Die Krise in der Elfenbeinküste, die die Nichtanerkennung des ivorischen Wahlergebnisses durch den amtierenden ivorischen Präsidenten Laurent Gbagbo hervorgerufen hat, zieht ihre Kreise in andere afrikanische Länder mit bevorstehenden Wahlen. Sogar in die Demokratische Republik Kongo, wo im Prinzip im November 2011 ein neuer Präsident gewählt wird.
Die Regierung von Präsident Joseph Kabila überlegt nämlich nun, die Regeln zu verändern, die bei der historischen Wahl von 2006 galten. So soll es keine Stichwahl mehr geben, sondern nur noch einen einzigen Wahlgang, bei dem dann die relative Mehrheit zum Sieg reicht, findet Informationsminister Lambert Mende. „Die Wahl in zwei Runden, wie sie 2006 ausprobiert wurde, entspricht nicht den Interessen des kongolesischen Volkes“, behauptete am 3. Januar der nie um eine intellektuelle Pirouette verlegene Mende. Nur einen Wahlgang abzuhalten wäre billiger und würde dem Kongo ethnische Spannungen und Konflikte ersparen.
Die Opposition wittert darin ein fieses Manöver. Es handelt sich um die MLC (Mouvement de LIbération du Congo) des in Den Haag inhaftierten Jean-Pierre Bemba, der Kabila 2006 in die Stichwahl gezwungen hatte, sowie den zur Opposition übergelaufenen ehemaligen Parlamentspräsidenten Vital Kamerhe und auch das Umfeld des historischen Oppositionsführers Etienne Tshisekedi, der im Dezember in seine Heimat zurückgekehrt war. Die MLC (die noch keinen Präsidentschaftskandidaten hat), Kamerhe und Tshisekedi machen sich Hoffnung darauf, daß sie gemeinsam Kabila im ersten Wahlgang unter 50 Prozent drücken können, wie es bereits 2006 der Fall war, und ihn dann in einer Stichwahl schlagen, wenn sie ihre Kräfte bündeln – so wie es in der Elfenbeinküste Alassane Ouattara gegen Laurent Gbagbo geschafft hat. Dort hatte Gbagbo im ersten Wahlgang vorn gelegen, aber Ouattara schmiedete für die Stichwahl das breitere Bündnis. Gbagbo mußte das ihm hörige Verfassungsgericht mobilisieren, um die Ergebnisse der Wahl soweit zu annullieren, daß er sich zum Sieger ausrufen konnte.
Im Kongo wird weithin erwartet, daß auch Kabilas Allianz AMP alle Hebel in Bewegung setzen wird, um die Opposition bei den Wahlen kleinzuhalten. Eine unabhängige Justiz, die sich politischem Druck zur Verfälschung des Wahlergebnisses widersetzen könnte, gibt es im Kongo sowieso nicht. Umso wichtiger ist Transparenz und Überwachung des Wahlprozesses selbst, auch von internationaler Seite. Im Kongo herrscht die Stimmung vor, daß die internationale Gemeinschaft sich anders als 2006 nicht mehr für den Kongo interessiert und man daher nicht auf internationale Unterstützung zählen darf. Oppositionelle im Kongo weisen sowieso darauf hin, daß der geltende Wahlkalender – der sich bis ins Jahr 2012 hinzieht – möglicherweise verfassungswidrig ist, denn die Amtszeit von Präsident und Parlament beträgt fünf Jahre und läuft gegen Ende 2011 ab. Und Regierung und Opposition streiten sich um die Besetzung der neuen Wahlkommission CENI, die die bisherige „unabhängige Wahlkommission“ CEI ablösen soll. Die Oppositionsvorschläge für den CENI-Vorstand werden bislang vom Regierungslager abgelehnt.
Nötig für eine Änderung des Wahlrechts zur Abschaffung einer Stichwahl wäre eine Verfassungsänderung, denn die Präsidentschaftswahl in zwei Runden ist in Artikel 71 der geltenden Verfassung festgeschrieben. Nun wird in Kinshass darüber gestritten werden, ob diese und andere geplante Verfaassungsänderungen, beispielsweise zur Verschiebung der geplanten Neuaufteilung der Provinzen, nicht selbst einen Verfassungsbruch darstellen.
Diese und andere Probleme haben mehrere Oppositionsparteien, angeführt von der MLC und der ehemaligen ostkongolesischen Rebellion RCD, zu einer gemeinsamen Erklärung bewogen, die am 30. Dezember 2010 veröffentlicht wurde. Die geltende Verfassung sei „das Thermometer der Normalität des Lebens der Republik“ und müsse „von allen“ respektiert werden, auch vom Staatschef, erklären sie. Die geltenden Regeln für die Wahlen müßten unverändert bleiben, die Wahlkommission CENI arbeitsfähig werden. Weiter weist die Opposition auf „die Vervielfachung von Akten der Einschüchterung gegenüber Oppositionellen“, „die Politisierung von Staatsunternehmen“ und ein „Klima der juristischen und politischen Unsicherheit“ hin.
Die Kongolesen gehen also mit zwiespältigen Gefühlen in das Jahr 2011. Kein Geringerer als der Staatschef selbst hat dieser Stimmung Ausdruck gegeben. „Die Bilanz unserer 50 Jahre Unabhängigkeit ist gemischt“, erklärte Joseph Kabila in seiner Neujahrsansprache an die Nation. „Wir hätten es besser machen müssen und können“. 2011 werde allerdings „ein Jahr, an das sich unsere Nachkommen erinnern werden“. Was er damit wohl meint?