vonHelmut Höge 20.03.2011

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Photo: rocknord.net

“Warum die Japaner nur scheinbar gelassen auf die Katastrophe reagieren?” fragt sich Christoph Neidhart in der Süddeutschen Zeitung vom 20.März:

Am Schluß heißt es dazu: “Und zu sagen, sie seien gelassen, weil ihre Panik nicht sichtbar wird, ist westliche Arroganz.”

Zuvor hatte er uns erklärt: “Das Schriftzeichen, das die Japaner für das Adjektiv ‘japanisch’ gebrauchen, ist ‘wa’, es bedeutet heute Harmonie, Friede Gleichgewicht. Dieses ‘wa’ ist nur erreichbar, wenn sich alle darum bemühen, wenn sie sich also der Gruppe unterordnen.”

Die Nachrichtenagentur dpa titelte heute morgen:

„Ich will dahin, wo die story ist,“ in diesem Fall so nahe an den havarierten Reaktor in Fukushima wie möglich, gemeint war damit der letzte ausländische Journalist dort, ein Amerikaner, er berichtete:

Tag für Tag hätten in Fukushima immer weniger Geschäfte geöffnet, Restaurants und Geschäfte hätten keine Lebensmittel und kein Trinkwasser mehr. „Gestern hatten nur wenige Tankstellen für ein paar Stunden geöffnet.“ Davor hätten sich lange Schlangen gebildet, die Menschen hätten stundenlang gewartet, um ein paar Liter Benzin zu bekommen.

„Es sind immer noch hunderttausende Menschen in Fukushima. Es ist dort nicht wie in einer Geisterstadt“, so Steven Herman. Darunter seien auch noch viele japanische Journalisten. Wer Verwandtschaft in anderen Regionen Japans habe, sei gegangen. Die meisten Bewohner der Präfektur aber seien immer noch da, da die Regierung außerhalb des 20- beziehungsweise 30-Kilometer-Radius um das havarierte Atomkraftwerk Fukushima Eins nicht zur Evakuierung aufgerufen habe.

„Es ist ihr Zuhause“, sagt Herman. „Viele wissen nicht, wohin sie gehen sollten.“ In die Notunterkünfte dürften sie nicht. „Es ist ihnen nicht erlaubt. Die Notunterkünfte sind voll. Dort sind schon all die Menschen, deren Häuser vom Erdbeben oder vom Tsunami zerstört wurden.“ Die Atmosphäre in Fukushima beschreibt Herman als ruhig. „Natürlich haben die Menschen Angst. Aber sie sind nicht in Panik.“

Die taz schreibt über die „Lügen in der Datenflut“ – die dem Reaktorunfall und der Staatsraison entspringt:

Die Messstationen aus dem AKW zeichnen offenbar ein verzerrtes Bild. Misst man dort, wo die Reaktoren qualmen, bekommt man ganz andere Werte.

Der deutsche „Eingreifrichtwert“ für die Evakuierung der Bevölkerung in so einem Falle beträgt 100 Millisievert pro Jahr.“ Diese Grenze ist in der Gegend um Fukushima weit überschritten: Am Messpunkt 6 wären es hochgerechnet pro Jahr 525 Millisievert.

Wie lange die nuklearen Lecks die Gegend verseuchen, wird darüber entscheiden, ob die Region um das AKW bewohnbar bleibt. Bisher waren zumindest die Bewohner des Großraums Tokio von der Belastung aus Fukushima relativ gut geschützt. Doch am Wochenende und Anfang der nächsten Woche soll der Wind mehrfach drehen und teilweise aus Norden kommen. Dann liegt auch Tokio in der radioaktiven Abgasfahne von Fukushima.

Internet-Aktivisten haben eine „Wall of Shame“ eingerichtet – für Journalisten, die aus Japan berichten:

This Wall of Shame is being assembled by various people, many of whom are on the ground in Japan as residents, not temporarily assigned journalists, who are sick of the sensationalist, overly speculative, and just plain bad reporting that has gone on since the Tohoku quake in Japan last Friday (March 11). We feel that contacting each and every publication and reporter every time a bad report shows up is not effective, and it is our sincere hope that this will encourage journalists to aspire to a higher (some would say minimal) level of responsibility in their reports. If you would like to add a report of your own, feel free.

