Ein kulinarischen Genüssen nicht abgeneigter Historiker teilte Spanien in drei Regionen ein: den Süden, wo man frittiert, das Zentrum, wo man brät, und den Norden, wo man schmort. Im Baskenland kann man alle drei Zubereitungsmethoden außergewöhnlich gut. Unmöglich, in den Tascas, Restaurants und Bars, egal welcher Kategorie, schlecht zu essen. Dabei steht der häusliche Bereich in Vielfalt und Qualität in keiner Weise nach, ist das Geschick der baskischen Frauen in der Küche sprichwörtlich. Alle kochen gut.
Und trotzdem ist die weibliche Note nicht so stark in der gehobenen Gastronomie vertreten, wie sie sollte. Einer Männerdomäne unter anderen in Euskadi, dem Baskenland. Freundschaft, Männerfreundschaft, wird unter Basken groß geschrieben. So groß die Liebe zum Essen und so groß die Treue zu Traditionen, so wichtig sind die „Amigos“: bei der Arbeit, im Sport oder den zahlreichen legendären Kochclubs, Geheimbünde, versteckt in Kellern oder Hinterzimmern, zu denen Frauen keinen Zutritt haben. Viel braucht es nicht zur Gründung einer solchen kulinarischen Gesellschaft, eines so genannten Txokos: ein paar Freunde, ein gemietetes Lokal ohne Ladenschluss, eine Satzung. Unabdingbar: Speisekammer, Küche und Bodega. Was gekocht wird? Traditionelle Gerichte, aufwändige Gerichte, Gerichte, die zu Hause nicht mehr zubereitet werden. Frisch erlegtes Wild, mit der Angel gefangener Besugo (Seebrasse) und getrockneter, gesalzener Bacalao (Kabeljau) in allen Variationen.
Und weil sich im Baskenland gesellschaftliches Leben in der Hauptsache ums Essen dreht, hat man dort zur Tapas-Kultur – dem Txiketeo oder auch Poteo – eine ganz besondere Beziehung. Der Brauch, sich am Tresen der Bars wie von einem Büfett die Minirationen, Pintxos genannt, selbst zu holen und im Freundeskreis mit einem Zurito (Bierchen) oder einem Txakolí, dem typischen Wein, im Stehen zu verspeisen, ist ein ausgesprochen gesellschaftliches Ereignis. Von Bar zu Bar geht es. Probiert werden außerdem Rioja aus dem baskischen Teil des Anbaugebiets oder vielleicht ein Pacharán, Schlehenlikör auf der Basis von Anis.
Die Saison für den Txox, das Sidra-Trinken, beginnt Mitte Januar, so um den 21., dem Fest des San Sebastián, und geht bis Mitte April. Die im Baskenland verwurzelte ländliche Tradition zieht während dieser Zeit Tausende von Personen in die Sidrerías, wo man den Apfelwein direkt aus dem Fass, den „kupelas“, ins Glas füllt, um den neuen Jahrgang zu testen. Auf den Ruf „Mojón!“ beenden die „Catadores“, Männer, die ausschenken, ihr Schwätzchen und zielen mit dem unter Druck herausschießenden Strahl Apfelwein ins Glas des Wartenden. Schnell müssen die jeweils Nächsten herantreten, soll kein Tropfen vergeudet werden. Die Methode macht übrigens Sinn, denn so kommt Sauerstoff ins Glas, der die Sidra noch prickelnder, frischer und fruchtiger erscheinen lässt.
Begleitet wird der Txox traditionell von Tortilla mit Bacalao (Klippfisch, irrtümlich oft Stockfisch genannt), frittiertem Bacalao mit Paprika oder Chuletón, einem großen Kotelett vom Grill. Zum Nachtisch gibt es Käse, geräucherten Idiazábal, mit Membrillo (Quittengelee) oder Walnüssen.
So beliebt ist das Ritual mittlerweile geworden, dass das Herstellen von Sidra oder Sagardoa (Apfelwein) längst keine Hausfrauensache mehr ist, sondern immer mehr den Önologen überlassen wird.
