In dem Reader „Konsum-Guerilla“ konstatieren die Herausgeber, dass „Schnäppchenjäger“ sich zu „Smart Shoppern“ wandeln, während der „souveräne Konsum zur elementaren Bürgerpflicht“ avanviert. Quer zu dem verhalte sich die „Konsum-Guerilla“. Dazu interviewten die Herausgeber u.a. den Kulturforscher Diedrich Diederichsen.
Er versteht unter „Konsumguerilla“ 1. dass die Bedeutung von Produkten subversiv angegangen wird (das Hijacken von Logos und Zeichen), eine Idee, „an die aber heute keiner mehr recht glaubt“, weil „die Stabilität der Verhältnisse nicht so direkt von bestimmten Bedeutungskulturen abhängig ist. Mit solchen Praktiken ist man mittlerweile auf der Marktseite gelandet.“ 2. dass Waren „etwas versprechen, was sie selbstverständlich nicht halten. Ich denke, das ist der Ansatzpunkt: Das Versprechen der Waren mobilisieren. Jedoch nicht auf deren Feld: Ich denke eigentlich, dass man dem Prinzip der Ware nicht mit alternativen Waren entgegentreten kann. Man muß auf der Ebene des Prinzips oder eben gegen es agieren.“ Die „human hergestellte oder die besser oder fairer hergestellte bzw. fairer gehandelte Ware ist nicht die Lösung des Problems.“ 3. Die Lösung oder vielmehr „das eigentliche Thema“ sieht Diederichsen in der „Künstlerposition“, also dass man sich in der Kunst die Frage stellt: „Was wäre ein Objekt, ein Fetisch, eine Haltung, ein Prozeß, ein Versprechen, das anders funktioniert als Ware?“
Mit dem Kunstprojekt „Le Grand Magasin“ passiert demnächst jedoch eher das Gegenteil: 1. wird aus dieser temporären Verkaufsausstellung eine Konsumgenossenschaft auf Dauer. 2. wird die kommunale Galerie dann mit einem angemieteten Laden vertauscht. Und 3. werden die darin ausgestellten Waren dadurch völlig aus dem Kunstkontext gelöst.
Wegen der baldigen Konsumgenossenschafts-Gründung sprachen wir gerade mit Dr. Burchard Bösche vom Hamburger „Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften“. Über die letzten genossenschaftswissenschaftlichen Jahrestagungen meinte er: Sie sind Ausdruck der Krise des Genossenschaftswesens. Aber wieso Krise, wenn doch seit 2006 wieder vermehrt Genossenschaften gegründet werden? Seine Antwort: Es ist immer noch ein Image-Nachteil, eine Genossenschaft zu sein, deswegen werde das eher verschwiegen, z.B. von den Produktivgenossenschaften, wenn sie mit ihren Produkten auf den Markt gehen. Sie wurden früher vor allem in Bereichen verlorener Arbeitskämpfe gegründet. Und sie gingen dann den Leuten auf die Nerven, indem sie von allen verlangten: „Kauft unsere Produkte!“ (Vielleicht so ähnlich wie die Verkäufer von Obdachlosen-Zeitungen?)
Besonders die Konsumgenossenschaften waren davon betroffen, so dass diese die Gewerkschaften schließlich aufforderten, die Gründung von Produktivgenossenschaften nicht zu unterstützen. 1891 distanzierte sich sogar der SPD-Parteitag von den Produktigenossenschaften, auch praktisch. Abgesehen davon gelten Produktivgenossenschaften seit über 100 Jahren als gescheitertes Modell. Und der deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) z.B. ist sowieso phobisch gegenüber der „économie sociale“ eingestellt.
Dies erklärt vielleicht, warum auf der vorletzten Diskussionsveranstaltung von Le Grand Magasin der DGRV-Vertreter die Kooperationswünsche vom Netzwerk für soziale und solidarische Ökonomie (Karl Birkhölzer) mit der Bemerkung zurückwies: Wir sind eine Interessensvertretung des Mittelstandes.
Wenn er jemandem den Unterschied zwischen Genossenschaften und anderen Unternehmen verdeutlichen will, geht Bösche mit demjenigen in das Genossenschaftsmuseum, das sein Zentralverband in Hamburg betreibt, zeigt ihm eine Vitrine, in der drei Genossenschaft-Liedersammlungen liegen – und fragt: „Können Sie sich vorstellen, dass es jemals eine Aktiengesellschafts-Liedersammlung geben wird?“