Ein weiterer taz-Artikel zitiert eine junge Japanerin in Tokio, Nanako Watanabe, für die sich die Frage stellt: bleiben oder standhalten?

„Wenn hier alle einfach abhauen würden, gäbe das ein Riesenchaos,“ sagt sie. „Die ausländischen Medien bauschen die Sache sehr auf. Ich versuche mich deshalb mit Hilfe verschiedener Quellen zu informieren. Ich twittere, oder surfe im Internet. Ich vergleiche ausländische und inländische Medien, um mir ein genaueres Bild machen zu können. Auf Mixi (dem japanischen Äquivalent zu Facebook, Anm. d. Redaktion) lese ich, was die anderen Leute denken und bei Facebook sehe ich nach, wie es meinen Freunden geht.“

Ein taz-Leser, der in Tokio arbeitet, meldet sich aus China, wohin er bereits geflüchtet ist:

„Hallo, es hat sich bis jetzt von meinen zurueckgebliebenen Arbeitskollegen in Tokio auch niemand erkundigt, wie es mir geht, wie ich zurechtkomme, meine Infos werden einfach kommentarlos entgegengenommen. Immerhin hat meine Firma allen bis einschliesslich naechsten Mittwoch verboten, ins Buero zu kommen.

Ich habe durch meine Flucht bis jetzt mehrere tausend Euro in den Sand gesetzt, bin nur mit dem noetigsten unterwegs, habe kaum Kleider zum Wechseln, keinen Zugang zu meiner komfortablen Wohnung und all den Dingen, die dort sind. Und schliesslich bin ich einfach nicht in Japan.

Die Leute in Tokio haben sicher auch Sachzwaenge, aber es gibt auch nicht wenige, die stolz darauf sind, dass sie sich nicht „aus dem Staub machen“ wie wir Fluechtlinge, sondern sich der Gefahr als tapfere Samurai stellen (das Wort „Samurai“ wurde von einem Kollegen explizit verwendet). Ich frage mich allerdings, wie man gegenueber Radioaktivitaet „seinen Mann stehen kann“ .

Natuerlich hoffe ich drauf, dass nichts passiert, und sich die Entscheidung der Dortbleiber im Nachhinein als die geschicktere herausstellt. Aber mir gehts psychisch bestimmt genauso dreckig wie vielen Zurueckgebliebenen, und wohl den anderen Gestrandeten auch aehnlich wie mir.

Wenn wir alle dann hoffentlich heil zurueck sind, dann erst werden wohl die Narben entlang der Kluft zwischen Dortbleiber und Weggeher sichtbar.“

Um 10 Uhr 34 teilt dpa mit:

„Der Schriftsteller, Filmemacher und TV-Produzent Alexander Kluge (79) sieht im Umgang mit der Katastrophe Parallelen zwischen Deutschen und Japanern. „Angesichts der Katastrophe entwickeln Menschen eine bemerkenswerte Ruhe“, sagte Kluge in einem Interview der Zeitschrift „Focus“. Er habe als Kind die Bombardierung seiner Heimatstadt Halberstadt erlebt: „Die Erwachsenen verhielten sich sehr gefasst, und wir Kinder übernahmen diese Haltung.“ Kluge („Die Artisten in der Zirkuskuppel: ratlos“/“Die Chronik der Gefühle“) versteht nicht, warum sich manche Deutsche nun über die Ruhe der Japaner angesichts der schlimmen Ereignisse dort wundern.

Für Kluge verbindet die europäische und die japanische Kultur, dass es einst feudalistische Systeme gewesen seien: ‚Herr und Knecht gehen einen Tausch ein: Treue gegen Treue. Die stoische Ruhe ist insofern eine Folge tief verankerter solidarischer Strukturen, in denen niemand seinen Vorteil auf Kosten anderer sucht, sondern ruhig und rücksichtsvoll agiert‘.“

Die Nachrichtenagentur dpa berichtet heute früh Widersprüchliches:

1. Der verzweifelte Kampf gegen die Atomkatastrophe im japanischen Kraftwerk Fukushima-Daiichi hat einen Rückschlag erlitten. Im besonders problematischen Reaktorblock 3 steigt der Druck wieder an, wie Hidehiko Nishiyama von der Atomaufsichtsbehörde NISA am Sonntag mitteilte. Möglicherweise hätten die Bemühungen, den Reaktor mit Wasser zu kühlen, nichts bewirkt.“

2. Es habe Fortschritte gegeben, doch für Entwarnung sei es noch zu früh, hieß es am Samstag bei der IAEA in Wien. „Das Risiko verringert sich von Tag zu Tag“, sagte Graham Andrew, ein Mitarbeiter von IAEA-Chef Yukiya Amano. Die Dinge liefen in die richtige Richtung.

