Foto: European Union Mit einem streckenweise amüsant zu lesenden Urteil hat der Europäische Gerichtshof die Patentansprüche der Firma Monsanto auf Sojaschrot, der aus Argentinien nach Rotterdam verschifft wurde, vor die Wand laufen lassen. Der Hintergrund: Seit Jahren ärgert sich der weltweite Gentech-Kaiser über die Praktiken der lateinamerikanischen Soja-Barone, ihre „RounupReady“ Soja einfach nachzubauen und dafür keine Patentgebühren zu bezahlen. Während US-Farmer mit einem „technology agreement“ beim Saatgutkauf sämtliche Rechte daran abgeben müssen und Monsanto rücksichtslos jeden Nachbau mit Hilfe von „Pinkerton“-Detektiven und drastischen Schadensersatzforderungen verfolgt, sind solche Praktiken im wilden Süden Amerikas nicht durchsetzbar.
Die argentinischen Gentechnik-Anbauer, die weite Teile des Landes in eine „grüne Wüste“ aus herbizid-resistenten Soja-Bohnen verwandelt haben, exportierten im Jahr 2009 für rund 1,7 Milliarden US-$ Sojaprodukte ohne Monsanto dafür einen Centavo zu zahlen. Weil Gentech-Soja, im Gegensatz zu Mais, kein Hybridsaatgut ist, bauen sie die eigene Ernte nach. Das „Roundup“, gegen die die Sojapflanzen immun sind und das – bis vor Kurzem – alles andere Grün niedermachte, beziehen sie, seit Monsanto’s Patent auf den Giftstoff ausgelaufen ist, vorzugsweise aus China, das mittlerweile der weltweit grösste Produzent von Glyphosat (so heißt der Wirkstoff) ist und ihn wegen enormer Überkapazitäten zu Schleuderpreisen in alle Welt liefert. Auch wenn sich die Berichte über Gesundheitsschäden durch Roundup häufen und eine wachsende Zahl von „Un“kräutern mittlerweile ganz ohne Gentechnik unter dem Druck des overkills auf den Monokulturen ebenfalls immun gegen Glyphosat wurde, ist das Mittel bis heute das meistverkaufte Pestizid der Welt (wir haben die schleichende Roundup-Dämmerung von einiger Zeit ausführlicher beleuchtet).
Zurück nach Europa. Weil Monsanto hier ein Patent auf seine Roundup-Ready Soja hat, versuchte die Firma 2005 durch eine Klage gegen zwei Soja-Importeure die Patent-Gebühren, die sie in Argentinien nicht eintreiben kann, in Rotterdam zu kassieren, wo der argentinische Soja-Schrot angelandet wird, um dann an Schweine, Kühe und Hühner in europäischen Tierfabriken verfüttert zu werden. Das holländische Gericht verwies den Fall an den Europäischen Gerichtshof, weil es um grundsätzliche Fragen der europäischen Patent-Richtlinie für Biotechprodukte ging.
Der hat nun am 6. Juli nun Folgendes entschieden: Ja, in Europa ist Monsantos Patent auf die RR-Soja gültig (auch wenn sie hier nicht angebaut werden darf). Aber das Patent erstreckt sich nicht auf die eingefügten Gene an sich , sondern gilt nur insofern sie die vom „Erfinder“ in seinem Patent beschriebene neuartige Funktion erfüllen, in diesem Falle also die Resistenz gegen Roundup. Da es aber weder üblich sei, Sojaschrot mit Roundup zu besprühen und selbst wenn man dies täte die Gene in dem toten Material keine Funktion mehr erfüllten, habe Monsanto keine Rechte an dem Schrot, der „seine Gene“ enthält. Sein genereller Patentanspruch auf die Gene an sich sei „inakzeptabel“. Darüber hinaus entschied das Gericht, dass nationale Patentgesetze, die diese Einschränkung nicht machen und absolute Patentansprüche auf ein Gen erlauben, gegen die Europäische Richtlinie verstossen und deshalb nichtig sind, selbst dann, wenn das Patent unter dem nationalen Gesetz vor dem Inkrafttreten der europäischen Richtlinie angemeldet wurde. Das weitergehende holländische Patent wird also auch rückwirkend ausser Kraft gesetzt. Schließlich befand der Gerichtshof, dass die Regeln der WTO (im sogenannten TRIPS agreement) durch die Richtlinie weder verletzt werden noch überhaupt unmittelbar anwendbares Recht sind. Darüber, ob Monsanto also zwar den toten Schrot nicht, theoretisch aber noch vermehrungsfähige ganze Bohnen, die erst in Europa geschrotet werden, sehr wohl in Rotterdam abkassieren darf, darüber schweigen sich die Richter aus.
