von 21.04.2009

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Daniel Cohn-Bendit regt sich auf. Es ist fantastisch. Sitzt da oben auf dem Podium, zweiter von links, und ist sauer. Laut wird er, gestikuliert wild in der Gegend herum, es ist beeindruckend. Nur mit seiner Stimme beschallt er den pickepackevollen Konferenzsaal 1. Das Mikrofon ist zwar an, ihm aber auch egal, er schimpft und zetert drüber hinweg.

Der Gefühlsausbruch kommt plötzlich: Es sei fatal, darüber nachzudenken, ob das Internet die Zeitungen irgendwann verdrängen könne, ruft er. Das werde nicht passieren! Denn: Bei den Medien lägen unterschiedliche Bedürfnisse zugrunde. 1968 habe man den Abgesang auf Liebe und Treue gefeiert, wie man jetzt die Zeitungen zu Grabe tragen wolle, das finde er ganz fürchterlich. Man solle sich doch umschauen: „Die Menschen lieben sich doch nach wie vor!“

Eigentlich sollte sich die Diskussion um „Die taz von morgen – und für die nächsten 30 Jahre“ drehen. Immer wieder geht es aber um die allgemeine Frage: Was passiert mit Zeitungen, wenn das Internet immer wichtiger wird? Auch das ist hochinteressant, denn die sieben Diksussionspartner (komischerweise keine einige Frau darunter) liegen in ihren Positionen weit auseinander.

Josef-Otto Freudenreich ist der gemütlich-konservative Typ, Chefreporter der Stuttgarter Zeitung. Er glaubt nicht daran, dass Zeitungen aussterben; da verlässt er sich auf sein Gefühl: „24 Millionen täglich verkaufte Tageszeitungen sprechen eine deutliche Sprache“, ist sein einziges Argument. Moderator Arno Luik und Sascha Lobo weisen deshalb darauf hin, dass die Zahlen kontinuierlich sinken. Damit ist Freudenreich raus aus der Diskussion.

Sascha Lobo, der massige Blogger, Journalist, Werbetexter mit schwarzen Anzug, Schnurrbart und pinkfarbenem Irokesen, steht auf der krassen Gegenseite: „Ich lese seit zehn Jahren keine Tageszeitung mehr“, sagt er. Und: „Die Zeitung auf Papier wird es nicht mehr lange geben.“

Thierry Chervel (früher bei der taz, Mitbegrunder von Perlentaucher.de) vertritt die Position, dass Internet das Gleiche sei wie eine Zeitung: „Alle Redaktionen sind Online-Redaktionen, weil jede Zeitung online ist. Radio ist Internet, Fernsehen ist Internet, Zeitungen sind Internet und Internet ist Internet“, sagt er. Lange Gesichter im Publikum verraten, dass dieser blasse Herr mit seiner kryptischen Ausdrucksweise nicht wirklich ankommt.

Wesentlich klarer drückt sich da Friedrich Küppersbusch aus. Genau, der Küppersbusch, den die taz jeden Montag zur Lage der Welt befragt. Und genauso feingeistig-bissig wie seine Antworten dort sind seine Erläuterungen auf dem Podium: „Brauchen wir überhaupt noch eine taz in 30 Jahren“, fragt er, „dieses studentische Musikantenstadl in gedruckter Form?“ Die Leute im Publikum lachen. Die taz sei aus einer Bewegung heraus entstanden, die es heute nicht mehr gebe. Deswegen sei es großartig, mit welcher Brillianz die Zeitung heute geführt werde. Trotzdem mache er sich Sorgen um ihre Zukunft, denn das Kunststück, das der taz jetzt gelingen müsste, sei: eine Bewegung zu adoptieren.

Jetzt geht es endlich wieder um die taz, und teilweise auch um ihre Zukunft. Küppersbusch und Cohn-Bendit wehren sich vehement gegen Arno Luik, der die taz auf eine latent arrogant-nervige Art und Weise als rot-grüne Regierungszeitung bezeichnet. Luik, jetzt beim Stern, früher taz-Chefredakteur, moderiert zurückgelehnt, aber süffisant, Cohn-Bendit und er kriegen sich immer wieder lustig in die Haare.

Dass die taz die einzige Zeitung Deutschlands ist, die über eine echte Community verfügt (nämlich ihre GenossInnen, die sie finanziell tragen), macht sie nicht nur in der aktuellen Krise unangreifbar: Wo allen anderen Zeitungen die Anzeigenkunden wegbrechen, bleibt die taz unberührt, weil sie ohnehin nie von Anzeigen lebte. Wenn Informationen in Zukunft vermehrt oder irgendwann nur noch online verfügbar sind, wird sich irgendwann die Frage stellen: Wie wird das finanziert? Das Panel ist sich einig, dass die taz mit ihrer Genossenschaft da eine sichere Basis hat.

Ob Zeitungen auf Papier jetzt nun aussterben oder für immer bestehen bleiben, sei ohnehin egal, sagt Sascha Lobo: „Es geht doch eh um den Inhalt und nicht um die Form. Als die taz gegründet wurde, hat man ja nicht gesagt: ‚Hey, lasst uns gemeinsam Papier bedrucken!‘, sondern: ‚Wir brauchen ein linkes, alternatives Medium!'“ Deswegen sei es unglaublich wichtig, dass die taz ihre Leserschaft endlich auch an den online-Auftritt binde. Das habe man bisher verpasst. Wenn das nicht gelingt, sieht Lobo das Ende der taz. „Wenn die SZ jetzt tot umfällt, wäre mir das egal“, sagt er, „aber um die taz wärs schon schade.“

Kurz vor Ende der Diskussion steht ein Mann auf und drückt Arno Luik einen Zettel in die Hand. Luik liest vor, dass die taz soeben ein Bewegungsportal gegründet hat. Spät, aber immerhin: Vielleicht gelingt das Kunststück, und die taz adoptiert mit bewegung.taz.de endlich eine Bewegung für sich.

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