3. Die Zahl der Arbeiter wurde auf 500 verstärkt. Die Strahlendosis, bis zu der sie arbeiten dürfen, wurde von 100 auf 250 Millisievert erhöht. Sechs Arbeiter waren bereits mehr als 100 Millisievert ausgesetzt, wie Tepco berichtete..

4. Die Strahlung aus dem Reaktorunglück hat inzwischen die Nahrungskette erreicht. In Spinat und Milch aus der Umgebung des Kraftwerks, aber auch im Leitungswasser in Tokio und anderen Städten wurden leicht erhöhte Werte gemessen. Regierungsvertreter beteuerten aber, dass die Belastung unbedenklich sei.

Zuvor hatte dpa gemeldet:

1. Eine Versicherung für Atomunfälle ist aus Sicht des weltgrößten Rückversicherers Munich Re für Versicherer und Kraftwerksbetreiber nicht tragbar.

2. Wegen der Addition der möglichen Schäden sei es für die Assekuranz nicht verantwortbar, diese Risiken zu stemmen. Wie hoch eine entsprechende Prämie ohne Staatsgarantie im Hintergrund ausfallen würde, lasse sich mit herkömmlichen Modellen nicht berechnen.

Während Reuters um 4 Uhr 50 mit der Frohbotschaft rüberkam:

„Japan macht offenbar Fortschritte im Kampf gegen Atomkatastrophe“

In Berlin begann heute die Brunnen-Sprudel-Saison, außerdem sahen wir den größten Mond seit über 30 Jahren auf- und untergehen, der Dachgarten auf dem taz-Haus wurde mit Blumen bepflanzt, und es fand eine russische Party statt, die nach dem Essen aus einer Reihe ernsthafter Gespräche bestand, man konnte aber auch malen. Später behaupteten einige „Bellizisten“ unter den Pazifisten in der Kneipe „Rumbalotte“, die ersten Kampfflugzeuge, u.a. aus Dänemark, seien nach Libyen unterwegs. Das Irritierende an dieser Information war das Wort Dänemark: ist deren Luftwaffe-Einsatz vielleicht immer noch Teil des berühmten „Karikaturen-Streits“ – in dem schon so viele Araber starben?

Aber dann tickerte am Morgen dpa:

„China hat die massiven Luftangriffe auf Libyen bedauert.“

Und von AP kam:

„Kaum hatte Sarkozy die Einigung der 22 über das weitere Vorgehen verkündet, sind französische Kampfjets als erste Welle Ziele in Libyen  angeflogen. Britische Kampfflugzeuge schließen sich an, amerikanische und britische Kriegsschiffe und U-Boote feuern eine Salve von 112 Marschflugkörpern gegen die Flugabwehr Gaddafis an der Mittelmeerküste. Die internationale Gemeinschaft interveniert damit mit ungewöhnlichem Tempo gegen ein Regime, mit dem sie sich lange arrangiert hatte und das wegen des Ölreichtums des Landes von vielen hofiert wurde.“ Der Militärschlag der Westmächte heißt: „Odyssee Morgendämmerung“. Das deutet darauf hin, dass die daran Beteiligten nicht so schnell wieder zu Hause sind.

Kein Wort von Dänemark! Stattdessen hieß es:

„Aber es gab auch Mahner. Russland und China bedauerten, dass es zum internationalen Militärschlag gekommen sei. Wie Deutschland erklärte auch Zypern, es wolle nicht direkt in den Konflikt hineingezogen werden. Der venezolanische Präsident Hugo Chavez, ein Freund Gaddafis, warf dem Westen vor, er habe es auf das libysche Öl abgesehen.“

Des Rätsels Lösung kommt via AP:

In einer Liste mit dem „Militäraufgebot“ gegen Gaddafi wird tatsächlich „Dänemark“ erwähnt: „Sechs F-16-Kampfflugzeuge, die am Sonntag auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Sigonella auf Sizilien eintreffen sollten.“ „Sollten“, sind sie aber anscheinend nicht, so dass sie auch nicht beteiligt sind – bisher.

