vonEva C. Schweitzer 15.09.2009

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Zu meinen Pflichten als Auslandskorrespondentin gehört es, Mitglied in den richtigen Clubs zu sein und vorbeizugucken, wenn etwas geboten wird, etwa gestern, als der Overseas Press Club zu einer Buchvorstellung einlud. Das Buch handelte vom Aufstieg der Familie Smirnoff, und dazu hatte der Verlag, oder aber Smirnoff, eine Batterie von eisgekühlten Wodka-Flaschen gespendet, Wodka pur, Wodka mit Blaubeergeschmack, mit Himbeergeschmack, mit Wassermelonegeschmack; der mit Blaubeere war der Beste, aber das nur am Rande.

Ich kam ins Gespräch mit einem älteren Paar, er Journalist, frühverrented wegen Stellenabbau, sie Begleiterin. Sie erzählten von ihren Reisen nach Deutschland, wo sie offenbar sämtliche Kriegerdenkmale besichtigt haben. Dann fragte mich die Frau, ob ich mich noch an  den Zweiten Weltkrieg erinnern könne. Ich starrte sie fassungslos an und fragte zurück, für wie alt sie mich eigentlich halte. Sie guckte erstaunt und meinte, keine Ahnung, und verstand mein Erstaunen überhaupt nicht.

Ich brachte ihr dann bei, dass der Zweite Weltkrieg fast 65 Jahre her sei. Sie glaubte mir schließlich, aber ich meine, eher aus Höflichkeit. Zuhause guckte ich dann vorsichtig in den Spiegel, wie viele Falten habe ich eigentlich schon? Und Wodka gibt’s erst mal keinen mehr.

Eva C. Schweitzer, Manhattan  Moments. Geschichten aus New York, erschienen bei Droemer-Knaur, Juni 2009, Taschenbuch, 9,95 €

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