vonlottmann 05.05.2009

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Am Abend sind wir dann noch zu Katja Hentschel gegangen, nachdem Jonathan Frentzen am Wannsee geblieben war. Der große amerikanische Schriftsteller, der in der American Academy aus seinem neuen Roman las, liebt diese Anlage noch aus der Zeit, als er dort mit Philipp Rühmann gewohnt und gearbeitet hatte (2006-2007). Damals kam ja auch das Gerücht auf, Berlin sei DIE Stadt für neue amerikanische Schriftsteller.
Jedenfalls rief Philipp an und sagte, der Meister sei beim besten Willen nicht mehr zu bewegen, nach Mitte zu fahren. Da wir des Wetters wegen Depressionen hatten, nahmen wir das Angebot an, ein paar von Uwe Barschel’s TAVOR zu probieren und anschließend noch etwas ‚Erleben gehen‘ zu wollen / sollen. Also liefen wir zu Katja, die nur 100 Meter weiter wohnte. Die äußerst energiereiche Frau bestach sofort durch rasche Einführung, zügige Gesprächsmoderation, plärrend laute Tischmusik, die aus fünf-Watt-Lautsprechern eines alten Batterie-Cassettenrecorders kam, und klaren Informationen über Mode, Design, Blogging, Journalismus, Indien, China, Brasilien und Holland. Ihre Rede war oft so schnell und hart, daß uns die Ohren klingelten. Auch ihre Einlassungen über psychische Konflikte, Liebeskummer, menschliche Enttäuschungen & berufliche Rückschläge kamen im Stakkato, wirkten profund und sachlich gut durchdacht. Keine Gemeinplätze wurden hier in Reihe losgeballert, sondern alles war selbst hergestellt und ausformuliert worden. Nach einigen Stunden wurde klar, daß hier eine Persönlichkeit wirkte, hier in Mitte, in der kleinen 1949er DDR-Wohnung, in die Katja erst vor drei Wochen, aus London kommend, eingezogen ist. In Abwandlung des alten Rainald-Goetz-Titels ‚Der geht seinen Weg‘ könnte man sagen: diese Frau geht ihren Weg. Wie benommen saßen wir in den gemütlichen 50er Jahre Plüschsesseln und hörten mit offenen Mündern zu. Irgendwann kam noch ein weiblicher room mate vorbei, so um halb drei Uhr nachts, und Katja Hentschel sprach dann sofort 25 Minuten lupenreines Englisch mit ihr, ebenso schnell und präzise, als wäre sie Margaret Thatcher. Dann wandte sie sich wieder uns zu, die wir darauf dankbar reagierten.

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