Gaddafi hielt unterdes eine kurze Rede:

Er werde das Mittelmeer zu einem „wahren Schlachtfeld“ machen, drohte er nach dem Beginn der internationalen Militäroffensive. Das Libysche Fernsehen meldete 48 Tote bei Luftangriffen.

Und dann laut dpa auch noch eine zweite Rede:

„Alle Libyer sind nun bewaffnet“, erklärte er am Sonntagvormittag in einer Audio-Botschaft, die vom staatlichen libyschen Fernsehen gesendet wurde. Es war Gaddafis zweite Botschaft seit Beginn des militärischen Eingreifens der Allianz. In der ersten Erklärung hatte er eine Öffnung der Waffenlager „für alle Libyer“ angekündigt.“

Das Handelsblatt erinnerte daran:

Sarkozys Plan sah vor, dass „einige Einrichtungen der libyschen Luftwaffe neutralisiert werden sollen, wenn die Rebellen dies wünschten, hatte der französische Philosoph Bernard-Henri Levy nach einem Treffen Sarkozys mit Vertretern der libyschen Oppositionellen in Paris erklärt. Bei zwei Revolutionen hat Paris sich auffallend zurückgehalten, jetzt fällt Sarkozy durch seinen diplomatischen Eifer auf: Er wirbt nicht nur für Luftattacken, er wertet die libyschen Rebellen auch offiziell auf.“

Seit Charles de Gaulle haben sich alle französischen Staatspräsidenten einen Partisanen-Sympathisanten als Kulturminister oder wenigstens als Berater geleistet.

Die Zürcher NZZ erinnerte in diesem Zusammenhang an einige grundlegende kapitalistische Prinzipien:

Ebenfalls innenpolitisch motiviert handelt Deutschlands Kanzlerin Merkel – und steht in Libyen abseits. Ihre bürgerliche Regierung gibt sich nicht nur atomkritisch, sondern auch pazifistisch. In der EU schwächt es die Bedeutung Deutschlands eher. Macht bleibt international nicht nur wirtschaftlich, sondern auch militärisch fundiert.“

Der Spiegel von Morgen macht mit der „Tokio-Panik“ auf:

„Fukushima – was wirklich geschah.“ Mit ausführlichen Graphiken vom Innenleben des Reaktors. Aus Spiegellesern werden damit spätestens ab Montag kleine Kraftwerksingenieure.

Aber auch der Kairo-Virus kommt im neuen Heft nicht zu kurz:

„Die letzte Kugel“ – so heißt der Bericht über Libyen, und „Die Manama-Krise“ ein Artikel über die Kämpfe in Bahrain, Oman, Saudi-Arabien, Algerien, Marokko und dem Jemen. Der Autor kommt dabei zu dem Ergebnis:

„Bei der Generation des ‚Arabischen Frühlings‘ scheinen weder brutale Gewalt noch plumpes Geldverteilen mehr zu wirken.“

Die taz kreierte dagegen im Kommentar die „Generation Tschernobyl“ – die sozialen Phänomene befallen heute ausschließlich und stets ganze Generationen (statt Klassen, Schichten, Minderheiten oder Gebiete, eine Ausnahme, nicht minder unsinnig allerdings, findet sich in der Süddeutschen  Zeitung, die eine „twitternde Klasse“ entdeckt hat.)

Aus Syrien berichtet der Spiegel:

Im Süden von Syrien hat die Regierung die Stadt Dera’a abgeriegelt. Der syrische Aktivist Mase Darwisch sagte am Samstag unter Berufung auf Bewohner der Stadt, die Menschen könnten Dera’a verlassen, es werde aber niemand hineingelassen. Sicherheitskräfte hatten in der Stadt nahe der jordanischen Grenze am Freitag mindestens fünf Demonstranten getötet, die demokratische Freiheiten einforderten. Tausende demonstrierten bei der Beerdigung zweier Toter am Samstag. „Gott, Syrien, Freiheit. Wer seine eigenen Leute tötet, ist ein Verräter“, riefen Protestierende. Demonstriert wurde den Angaben zufolge auch in Damaskus, Homs, Banjas und anderen Städten.

