Am Wochenende musste ich mir mal kurz die Augen reiben – ich fand auf Spiegel-Online einen am Anfang etwas zu euphorisch geratenen Artikel. In den Niederlanden solle es eine „radikale Reform“ geben, ja, einen „neuen Weg in Sachen Klimaschutz“. Die heutige Regierung will den Autofahrern neue Gebühren auferlegen, nämlich ein neues „Kilometergeld“. Abgeschafft werden sollen stattdessen das KFZ- und die „Autoanschaff-Steuer“.
Verkehrsrminister Camile Eurlings (CDA) jubelte regelrecht. Ja, das neue System sei ëhrlich“. Künftig werde nicht mehr der Besitz eines Autos bestraft sondern die Nutzung. Es werde nur noch halb so viele Staus geben, 59 Prozent aller Autobesitzer würden gar finanzielle Vorteile haben, ausserdem würde weniger Co2 in die Luft geblasen.
Die Kosten? Bis 2012 sollen die Niederländer um die drei Cent per Kilometer berappen, später um die 6,7 Cent. Wobei das wiederum nach Fahrzeugtyp gestaffelt werden wird und zu bestimmten – staugefährlichen Zeiten – kann der Preis auch noch erhöht werden. Ja, die Investitionen… Fünf Milliarden Euro (!) in das technische System (Kästchen im Auto, funktioniert via GPS und den wie in Deutschland bei den für LKWs aufgestellten Kontroll-Kameras auf den Strassen), laufende Kosten per Jahr um die 300 Millionen Euro.
Am Wochenende grummelten viele Niederländer in meiner Umgebung… Die meisten denken, dass sie am Ende mehr bezahlen werden, um am Ende wieder im Stau zu stehen. Denn die, die arbeiten, können gar nicht zu anderen Zeiten fahren als jetzt. Die einen wollen bzw. müssen ihre Kinder in den Kindergarten oder zur Schule bringen, bei den anderen wird der Arbeitgeber nicht mitspielen. Und, vorherrschende Meinung (die ich nuir teilweise teile), die meisten Auto-Niederländer sind mit der Qualität des öffentlichen Nahverkehrs unzufrieden und wollen deshalb nicht mit Bus, Tram oder Bahn zur Arbeit.
Am Montag gabs dann entsprechende Schlagzeilen. Bei De Telegraaf kamen „tausende Reaktionen“ zum Thema „Spionagekasten“ rein, die Leser machen sich Sorgen um den Datenschutz und damit ihre Privatsphäre, die Kosten der nötigen Bürokratie und die Frage, was denn passiere, wenn der Kasten einmal gestohlen werde. Ausserdem weisen sie auf die Situation an der Tankstelle hin. Der Preis für einen Liter Benzin bestehe bereits aus 70 Prozent Steuern und weil die Autobesitzer in sparsamere Autos investieren und die Regierung dadurch weniger Einnahmen habe, wolle die Regierung sich eben das Geld über das Kilometergeld zurückholen. Und wie sehe es eigentlich mit dem Ausland aus? Müssten die Ausländer (meist Deutsche oder Belgier!) nun auch auch bezahlen, und die Niederländer im ausland? Fragen über Fragen.
Die oppostionelle SP erkannte sogleich die Brisanz des Themas und nannte im Algemeen Dagblad den Plan „zu teuer, unehrlich und zu kompliziert“. Auch in Sachen Datenschutz sehen die Ex-Maoisten Probleme. Auch bei der gerade eingeführten OV-Chipkaart für den öffentlichen Nahverkehr würden die Behörden immer mehr über den Aufenthaltsort eines Bürgers erfahren.
Von der PVV Geert Wilders haben wir noch nichts zu dem Thema gehört. Dort ist man wohl in Sachen Auto-Verkehr noch immer sauer, weil die PVV-Anhänger beim neuen Autokennzeichen mit seinen drei Buchstaben nicht die Buchstaben-Kombination PVV benutzen dürfen. Vielleicht hören wir ja im Laufe der Woche irgendwas von Extra-Kilometer-Geld für Moslems, wer weiss. Ich denke, dass die anderen Oppositionsparteien sich dieses Themas annehmen werden. Nach den Umfragen der letzten Tage hat das amtierende Kabinett aus CDA, PvdA und CU nur noch 47 von 150 Parlamentssitzen, die Frage ist also, welche Rolle das Kilometergeld im Wahlkampf spielen wird. Wahrscheinlich eine grosse Rolle, allerlei Personen, Parteien und Organisationen werden sich des Themas annehmen. Ich vermute, dass es der Plan für das Kilometergeld am Ende doch so nicht umgesetzt wird.