vonDaniel Erk 06.05.2010

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Wer in Deutschland einen Skandal provozieren will, der muss nur selten seinen Grips bemühen, Tabus erörtern oder gesellschaftliche Vorstellungen reflektieren – es reicht zumeist nämlich vollkommen aus, aktuelle Themen aus Politik und Gesellschaft mit Symbolen oder Vokabular aus dem Dritten Reich zu verknüpfen, fertig ist das Rauschen im Blätterwald.

Derzeit lässt sich diese Behauptung recht ansehnlich am Beispiel der dänischen Künstlergruppe „Surrend“ vorführen: Alle großen deutschen Medien, von FAZ bis Tagesspiegel, von 3Sat bis zum Kölner Stadtanzeiger, können sich offenbar nicht der eher plumpen Provokation Surrends entziehen.

Was ist passiert? Die taz schreibt:

Unter dem großflächigen Titel „Endlösung“ zeigen die Plakate eine Landkarte des Nahen Ostens ohne Israel mit einem neuen Staatsgebiet „Ramallah“ auf jüdischem Boden, berichtet der Tagesspiegel. Die Plakate hängen derzeit an vielen Fassaden in den Berliner Stadtteilen Mitte, Kreuzberg und Prenzlauer Berg.

Gleichzeitig äußerte sich Jan Egesborg im Tagesspiegel folgendermaßen: „Als Jude fand ich es immer schon problematisch, dass Israel auf gestohlenem Land erbaut wurde (…) Wie der israelische Staat heute die Palästinenser behandelt, ist schrecklich. Es gibt keine andere Antwort, als dass die Juden aus Israel eine neue Heimat finden, etwa in den USA, Deutschland oder Dänemark.“

Die FAZ aber ergänzt einen wichtigen Umstand:

Wer die Aktionen von „Surrend“ kennt, müsste wissen, was diesmal die Absicht war. Nämlich: nicht irgendeine Attacke auf das Existenzrecht Israels. Vielmehr soll offenbar der Kritik an bestimmten Formen der israelischen Politik durch Konsequenzmacherei der Boden entzogen werden, durch den Gestus: Schaut her, dahin wird es kommen. Durch das Wort „Endlösung“ wird infamerweise suggeriert, dass eben hierin die wahre, aber verschwiegene Absicht der Israel-Kritiker liege.

Was weder dieVorsitzende der jüdischen Gemeinde zu Berlin, Lala Süßkind, noch israelische Diplomaten, noch Shimon Samuels, den Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums in Paris, davon abhielt, der Künstlergruppe „Surrend“ Antisemitismus und Deutschland fehlendes Engagement gegen eben diesen vorzuwerfen. Was vermutlich ganz im Sinne von „Surrend“ war, denen es ja eben um solch schlichten Anschuldigungen und um den Aufschrei nach der Provokation geht.

A propos Antisemitismus: Der sehr gute, sehr viele Fragen aufwerfende Film „Defamation“ des israelischen Dokumantarfilmers Yoav Shamir ist (vermutlich illegalerweise) derzeit in voller Länge auf Youtube zu finden.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=9qR1h-H7vNU[/youtube]

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