Das kleine Baskenland mit seinen drei Provinzen Álava (Vitoria), Guipúzkoa (San Sebastián) und Vizkaya (Bilbao) liegt eingebettet zwischen Frankreich, Navarra, La Rioja, Kastilien-León und Kantabrien. Meer und Berge bilden eine Einheit und sorgen für die Einmaligkeit der einfachen, aber vielseitigen traditionellen baskischen Küche, die sich am besten auf einem Gang durch die Jahreszeiten erfassen lässt.
Beginnen wir mit Weihnachten: An diesem Fest darf der Besugo (Seebrasse) aus dem Ofen nicht fehlen. An Dreikönig Angulas, die sündhaft teuren kleinen Glasaale. Im Februar Merluza (Seehecht), Star am baskischen Küchenhimmel, paniert, in Sauce oder als Kokotxas (Seehechtbäckchen) zubereitet.
Im März und April Cordero (Lamm), um Frühjahrspilze und junge Erbsen zu begleiten. Anschließend Anchoas (Sardellen) mit scharfer Pfefferschote und Knoblauch.
Im Sommer Salate, Pisto-Gemüse, gebratene oder gefüllte Paprikaschoten. Dann Chipirones (kleine Tintenfische), gefüllt oder in ihrer Tinte, und Bonito, der Tunfisch aus dem Norden, aus dem das berühmte Fischergericht Marmitako gekocht wird. Schlusspunkt des Sommers bilden die Sardinas (Sardinen), die wie überall mit Vorliebe draußen auf dem Grill zubereitet werden.
Dann folgt schon Herbstliches: Caza (Wild) mit einem guten Wein aus Rioja Alavesa, dem baskischen Teil des Anbaugebiets. In Rotwein gegarte Pfirsiche und Birnen, Panchineta de Tolosa (mit Creme gefüllte Blätterteigteilchen), Tostadas de crema (die der Leche Frita, dem gebratenen Pudding, entspricht) und Spinatkuchen.
Wenn Txarriboda ist, Schlachtfest, nähern wir uns wieder Weihnachten. Man kocht die beliebten Hülsenfrüchte und reichert sie mit frisch gemachten Chorizos und Morcillas (Würsten) an. Eine besondere Delikatesse sind übrigens die schwarzen Bohnen aus Tolosa.
Wer es leicht mag: Die Fischsuppe Purrusalda mit Bacalao ( Klippfisch) stärkt Leib und Seele. Tausend Kapitel wären an dieser Stelle nötig, um die zahlreichen Rezepte aufzuzählen, die die baskische Küche mit dem ganzjährig verfügbaren Trockenfisch bereithält: a la vizcaína, al pil-pil, al ajoarriero, mit grünen Paprikaschoten, al club Ranera… Übrigens heißt es, das Baskenland sollte man nicht verlassen, ohne mindestens drei verschiedene Rezepturen ausprobiert zu haben.
Purrusalda
Für ca. 4 Pers.: 250 g gesalzener, getrockneter Kabeljau (bacalao), 6 Stangen Lauch, 2 Knoblauchzehen, 3 oder 4 Kartoffeln, 8 EL Öl, Fischbrühe oder Wasser, Paprika, Lorbeerblatt, Olivenöl und Salz
Bacalao 24 Stunden wässern, das Wasser alle acht Stunden wechseln.
Den Klippfisch mit Flüssigkeit bedeckt in ein paar Minuten garen. Herausnehmen, abkühlen lassen. Die Gräten entfernen und klein zupfen.
In einem Topf in Olivenöl die Knoblauchzehen braten, wenn sie Farbe genommen haben, im Mörser zerstoßen.
Im selben Öl den in Stücke geschnittenen gewaschenen und geputzten Lauch und danach die grob gewürfelten Kartoffeln gut anschwitzen. Klippfisch zufügen und ein bisschen mit anbraten, dann die Brühe, in der der Fisch gegart wurde, angießen.
Zum Schluss den Knoblauch zugeben, mit ein wenig Paprika würzen, eventuell noch ein bisschen Brühe zufügen und ein Lorbeerblatt, mit Salz und vielleicht Pfeffer abschmecken.
Bei geringer Hitze 30 Minuten köcheln lassen. Wenn nötig, zum Servieren noch etwas mehr Brühe zugeben.
Bon profit!