von 07.11.2011

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Von Mila Brill, Teilnehmerin am 9. Workshop der taz Panter Stiftung. Thema diesmal: Scheitern.

Wir drei waren von dem langen Workshoptag in der taz und dem fast noch längeren Abschiedsabend schon ziemlich erschöpft, wollten eigentlich nur noch einen Schluck trinken in der Bar des Berliner City Hostels. Mit einer Diskussion über westliche Werte, die Außenpolitik Deutschlands und die Islamisten hatten wir an diesem Ort und zu dieser Zeit nun wirklich nicht gerechnet. Dann murmelte der Barkeeper, dass wir doch bestimmt Gymnasiasten seien, bei den blöden Antiwitzen, über die wir lachten.

Er selbst habe 17 Jahre Berlin hinter sich, und so kamen wir ins Gespräch. Anfangs ging es um mehr oder weniger harmlose Themen: Unser Problem war seine Ablehnung von engen Hosen für Männer und er störte sich an unserer Ausdrucksweise. Wir merkten schnell, dass da zwei vollkommen verschiedene Welten aufeinanderprallten.

Von Anfang an fiel es mir persönlich schwer, den ungewohnten Gesprächspartner ausreden zu lassen, oft musste er mich wiederum unterbrechen: „Lass mich doch auch mal ausreden.“

Er hingegen kam mit meiner Art, ihn erreichen zu wollen, nicht klar. Ich stellte ihm Fragen, aber statt kurz nachzudenken und zu antworten, schüttelte er immer wieder nur den Kopf und sagte: „Frag doch nicht immer warum, Digga.“

Es dauerte, bis wir uns gegenseitig ernst nahmen, aber letztendlich stellte ich fest, dass man tatsächlich auch einfach Hass oder Feindschaft sagen kann statt Ressentiment und das es das, was wir meinten auch noch treffender beschreibt. Dadurch kamen wir dann schließlich auch zu ernsteren Themen wie eben dem Hass. Er hasse Schwule, sagte er, er hasse die Amerikaner und die Israelis. Für sein Land, die Türkei, würde er sterben. Die Situation kam mir vor wie für eine Integrationsdebatte inszeniert. Da saßen wir, drei junge Teilnehmer eines journalistischen Workshops mit dem Thema Scheitern, tagsüber hatten wir noch über einen Artikel zur Integrationspolitik geredet. Und dann sprach dort ein junger türkischstämmiger Auszubildende all die unüberlegten Parolen aus, die „so einem wie ihm“ von den Intoleranten klischeegetreu zugeschrieben werden und von denen die Toleranten ihn lossprechen wollen. Mir wurde schnell klar, was eigentlich das Problem aber gerade auch das Interessante an dieser Diskussion war.

Er kam nicht über die Grenzen seiner Welt hinaus: er gestand zwar ein, dass überall auf der Welt gute Menschen geboren werden, vielleicht auch in Israel, aber da gebe es eben auch die Zionisten, die Kindermörder. Er gab zu, dass er niemals mit einem Schwulen befreundet sein könnte, selbst wenn er ihn nett fände, und zwar wegen des Bildes, das seine anderen Freunde dann von ihm bekämen. Aber das sei doch keine Angst, das sei eben weil das „ekelhafte Schwuchteln“ seien.

Wir kamen aber auch nicht über die Grenzen unserer Welt hinaus. Wir kamen nicht von dem Gedanken weg, dass wir den Druck, unter dem er steht, durchschauten. Wir konnten uns auf die Frage, ob wir denn keine Ehre hätten, nicht vorurteilsfrei einlassen. Wir konnten uns auf seine Person nicht vorurteilsfrei einlassen, und ihm gelang das andersherum genauso wenig.

Wir redeten uns die Köpfe heiß, alle vier, und es wurde uns allen immer klarer, dass unsere Kommunikation völlig scheiterte. Die Form spielte kaum noch eine Rolle, wir fanden inhaltlich einfach keine gemeinsame Basis, auf der wir hätten diskutieren können. Das war eine frustrierende Erkenntnis, aber für mich persönlich dadurch auch die eindrücklichste und endgültigste Erfahrung des Scheiterns in der gesamten Zeit des Workshops.

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