – auf dem freien Markt quasi – kaufen, sondern sich als Fixer krankenversichern – und dann die Droge auf Rezept kriegen. Das klappt doch nie Gysi! Das ist ungefähr so wirklichkeitsnah gedacht wie die Initiative der PDS-Sozialtante von Marzahn/Hellersdorf, die für die Mädchen, die sich dort an der Landstraße nach Küstrin prostituieren, ein Laufhaus errichten wollte – damit die armen Dinger von der Straße runterkommen: ins Warme! Die Mädchen mußten hart kämpfen, damit sie kapierte, dass sie keinen Staatszuhälter haben wollen (100 Euro kostet ihnen da drin ein Zimmer – täglich!), dass sie lieber an der Straße stehen wollen, wo sie kommen und gehen können wie es ihnen paßt. Außerdem gibt es schon viel zu viele „Laufhäuser“ in Gesamtdeutschland.

Ich sitze hier schon wieder allein im taz-Haus: Sonntagskrimi, Tatort. Public or Private Viewing. Die ARD wirbt für ihre Krimis auf einer riesigen Plakatwand, die ein gewissenloser Unternehmer namens Wall (Street) direkt auf den Rasen vor der taz geknallt hat. Wenn man die Produktewerbung – auch auf Facebook – verbieten würde, wäre schon viel gewonnen. Mit so einem Programmpunkt würde „Die Linke“ mindestens 9,9% der stolz-stimmberechtigten Deutschen einfahren, wenn nicht sogar…

An diesem Punkt nähern wir uns dem weiten Feld der Stochastik:

„Die Stochastik (von altgriechisch στοχαστικὴ τέχνη stochastikē technē, lateinisch ars conjectandi, also ‚Kunst des Vermutens‘, ‚Ratekunst‘),“ heißt es bei Wikipedia, „ist ein Teilgebiet der Mathematik und fasst als Oberbegriff die Gebiete Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik zusammen.“

Ich habe mich bei der Pressereferentin von Hermes in Haldensleben gerade blamiert, weil sie, als sie mir die Funktionsweise des Warenlagers vom Otto-Versand erklärte und dabei von „Stochastik“ sprach, woraufhin ich sie verbesserte: „Stochistik“ – ein Wort zu dem es laut Google keinen einzigen Eintrag gibt, erst jetzt – mit der Veröffentlichung dieses blog-eintrags.

Ich wollte damit auf Folgendes hinaus: Die Produktivität von Minderheiten läßt die Stochastik/Stochistik komplett außen vor, während es jedoch das tägliche Brot der Parteien und Gewerkschaften undundund ist. Grauenhaft.

Interessant ist jedoch die Neigung der Russen zur Wahrscheinlichkeit, die mit den Sowjets ihre höchste Blüte – in der Planwirtschaft – fand. „Die axiomatische Begründung der Wahrscheinlichkeitstheorie wurde in den 1930er Jahren von dem sowjetischen Mathematiker Andrei Kolmogorow entwickelt. Ein Wahrscheinlichkeitsmaß muss demnach seine drei Axiome erfüllen.

„Andrei Nikolajewitsch Kolmogorow (russisch Андрей Николаевич Колмогоров, wiss. Transliteration Andrej Nikolaevič Kolmogorov; * 12.jul./ 25. April 1903greg. in Tambow; † 20. Oktober 1987 in Moskau) war einer der bedeutendsten Mathematiker des 20. Jahrhunderts.“ Heißt es bei Wikipedia. „Kolmogorow leistete wesentliche Beiträge auf den Gebieten der Wahrscheinlichkeitstheorie und der Topologie, er gilt als der Gründer der Algorithmischen Komplexitätstheorie. Seine bekannteste mathematische Leistung war die Axiomatisierung der Wahrscheinlichkeitstheorie.“

Berühmt wurde ferner der sowjetische Wahrscheinlichkeitsmathematiker Alexander Solschenizyn, jedoch wegen seines dreibändigen Werkes über den sowjetischen Arbeitslagerkomplex „Gulag“.

Heute meldet die Nachrichtenagentur AFP aus Russland nur:

„Ein Jugendlicher aus der russischen Ural-Region Tscheljabinsk muss sich wegen der Entführung einer Straßenbahn möglicherweise bald vor Gericht verantworten. Wie die russische Nachrichtenagentur RIA Nowosti am Freitag berichtete, holte sich der 15-Jährige die Tram am 9. Oktober aus ihrem Depot und fuhr sie rund 40 Minuten lang durch die Kleinstadt Slatoust. Dabei folgte er der normalen Strecke und nahm etliche Fahrgäste auf.