AP ergänzte mit Nachrichten aus Saudi-Arabien:

Vor dem saudi-arabischen Innenministerium in Riad haben am Sonntag mehrere Dutzend Demonstranten die Freilassung von Tausenden Häftlingen gefordert, die seit Jahren ohne Prozess festgehalten werden. Das Gebäude wurde von 2.000 Sondereinsatzkräften der Polizei und 200 Polizeifahrzeugen gesichert. Augenzeugen zufolge wurden mehrere Demonstranten festgenommen, nachdem sie versucht hatten, in das Ministerium vorzudringen. Es war der dritte derartige Protest innerhalb dieses Monats.

Ähnlich ausgewogen wie der Spiegel hält es auch die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung:

Indem sie die Seite 1 fast gerecht zwischen dem Arabischen Aufstand – „Kampfjets über Libyen“ – und dem japanischen Reaktorunfall – „Verstrahlte Nahrung“ – aufgeteilt hat. Innen heißen diese dort fortgesetzten Teile „Die Politik der reinen Herzens“ und „Die Chroniken von Fukushima“ (mit Original Katastrophenzeichnungen aus Japan), das Feuilleton macht sich derweil Gedanken über „Nach Fukushima“

Die Junge Welt sorgt sich am Wochenende ausgiebig um die mögliche „Fluchtbewegung“ infolge der „Libyen-Krise“ und dass die paramilitärische Gegenmaßnahme der EU – „Frontex“, für deren Abschaffung gerade demonstriert wurde, nun verstärkt wird:

Wenn Gaddafi besiegt wird, sind es seine Mitkämpfer – und „sollte Gaddafi die Aufstandsbewegung niederschlagen,“ sind es die „Rebellen“, die flüchten werden.

AFP weiß um 8 Uhr 49 schon:

„Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet den Militäreinsatz gegen Libyens Machthaber Muammar el Gaddafi – in einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Emnid im Auftrag der ‚Bild am Sonntag‘.“

Die taz macht selbst eine solche Umfrage in der heutigen online-ausgabe – Ergebnisse liegen dazu noch nicht vor.

„Die letzten Neuigkeiten aus dem Elsaß“ schreibt heute:

„Man muss es klar sehen: Trotz der Beteiligung von Luftstreitkräften mehrerer Länder, auch arabischer Staaten, sind es Frankreich und Großbritannien, die an der Front stehen und diese Koalition anführen. Es ist nicht die Nato, die auf eine Rolle als Verwalter reduziert wurde, und es sind nicht die USA, die sich freiwillig im Hintergrund halten, ihre Marschflugkörper aus der Distanz abschießen und Versorgungs- und Radarflugzeuge bereitstellen. Doch jetzt wird es nicht einfach sein, die libysche Aktion zu einem guten Ende zu führen. Man wird Zeit brauchen und beharrlich bleiben müssen, auch wenn die Risiken steigen, je länger die Operation dauert. Selbst in ehrenwerter Absicht: Dies ist schließlich eine Kriegshandlung.“

Kommt noch der Jemen hinzu? – wie AP meldete:

Die jemenitische Opposition bittet nun ebenfalls um internationale Hilfe – u.a. gegen die Polizei ihres Landes, die am Freitag 46 Demonstranten erschoß.

Aus Bahrain berichtete AFP:

In der Stadt Maschhad im Nordosten des Iran kam es am Freitag während einer Solidaritätskundgebung für die Schiiten in Bahrain zu gewaltsamen Ausschreitungen. Rund 700 Menschen griffen das saudiarabische Konsulat in der Stadt an, warfen Scheiben ein und hissten die Flagge Bahrains. Die Polizei setzte Tränengas ein. Saudi-Arabien hatte Anfang der Woche Truppen zur Unterstützung der Regierung nach Bahrain entsandt.

Im Süden des Irak demonstrierten am Samstag erneut tausende Schiiten gegen die Unterdrückung der Proteste in Bahrain und die Unterstützung durch Riad. In Basra gingen 7000 Menschen, darunter viele Frauen, auf die Straße und forderten ein „Ende der Gewalt gegen die unbewaffneten Bahrainer“.

Der Führer der schiitischen Hisbollah-Organisation in Libanon, Scheich Hassan Nasrallah, kritisierte unterdessen arabische Herrscher, die gewaltsam gegen Protestbewegungen vorgehen. Ausdrücklich nannte er Bahrain, bekundete in Beirut aber auch Unterstützung für Oppositionsbewegungen in Ägypten, Tunesien, Libyen und Jemen.

