Gegen die Finanzkrise setzt Brasilien auf Schutzmaßnahmen und regionale Integration
Gelassen verfolgt Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff die bisherigen Turbulenzen an den Finanzmärkten. Gegen eine Ansteckung durch die Schuldenkrise in den USA und Europa setzt Brasilien auf Barrieren gegen Spekulationskapital und Dumpingimporte. Mit den Nachbarn in Südamerika will die Regionalmacht noch enger zusammenrücken.
„Wir wissen nicht genau, was auf uns zukommt“, gestand Rousseff dem Wochenmagazin Carta Capital. Wegen der höchst sensiblen Lage will die studierte Ökonomin ihr „Rezept“ nicht verraten. Die punktuellen Maßnahmen, die die brasilianische Mitte-Links-Regierung bereits seit Wochen ergreift, würden allerdings fortgesetzt, kündigte sie an.
Sorgen macht der Staatschefin vor allem die Zunahme der Importe, die durch die massive Aufwertung der Landeswährung Real in den vergangenen Jahren begünstigt wurde: Brasilien dürfe nicht mit importierten Produkten überflutet werden, die durch „unfaire, oft sogar perverse Konkurrenz“ künstlich verbilligt seien – brasilianische Arbeitsplätze stünden auf dem Spiel.
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Während Brasiliens Importe in den ersten sieben Monaten 2011 um 32 Prozent gegenüber dem Vorjahr zunahmen, stagniert die einheimische Industrie. Dem sogenannten Big-Mac-Index des britischen Magazins „Economist“ zufolge, mit dem man die Kaufkraft diverser Währungen recht genau messen kann, ist der Real im Vergleich zum Dollar derzeit um rund 50 Prozent überbewertet.
Freilich liegt das auch an der brasilianischen Hochzinspolitik, einem klassisch liberalen Instrument zur Inflationsbekämpfung. Trotz einer neuen Finanztransaktionssteuer ziehen die hohen Zinsen enorme Mengen von spekulativem Finanzkapital aus den Industrieländern an. Während der Turbulenzen der vergangenen Woche floss jedoch ein Teil davon wieder ab.
Zugleich werden die brasilianischen Exportprodukte immer weniger wettbewerbsfähig. Sinkende Rohstoffpreise für Mineralien oder Soja könnten sich ebenfalls bald negativ in der Exportbilanz niederschlagen. Finanzminister Guido Mantega beklagt, die USA versuchten, ihre Wirtschaftskrise auch mit einem schwachen Dollar über den Export zu lösen.
Gegen diesen „Währungskrieg“ verkündete er weitere Steuern auf Finanztransaktionen und größere Kontrollen bei Termingeschäften. Einheimische Firmen werden bei öffentlichen Aufträgen bevorzugt, Technologieunternehmen bekommen günstige Kredite. Zudem dürfen sich personalintensive Firmen der Branchen Bekleidung, Möbel, Software und Schuhe, aber auch Kleinunternehmer generell über Steuererleichterungen und die Streichung von Sozialabgaben freuen.
Mit diesen Maßnahmen setzt sich Brasilien gezielt von den neoliberalen Rezepten ab, die in den USA und Europa dominieren. „Anstatt den Kurs zu ändern, reagiert man dort mit dem, was die Krise ausgelöst hat“, kritisiert Rousseff: In den USA schrumpfe die Rolle des Staates weiter, den krisengeschüttelten Ländern Südeuropas verordne ein „übernationaler Staat“ weitere Sparmaßnahmen.
Brasilien hingegen möchte die sozialdemokratisch grundierte Integration Südamerikas weiter vorantreiben, die im vergangenen Jahrzehnt begonnen wurde: Am letzten Freitag beschlossen die Finanzminister und Zentralbankchefs der zwölf südamerikanischen Staaten (Unasur) in Buenos Aires, einen regionalen Fonds einzurichten, um antizyklisch auf die Auswirkungen der Krise in der Region reagieren zu können.
„Unsere Märkte sind dynamischer als jene der Industrieländer, unsere Finanzen solide“, erklärte der Brasilianer Mantega. Optimistisch fügte er hinzu, Lateinamerika habe das Zeug, im 21. Jahrhundert zu einem „globalen Entwicklungspol“ zu werden.