Oder „Girit“, oder „Kandiye“, wie die Insel einmal unter Osmanen hiess. Eigentlich keine Insel, sondern ein „Land“ für sich, das Gegenstück zu Neverland, weil es soviel existiert, dass man selbst Teil wird dieser vollen Existenz. Es ist wahr: Die Mittelmeersonne stellt alles klar und reinigt die Seele.
Kreta in Sicht.
Einfach auf ein Boot steigen und von Marmaris nach Rhodos, Karpathos und Kreta fahren. Das ist jedenfalls unsere Route (auf dem Hinweg) gewesen und ich beabsichtige noch ausführlicher in der Zeitung darüber zu schreiben. Deshalb hier erst einmal nur ein Paar grobe Einzelheiten.
Heraklion / Kandiye: Die Burg am Kai.
Von Marmaris mit einem mittelgrossen, bequemen Schiff nach Rhodos gefahren. Das kostet ca 50 Euro und dauert eineinhalb Stunden. Die Fahrten zwischen den griechischen Inseln und dem türkischen Festland sind die teuersten, weil hier nicht nur eine Grenze überschritten wird, sondern offenbar auch ein Monopol herrscht. In der Ägäis gibt es den Wettbewerb, was die Preise ziemlich reduzierte. So kostet die Fahrt von Rhodos nach Kreta – eine insgesamt fast 14stündige Reise – genauso viel.
Nach zwei Tagen auf Rhodos haben wir das Kreta-Schiff verpasst und sind mit dem nächsten nach Karpathos gefahren. Diese schmale und lange Insel hiess zu osmanischen Zeiten Kerpe und hat einen rauhen Charme. Es weht ein kräftiger Wind, man ist in Aufbruchsstimmung. Eine rege Bautätigkeit zeugt von erst ansetzendem Tourismus. Tui und andere Reiseveranstalter karren die Massen in Betonkästen, es gibt relativ gute Sandstrände und einen Flughafen für Charterflieger. In der Hafenstadt sieht man die Massen nicht, höchstens mal im Bus vorbeizischen, sonst ist es ruhig und sehr nett hier. Ein Zweizimmer-Appartment mit Balkon zum Meer, Kochnische, Kühlschrank, Klima – für 45 Euro, man kann nicht klagen.
Pigadia auf Karpathos. Vom Winde verweht.
Von Rhodos gibt es zwei Routen: Die eine führt über Karpathos und Santorin nach Piräus. Die andere wieder über Karpathos nach Kreta. Nach drei Tagen hier nahmen wir also die Kreta-Fähre. Ein prächtiges Schiff der ANEK Lines, grosses Aussendeck, guter Kaffee, herrliches Wetter. Und nach einer der schönsten Seereisen meines Lebens war die Insel in Sicht. Zorbas, nein, Kazandjakis‘ Kreta. Ein eigenständiges Land mit 2500 Meter hohen Bergen, 30 Millionen Olivenbäumen, herrlichen Düften, unendlicher Landschaft, mit einem nach meinen Begriffen sehr angepassten, sanften Tourismus, riesigen Schluchten, über denen Adler kreisen und vor allem im Süden, in Khora Sfakion, hochgewachsenen, schwarz gekleideten Menschen, die mich sehr an unsere „Bergvölker“ in Nordostanatolien erinnerten. Eine Griechin, die ich später auf der schicken Insel Paros traf, lächelte, als ich von Kreta sprach, und machte mit ihrer Hand eine Schießbewegung: Die Kreter, wollte sie sagen, lieben die Waffe. Und ein Kreter, den ich nach seinem Verhältnis zu Griechenland fragte, sagte: Griechenland ist weit weit weg von hier. „Where are you coming from?“ – Istanbul. Strahlende Gesichter und ein wenig Staunen. „Konstantinopolis!“ rufen die Menschen und sagen: Da will ich einmal hin. Und erzählen, dass ihre Großmutter aus Izmir ist, oder ihr Onkel aus Ayvalik oder ihr Opa aus Istanbul. Drei Dinge habe ich sofort festgestellt: Das Michael-Müller-Buch Kreta ist gut. Der Kreter sagt „Raki“ aber meint eigentlich eine Art Grappa. Und das beste Begleitbuch auf der Insel ist „Der Koloß von Marnoussi“ von Henry Miller.
Mehr über Kreta, bald.