Die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton hat den Iran vor einer Einmischung in die Angelegenheiten Bahrains und anderer Golfstaaten gewarnt.

In der taz listet der Kairo-Korrespondent die Unterstützung der libyschen Rebellen durch Ägypten auf:

„Es gibt Meldungen, dass das ägyptische Militär begonnen hat, leichte Waffen an die libyschen Rebellen zu liefern. Die Lieferungen hätten vor ein paar Tagen begonnen und würden weiterlaufen, sagte ein US-Regierungsbeamter dem Wall Street Journal. Die USA seien darüber informiert worden.

„Der ägyptische Militärrat hilft, aber nicht zu offensichtlich“, erläutert der libysche Geschäftsmann Hani Souflakis, der als Mittler zwischen den ägyptischen Militärs und libyschen Rebellen fungiert. Mustafa al-Gherryani, ein Sprecher des Nationalrates in Bengasi, bestätigt, bereits Waffenlieferungen erhalten zu haben, will aber nichts über deren Art und Herkunft sagen.

Das ägyptische Militär ist mit der Verwaltung des 80-Millionen-Landes, das es nach nach der Revolution übernommen hat, mehr als ausgelastet. Zugleich sorgt man sich um die eine Million ägyptischer Gastarbeiter, die in Libyen leben und von denen bisher nur ein kleiner Teil geflohen ist. Ein militärisches Einschreiten Ägyptens könnte sie gefährden.

Zudem könnte Gaddafi versuchen, die Nachbarländer zu destabilisieren, indem er eine Flüchtlingswelle auslöst, die auch auf Ägypten zurollen würde. Andererseits kalkuliert Ägypten, dass Gaddafi zumindest über den Osten seines Landes keine Kontrolle mehr bekommt, und möchte gute Beziehungen zu den Rebellen aufbauen.

Die inoffiziellen Beziehungen zwischen jungen Ägyptern, die die Revolution in Ägypten angeführt haben, und den jungen libyschen Rebellen war ohnehin vom ersten Tag des Aufstands in Libyen sehr eng. Die Libyer waren von der Tahrir-Revolution inspiriert. Und die jungen ägyptischen Revolutionäre unterstützen ihre Freunde in Bengasi: Die dortigen Krankenhäuser sind voll mit jungen ägyptischen Ärzten; auf der Straße nach Bengasi fährt ein stetiger Strom vom Lastwagen mit Hilfsgütern, die privat in Ägypten gesammelt wurden.

„Wir versuchen darzustellen, welchen Charakter unsere Revolution hat, warum wir Gaddafi loswerden wollen, und wir zeigen seine Verbrechen auf, die nicht im Fernsehen gezeigt werden“, sagt der junge Veterinär Sabri al-Mansury im Gespräch mit der taz. Zusammen mit sechs weiteren jungen Rebellinnen und Rebellen war er im Auftrag des Nationalrats in der vergangenen Woche in Kairo.

„Die Libyer wollen nicht, dass ihr Land zur Zielscheibe wird, wie der Irak, Afghanistan oder Somalia. Wir brauchen vor allem Waffen, um das repressive System Gaddafi aufzuhalten“, sagt der Journalismusstudent Ahmad el-Scherif.“

Aus Japan tickert Reuters zur Abwechslung mal:

„Die japanische Regierung spricht von Fortschritten im Kampf gegen einen Super-GAU am Reaktor 3 des Atomkraftwerkes Fukushima. Und die Temperaturen in den Reaktorblöcken 5 und 6 sind offenbar fast wieder auf normalem Niveau.“

„Die Dekabank rechnet mit Schäden von über 135 Milliarden Euro in Japan.“

„Die Atomreaktor-Katastrophe in Japan hat Millionen deutsche Kleinanleger stark verunsichert. Viele haben ihre Aktienbestände gleich nach dem Unglück verkauft oder zumindest reduziert; die große Mehrheit verharrt allerdings in einer Art Schockstarre. Wer jetzt von Panik  getrieben seine Positionen auflöse, verkaufe „zum schlechtesten Kurs“, ist der Aktionärsschützer Marco Cabras überzeugt. Die Weltkonjunktur sei nach wie vor robust.“

