von 26.11.2010

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Gestörte Kommunikation zwischen Politik und Bürgern. Wie ändert man das? (Foto: Furryscaly/flickr.com/Lizenz: by-sa)

Wir leben in einer Zeit, in der politische Projekte immer größere Dimensionen annehmen. Ob Stuttgart 21, Atommüll-Endlager oder der Ausbau von erneuerbaren Energien: Viele Projekte ziehen sich über mehrere Legislaturperioden. Wer kennt sich da noch aus in Dingen, die bereits vor Jahren beschlossen wurden? Verwirrend! Vor allem dann, wenn eine neue Regierung plötzliche alte Projekte nicht übernehmen möchte und vielleicht genau das Gegenteil erzählt. Um langfristige Projekte legitimieren zu können, braucht es Kommunikation. Nur die klappt leider nicht richtig.
Wie man eindrucksvoll redet, wenn man ein Thema verkaufen will, weiß jeder Politiker. Doch es reicht nicht mit dem Finger in die Luft zu stechen und unheilvoll eine Oktave tiefer zu gehen. Um die Bürger langfristig zu überzeugen, muss man auch konkrete Fragen beantworten können. Was passiert zum Beispiel mit der frei werdenden Fläche, wenn der Stuttgarter Bahnhof unter die Erde verlegt wird? Mal hört man, dass ein Park geplant ist, dann wieder sollen Wohnungen gebaut werden, ein andermal spricht man von potenziellen Büroflächen.

Ähnlich konfus erscheinen auch viele andere langfristige Projekte. Doch woran liegt das? Eine Antwort: Die Kommunikation ist gescheitert. Aber warum? Was meint Kommunikation überhaupt? Kommunikation ist Kommunikation ist Kommunikation ist Kommunikation… Eben nicht! Kommunikation kann gut oder schlecht, nachhaltig oder kurzlebig sein.

Nachhaltige Kommunikation ist zunächst einmal beständig. Wenn Projekte für fünf Jahre in der Schublade verschwinden und plötzlich wieder auftauchen, ist der Bürger zu Recht misstrauisch. Außerdem – und das ist noch wichtiger – werden bei nachhaltiger Kommunikation beide Seiten mit einbezogen: Sender und Empfänger – Politiker und Volk. Jeder Kommunikationspartner muss die Bedürfnisse des jeweils anderen respektieren und kompromissbereit sein. Leider übergeht man die Wünsche der Bürger zurzeit erfolgreich – sei es bei den Protesten in Stuttgart oder den Demonstrationen gegen den Castor-Transport. Von einem gemeinsamen Ziel ist hier wenig zu erkennen.

Was bedeutet nachhaltige Kommunikation noch? Sie passt sich der Zeit und den Situationen an. Wenn alte Argumente entkräftet sind – weil sich zu Beispiel gesellschaftliche Rahmenbedingungen geändert haben – verliert ein Projekt womöglich seine Legitimation. Dann heißt es umdenken und sich den neuen Gegebenheiten anpassen.

Im Marketing hat man den Vorteil der nachhaltigen Kommunikation schon längst erkannt. So funktioniert es: Ein Unternehmer möchte sein Produkt an den Mann bringen. Er betrachtet den Kunden als Partner und lässt ihn an der Entwicklung des Produktes teilhaben. So passt sich das Produkt dem Kunden an und beide Seiten bekommen, was sie wollen: Der Unternehmer seinen Profit und der Kund ein Produkt, das ihm gefällt.

Ganz so leicht lässt sich dieses Schema zwar nicht auf die Politik übertragen, trotzdem kann man daraus lernen. Politik ist nun mal Dialog und Dialog kann nur funktionieren, wenn Sender und Empfänger auf Augenhöhe kommunizieren. Erst so bekommt der Bürger einen breiten Blickwinkel auf die Dinge, wird als Mit-Denker einbezogen und hat ein Mitspracherecht. Nachhaltige Kommunikation respektiert den Adressaten – und das ist das Wichtigste. Denn nur wenn eine Regierung ihr Volk ernst nimmt, auf Fragen antwortet und Meinungen nicht ignoriert, kann Kommunikation überhaupt erst funktionieren.

Text: Julia Lesch
Fotolizenz: by

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