Die Europäische Lebensmittelbehörde hat nicht nur einen Gentechnik-Ausschuss, über den wir hier regelmäßig schimpfen, sondern auch einen wissenschaftlichen Ausschuss für Tiergesundheit und Tierschutz. Der hat heute eine unglaubliche Innovation empfohlen: Kühe gehören im Sommer auf die Weide. Die wichtigste Ursache für das Leiden der Tiere sei deren einseitige Züchtung auf maximale Milchleistung, sagen die Wissenschaftler in ihrem heute veröffentlichten Gutachten.
Wer kein Wissenschaftler ist, wird sich nicht wundern: Wenn sie den ganzen Tag angebunden sind, ihre Laufställe zu klein, die menschliche Betreuung unfreundlich oder gar grausam und der Zugang zu Wasser und Futter beschränkt sind, dann geht es Kühen eben schlechter. Drogenmissbrauch macht sie nicht glücklicher, Hitze, und schlechte Luft vertragen sie gar nicht gut und auf dem nackten Beton liegen sie schlechter als auf Stroh. All dies und vieles mehr ist jetzt auch „Stand der Wissenschaft“. Eine sechsköpfige Minderheit der Wissenschaftler ist sogar der Meinung, dass Anbindehaltung gänzlich verboten werden sollte und alle zusammen sind sich einig: Im Sommer sollten Kühe auf die Weide kommen. Auf jeden Fall brauchen sie Auslauf und genügend Raum für ein angeregtes Sozialleben.
Bemerkenswert ist die klare Aussage, dass die genetische Auswahl der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich ist für ein Grossteil der Leiden des modernen Milchviehs. Die einseitige Auswahl auf Höchstleistungen habe andere Aspekte wie die Widerstandskraft gegen Krankheiten und Ausdauer vernachlässigt. Die Steigerung der Jahres-Milchleistung pro Kuh (siehe Grafik), die zu 50% ein Züchtungserfolg sei, kann so nicht weitergehen. Ausserdem verweisen die Wissenschaftler darauf, dass sich als Folge dieser Zucht die Körpermasse der Tiere geändert haben. Sie sind schwerer und grösser und brauchen entsprechend mehr Platz in ihren Boxen. Sie haben häufiger Probleme mit den Beinen, die ihre angeschwollene Masse tragen müssen und sie haben wegen der rücksichtslosen Züchtung auf maximalen Milchertrag immer mehr Euterprobleme. Futterkonzentrate, ohne die die Höchstleistungen nicht zu realisieren sind, bieten schließlich zu wenig Faserstoffe und führen zur Übersäuerung der verschiedenen Mägen.
Kurz und gut, die Wissenschaft hat festgestellt: Kühe brauchen Sonne (und Schatten), frische Luft und gutes Gras, genügend Auslauf, bequemes Liegen, wenig Stress und viel Liebe. Wir erwarten nun entsprechende EU-Verordnungen.
Keinerlei Aussage machen die Wissenschaftler unverzeihlicherweise über die Wohlfühlaspekte der Kuhglocke