Monsanto hatte sich mit den gewissermassen als Hehlern beklagten Importfirmen Töpfer (kontrolliert von Archer Daniels Midland, ADM) und Cefetra kurz vor dem Urteilsspruch der Europäischen Gerichtes auf einen Vergleich geeinigt, in dem die Firmen eine nicht genannte Summe gezahlt haben sollen, um den ursprünglichen Fall vor dem holländischen Reichsgericht aus der Welt zu schaffen bevor es zu einem europäischen Urteilsspruch kommt. Denn das Debakel hatte sich schon im März angekündigt. Die so erwirkte Eildepesche des holländischen Reichsgerichts, die Sache habe sich erledigt, konnte die Europäischen Richter jedoch von ihrem Urteil nicht mehr abbringen. Its the law now: Patente auf Gene an sich sind in Europa nicht zulässig.
BRCA Test Das könnte ein weiterer Sargnagel sein für hemmungslose Ansprüche auf „geistiges Eigentum“, die gut bezahlte Rechtsanwälte gegenüber sichtlich überforderten Patentämtern in Europa und den USA in den letzten Jahren geltend machten. Im März hatte ein New Yorker Gericht in einem möglicherweise wegweisenden Urteil gegen die Firma Myriad Genetics entschieden, ihr Patent auf zwei menschliche Gene, deren Mutationen mit Brustkrebs in Verbindung gebracht werden, sei null und nichtig. Natürliche Gene zu isolieren sei ebensowenig ein erfinderischer Akt wie deren Vergleich mit anderen Gensequenzen. Darauf aber beruht das Geschäft des Sequenzierungs-Pioniers und Nobelpreisträgers Walter Gilbert , dessen Firma jährlich rund 300 Millionen Dollar damit macht, Frauen auf ihr Brustkrebs-Risiko zu untersuchen. Durch Patentierung der Ergebnisse seiner ursprünglich mit öffentlichen Mitteln geförderten Forschung, konnte Gilbert verhindern, dass andere den an sich einfachen Test zu tragbaren Preisen anbieten. Er schraubte den Preis sogar in den letzten Jahren von ursprünglich 1600 auf mittlerweile über 3000 $ pro Test in die Höhe. Das New Yorker Urteil, dem übrigens schon 2004 ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorausgegangen war, trieb dem Vorsitzenden der amerikanischen Gentechnik-Vereinigung „Bio“ auf deren letzter Vollversammlung im Mai regelrecht Schaum vor den Mund. „Kein Patent, keine Investition. Keine Investition, keine Behandlung. Keine Behandlung keine Hoffung. Das ist die Wahl!“ rief James Greenwood in einer insgesamt denkwürdigen Rede („we heal the world, we fuel the world,we feed the world!“) den versammelten „Brüdern und Schwestern“ aus aller Welt zu, „dieses Urteil muß aufgehoben werden!“. „Schwingt das Pendel zurück ?“ fragte dagegen hoffnungsvoll das reputierliche „New England Journal of Medicine“ und weist darauf hin, dass bereits auf 20% aller menschlichen Gene von irgendeiner Firma Patentansprüche angemeldet wurden.
In einer eiligen Erklärung spielt Monsanto die Bedeutung des Europäischen Urteils jetzt nach Kräften herunter. Das Wall Street Journal macht sich Sorgen, das Urteil werde Soja-Importe in die EU aus Schwellenländern mit laxerem als amerikanischem Patentrecht fördert. In den feinen, wenn auch nicht ganz sauberen Hallen der argentinischen „Sociedad Rural “ (die Mitgliedschaft in diesem Club der Großagrarier ist erst ab 5000 ha möglich) lacht man sich wohl ins beringte Fäustchen. Allen, die aus anderen Gründen „Kein Patent auf Leben “ fordern, macht das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ein Bisschen Hoffnung. Kommende Woche treffen sie sich in München zu einer Tagung unter dem Titel „“Patente auf Saatgut – am Wendepunkt?“ und am folgenden Tag zum gemeinsamen Patenteschreddern vor dem Europäischen Patentamt, das dann über ein Brokkoli-Patent entscheiden wird.