Die amerikanische Presse empört sich, dass Nordkorea zwei amerikanische Journalistinnen koreanischer Herkunft, Euna Lee und Laura Ling, zu zwölf Jahren Arbeitslager verurteilt hat; die beiden wollten für den US-Minisender Current einen Film über die Zustände in Nordkorea drehen, ohne Drehgenehmigung natürlich; vermutlich sind sie in der Nähe der chinesischen Grenze entführt und ausgeliefert worden.
Nur, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, Nordkorea ist eine brutale Diktatur ohne einen Funken von Menschenrechten, zwölf Jahre Arbeitslager für den Versuch, einen Film zu drehen, ist tatsächlich empörend (wobei die beiden wahrscheinlich früher oder später freigekauft werden), und je eher welcher Kim auch immer dran ist, von der Macht verschwindet, desto besser.
Dass sich aber ausgerechnet Amerikaner aufregen, ist heuchlerisch. Tatsächlich regulieren es auch die USA, welche Ausländer innerhalb ihrer Grenzen Filme machen oder Artikel schreiben dürfen. In der Regel werden Ausländer, die ohne Genehmigung der US-Regierung journalistisch tätig werden, zwar nur abgeschoben und nicht eingesperrt. Wenn aber, sagen wir mal, zwei palästinensische Journalisten aufgegriffen würden, die versuchen, einen Film über Guantanamo zu drehen, die dürften auch so bald das Sonnenlicht nicht mehr sehen.
Ein ähnlicher, wenngleich weniger krasser Fall machte neulich Schlagzeilen: Saudi-Arabien gewährte US-Journalisten, die Barack Obama auf seinem Trip in den Mittleren Osten begleiteten, den visafreien Zutritt, allerdings unter der Bedingung, dass sie nur über den Obama-Besuch berichten dürften, nicht über lokale Ereignisse. Auch da gab es Empörung, aber unter der exakt gleichen Rechtslage arbeiten ausländische JournalistInnen in den USA. Wobei die, immerhin, nicht verschleiert herumlaufen müssen.
Eva C. Schweitzer, Manhattan Moments. Geschichten aus New York. Droemer-Knaur, Juni 2009.