„Bis die Tragweite der japanischen Katastrophe nicht klar sei, sei ein neues Investment an den Börsen schlicht zu gefährlich. „Nicht vorstellbar, wie stark die Kurse fallen, wenn die schlimmsten Befürchtungen in Japan Wirklichkeit werden“, gibt auch Börsenexperte Roland Aulitzky zu bedenken.“

„Wirtschaftsweisen-Chef Wolfgang Franz rechnet mit Strompreisanstieg.“

Anläßlich des taz-medienkongresses am 8. und 9. April schreibt Tom Schimmeck in der taz über die Rolle des Internets im Widerstand:

„Kommt jetzt die Revolution im globalen Schnelldurchgang und das dank neuer digitaler Werkzeuge? „Niemand kann das Internet kontrollieren, es ist die beste Form, um Ideen und Gedanken zu streuen und auszutauschen“, schwärmt die tunesische Bloggerin Lina Ben Mhenni. Vernetzte neue Medien spielten nicht erst seit den Protesten im Iran 2009 eine Rolle, sondern schon 1994 beim Aufstand der Zapatistas in Mexiko. Als 2001 auf den Philippinen die Anhänger des korrupten Präsidenten Estrada im Parlament beschlossen, Beweismaterial gegen ihn zu unterdrücken, standen binnen Stunden Abertausende auf der Epifanio de los Santos Avenue in Manila, mobilisiert von einer SMS: „Go 2 EDSA. Wear blk.“ „Dies ist eine Internet-Revolution“, sagte Google-Manager Wael Ghonim, der in Ägypten zum Oppositionshelden aufstieg. „Eine soziale, friedliche Revolution, deren stärkste Waffe das soziale Netzwerk war.“

Internet und mobile Funknetze haben die Medienstrukturen revolutioniert. Sie fungieren als globaler Informationskanal und Waffe zugleich, weil ihr interaktives Potenzial weit über die klassische Nachrichtenverbreitung hinausreicht. Sie helfen debattieren und organisieren, mobilisieren Menschen und liefern der vernetzten Welt eine Flut von Bildern und Augenzeugenberichten, die alle offizielle Propaganda autoritärer Regime unterhöhlt. Was wir bei der taz auch nicht ahnten. Wiewohl wir die ersten waren, die mit kleinen Computern herumliefen. Getwittert, gefacebookt und gesimst wird in Libyen, Marokko, Syrien und Bahrain. Und morgen überall? Schon wettert Muammar al-Gaddafi, die Aufstand in seinem Reich sei das Werk US-amerikanischer Social-Media-Unternehmen. Und Sänger Bono freut sich: „Es ist schwer, ein totalitäres Regime zu sein, wenn die Menschen plötzlich so viel wissen“.

Ja, das Internet und Mobilfunk können revolutionäre Wunderwaffen sein. Zugleich dienen sie aber auch als Instrumente der Propaganda, Desinformation, Überwachung, Ausforschung und Unterdrückung. Auch Herrscher von Medwedjew bis Chávez bloggen und twittern inzwischen. Und die Cyber-Zensur schreitet weltweit voran. Denn selbst die wunderbare neue Netz-Welt ist kontrollierbar. Sie hängt von Hardware ab, von Servern, Leitungen und Sendern. Immer wieder gelingt es der iranischen Regierung, das Netz zu kontrollieren – auch dank Software aus dem Westen. Die iranischen Revolutionsgarden erwarben gleich nach den Unruhen 2009 die Aktienmehrheit an der iranischen Telekom.“

In der Jungen Welt schreibt Wiglaf Droste über die „Schwarmdoofheit – AKW nee – und auch Facebook ade“:

„Wenn man liest, was anläßlich der nuklearen Katastrophe in Japan öffentlich-digital weggebetet wird, ahnt man, daß Kernschmelze etwas sein muß, das sich zuerst im menschlichen Kopf vollzieht. Die Einsicht, daß Klappehaltenkönnen die adäquate Reaktion darauf ist, nichts zu wissen oder zu sagen zu haben, war nie sonderlich verbreitet; das Zeitalter der Multiplikation von jeder Arwt Nichtigkeit rafft ihre spärlichen Anhänger vollends dahin.“

Demopause auf dem Tahrirplatz in Kairo. Photo: morphyne.com

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