Noch vor Oppositionsführer Etienne Tshisekedi, dessen Rückkehr nach Kinshasa nun für Mittwoch 8. Dezember vorgesehen ist, hat eine andere historische Figur jener hitzigen Zeit der früheren 1990er Jahre, als das damalige Zaire zwischen Diktatur und Demokratie schwankte und schließlich von Mobutu zerrissen wurde, eine glorreiche Rückkehr nach Kinshasa vollzogen. Mgr Laurent Monsengwo, höchster Würdenträger der katholischen Kirche des Kongo und damit der wichtigste christliche Führer der kongolesischen Nation, kehrte am 1. Dezember als frischgekürter Kardinal aus Rom nach Kinshasa zurück und ließ sich von Zehntausenden Anhängern begeistert feiern. Am vergangenen Sonntag 5. Dezember hielt er vor 80.000 Gläubigen eine aufsehenerregende Predigt-cum-Rede im großen „Stadion der Märtyrer“ im Stadtzentrum, Stätte der wichtigsten nationalen Feierlichkeiten des Kongo.
„Kinshasa, erhebe Dich und leuchte im Angesicht Christi!“ rief er der versammelten Menge zu, und im Angesicht des Elends der 10 Millionen „Kinois“ konnte man das durchaus als politischen Aufruf verstehen. „Indem er mich bestellt hat, in Bescheidenheit, Einfachheit und Demut dem Volk zu dienen, das mir anvertraut worden ist, lädt der Papst all jene, die im Land Macht ausüben, zu eben jenem Wunsch des Volkes ein“, fuhr Kardinal Monsengwo fort. „Er erinnert sie daran, dass Macht dem Gemeinwohl dient. Eine Macht, die sich nicht an erster Stelle um das Gemeinwohl und das Volk sorgt, sondern um die eigenen Interessen, ist eine Macht ohne Sinn.“
Alle seien aufgerufen, für den Frieden zu arbeiten, vor allem im Osten des Landes, so Monsengwo weiter. „Es ist zwecklos, so viele Männer und Frauen zu töten, so viel unsagbare Gewalt zu verüben, um Geld zu machen. Das ist kriminelles Geld. Wir laden die von diesem Krieg betroffenen Personen ein, die Waffen niederzulegen und Frieden zu schließen, zunächst in Gerechtigkeit und dann in Versöhnung.“ Alle Kongolesen, schloss er schließlich in einer Verknüpfung von Bibelsprüchen und der Nationalhymne (Debout Congolais), sollten jetzt für den Aufbau eines „schöneren Landes“ tätig werden und sich und den Kongo „von Krieg, Rebellionen, moralischer Unordnung und sexueller Gewalt“ abwenden, „um den Rechtsstaat und die persönliche Disziplin zu kultivieren“.
Diese Predigt war durchaus eine Kampfansage an die Entwicklung des Kongo, in einer Zeit zu der Kongos Regierung zunehmend der schlechten Regierungsführung, der massiven Verletzung der Menschenrechte, der Toleranz für Kriegsverbrechen, der krummen Geschäfte und der persönlichen Bereicherung beschuldigt wird. Und unter Monsengwos Zuhörern befanden sich alle, die gemeint waren: Staatspräsident Joseph Kabila, Premierminister Adolphe Muzito, die Präsidenten der beiden Parlamentskammern und was der kongolesische Staat noch so an politischen und militärischen Würdenträgern zählt. Das Stadion war zum Bersten gefüllt und hörte gebannt und teils jubelnd zu, berichten kongolesische Quellen. Das Ereignis wurde außerdem vom Staatsfernsehen RTNC übertragen.
Die Botschaft ist offensichtlich angekommen. Das Kabila-Hardliner-Hetzblatt „L’Avenir“ spricht in seiner heutigen Ausgabe mäkelnd von „medial-politischer Masturbation“ und wundert sich allen Ernstes, daß die Kongolesen ihrem Kardinal mehr Aufmerksamkeit schenken als dem belgischen EU-Handelskommissar Karel De Gucht, ebenfalls zu Besuch in Kinshasa.
Der 71jährige Monsengwo, dritter Kardinal in der Geschichte des Kongo – das Land mit den meisten Katholiken in Afrika – ist eine herausragende Figur der kongolesischen Zeitgeschichte. Während der Mobutu-Diktatur wurde er zuerst Präsident der katholischen Bischofskonferenz und dann Erzbischof von Kisangani. In dieser Funktion wurde er 1991, als Mobutu scheinbar in eine Demokratisierung einlenkte und mit Etienne Tshisekedi seinen schärfsten zivilen Gegner zum Premierminister ernannte, Leiter der Souveränen Nationalkonferenz, die Zaire eine neue demokratische Ordnung geben sollte. Mobutu sabotierte die Demokratisierung, ließ Tshisekedi und die Nationalkonferenz auflaufen und ließ am 16. Februar 1992 einen „Marsch der Christen“ in Kinshasa blutig zusammenschießen. Aber weder Tshisekedi noch Monsengwo gaben auf. Ersterer versuchte vergeblich, weiterzuregieren; letzterer wurde Leiter eines Übergangsparlaments, das als Kompromißlösung versuchte, wenigstens einen Rest Fortschritt aus dem verfassungsrechtlichen Chaos zu retten, das der Machtkampf Mobutu-Tshisekedi hinterließ. All das brach zusammen, als ab 1996 die Kabila-Rebellion Zaire eroberte und daraus die Demokratische Republik Kongo machte, und Monsengwo ging daraus mit dem nicht unbedingt positiven Image eines ewigen Kompromißsuchers hervor. Je weiter aber danach der Kongo im Krieg versank, desto mehr wurde der Erzbischof wieder Inbegriff einer moralischen Integrität und Prinzipienfestigkeit, die in Kongos Politik längst verlorengegangen war.
Jahrelang wunderte sich der Kongo, warum in diesen Zeiten der Restauration autoritärer Herrschaft Monsengwo nichts mehr sagte. Jetzt spricht er wieder. Monsengwo und bald auch Tshisekedi zurück auf Kinshasas politischer Bühne – die Demokratische Republik Kongo betritt eine Art altvertrautes Neuland, aus dem diesmal hoffentlich etwas Besseres entsteht als vor knapp zwanzig Jahren in der Götterdämmerung Mobutus.