vonDetlef Guertler 23.11.2008

taz Blogs

110 Autor*innen | 60 Blogs
Willkommen auf der Blogplattform der taz

Mehr über diesen Blog

Banken sammeln Geld bei Anlegern ein und vergeben Kredite an Kreditnehmer, und mit der Differenz zwischen Guthaben- und Kreditzinsen zahlen sie ihre Beschäftigten, ihre Filialen, die Zahlungsausfälle von Schuldnern und ihre Dividenden. So weit das ganz klassische Modell. Was aber macht eine Bank, die mehr Anlegergeld als Kreditnachfrage hat? So wie traditionell die Postbank und vor einigen Jahren die Landesbanken, die sich noch vor dem Wegfall der Gewährträgerhaftung im Jahr 2005 günstig mit Fremdkapital eingedeckt hatten? Sooo günstig, dass man das Geld einfach in den Tresor legen könnte, war es denn doch nicht, und auch die Zinsen aufs Postsparbuch müssen ja irgendwie verdient werden. Die grenzgeniale Antwort dieser Banken: Wir machen Kreditersatzgeschäft. Das Geld, das wir eigentlich als Kredit vergeben könnten, legen wir selbst irgendwo an.

Besonders hübsch hat das die Postbank in ihrem Geschäftsbericht für 2007 formuliert: (PDF)

Der hohe Einlagenüberhang der letzten Jahre wurde von der Postbank u. a. in strukturierten Kreditverbriefungen als Kreditersatzgeschäft angelegt. Hierzu investierte die Postbank in international diversifizierte Kreditverbriefungen, um zur Optimierung ihres Risiko/Return-Profils eine breite Streuung des Kreditrisikos über verschiedene Kundengruppen, Ratingklassen und geografische Regionen zu erzielen. Vor dem Hintergrund der Konzentration ihrer Geschäftstätigkeit auf den deutschen Markt mindert dies die Abhängigkeit der Postbank von der konjunkturellen Lage in Deutschland und eröffnet ihr gleichzeitig die Chance, von der positiven Entwicklung in anderen Märkten zu profitieren. Die Anlagen erfolgten unter restriktiven Vorgaben und durchliefen die intensiven Kreditprozesse der Postbank, sodass uns die Turbulenzen an den Kapitalmärkten im Jahr 2007 nur in begrenztem Ausmaß getroffen haben. Die finanziellen Auswirkungen werden im Lagebericht und in den Notes dieses Geschäftsberichts beschrieben.  Da die im Lagebericht und in den Notes bei der Darstellung des Handelsergebnisses erwähnten Effekte aus der Bewertung der in diesen Kreditverbriefungen eingebetteten Derivate nicht in Zusammenhang mit dem originären Handelsergebnis der Postbank stehen, werden wir auch zukünftig die Effekte gesondert ausweisen.

Zu deutsch also etwa: Wir haben die Gelder der Postsparer in über die Welt verstreuten komplexen Wertpapieren angelegt, die wir selber nicht verstanden haben und die uns gerade um die Ohren fliegen. Weil wir aber so tun wollen, als hätten wir 2007 ein gutes Ergebnis erzielt, haben wir die Augen zu- und diesen Schrott in der Bilanz weggedrückt.

Der Fehler lag schon im Wort: Es handelt sich hierbei natürlich nicht um ein Kreditersatzgeschäft, sondern um ein Kreditgeschäft: Hinter jedem dieser CDO-, MBS-, ARS- oder ABS-Papiere standen irgendwo am Ende der Verbriefungskette reale Kredite und reale Schuldner, schliesslich sollte ja irgendjemand irgendwann das ganze Geld zurückzahlen. Anstatt dem Postsparer einen Kredit auf sein Häuschen in Holzwickede zu geben, hat die Postbank lieber einem mexikanischen Erdbeerpflücker einen Kredit auf sein Häuschen in Kalifornien gegeben. Das scheint ja wohl kein Kreditersatzgeschäft gewesen zu sein – sondern ein Gehirnersatzgeschäft.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/kreditersatzgeschaeft/

aktuell auf taz.de

kommentare