Erst nach einer Weile sei aufgefallen, dass die Bahn nicht in ihrem Depot stand, daraufhin sei die Polizei eingeschaltet worden, berichtete Polizeichef Pawel Pawlow RIA Nowosti. Nach seinen Angaben hatte sich der Jugendliche schon längere Zeit für Straßenbahnen interessiert und sogar einen Theoriekurs über das Führen von Trams absolviert. Dass er es nicht bei der Theorie bewenden ließ, könnte ihm nach russischen Recht nun bis zu fünf Jahre hinter Gittern einbringen.“

Aus Tunesien kommt die Meldung: „Hohe Wahlbeteiligung“ – es geht – konkurrent – um Mehrheiten: die berühmten 99%, die die Kommunistischen Parteien im Osten einst noch bei jeder Wahl eingefahren haben. Aber statt auf Werbung haben sie dabei – billigbillig – auf persönlichen Druck und Wahlfälschung gesetzt, wodurch sie ihr ganzes „Vertrauenskapital“ (in Form von Zu-Stimmen) verspielten. Traurig! Ach, Scheiß darauf, auf ein Neues. Die „Tunesische Wahlkommission“ gibt bekannt: „Beteiligung übertrifft alle Erwartungen“. Nun kommt die noch einmal spannende „Auswertung“ – das sogenannte Wahlergebnis.

Letzte Meldung aus Berlin von dpa – eine Werbemaßnahme:

„Arabischer Frühling im Kino – Festival in Berlin

Der Arabische Frühling kommt ins Kino. Das Berliner Festival „Alfilm 11“ zeigt vom 2. November an Filme über die Aufstände und Revolutionen in den arabischen Ländern. Zur Eröffnung ist „18 Days/Yaum thamania ‚ashra“ zu sehen, eine Zusammenstellung von 10
Kurzfilmen über die Revolution in Ägypten – der erste ägyptische Film, der die achtzehn Tage der Demonstrationen am Kairoer Tahrir-Platz reflektiert, wie die Festivalveranstalter ankündigten. Der tunesische Film „No more Fear“ (Regie Mourad Ben Cheikh) zeige am Beispiel einer Menschenrechtsanwältin, eines Journalisten, einer Bloggerin und eines psychisch Kranken, welche Befreiung es bedeutet, nach Jahrzehnten der Diktatur nicht mehr bespitzelt und verfolgt zu werden.

„Forbidden/Mammnou“ des ägyptischen Regisseur Amal Ramsis entstand im Winter 2010/2011 in Kairo. Kurz vor der Revolution zeige Ramsis, wie weitreichend das Leben unter dem Mubarak-Regime von Verboten bestimmt war. In „Scheherazade, Tell Me A Story“ von Yousry Nasrallah geht es um eine ägyptische Talkshowmoderatorin, die von ihrem Mann gebeten wird,
ihr Programm weniger politisch zu gestalten – um seine eigene Karriere nicht zu gefährden.

Bis zum 10. November zeigt das Festival insgesamt 60 Filme, die sonst kaum in europäischen Kinos zu sehen sind. Dazu zählen auch Regiearbeiten aus Palästina, Marokko, Syrien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Dokumentarfilm „Ali im Paradies/My Name is not Ali“ von Viola Shafik folgt den Spuren des Fassbinder-Schauspielers El Hedi Ben Salem („Angst essen Seele auf“). Eine extra Reihe ist dem „Humor im arabischen Film“ gewidmet. Gezeigt werden dabei vor allem Produktionen, die jenseits des von europäischen Institutionen geförderten arabischen Autorenfilms stehen, wie die Festivalmacher mitteilten.

Einige der Filmregisseure reisen zum Festival nach Berlin und stellen ihre Werke persönlich vor. Das Festivalprogramm ist zu sehen in den
Kinos Eiszeit, Babylon Mitte und Rollberg, in der ifa Galerie, im Café Al Hamra und im Theater Hebbel am Ufer. Das Festival findet bereits zum dritten Mal statt. Im vergangenen Jahr zählten die Veranstalter rund 4000 Besucher.“

Das sind 0,09% aller Neuundneunzigprozentigen – potentiellen Filmkucker – in der Frontstadt.

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