vonErnst Volland 17.01.2010

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Eingebrannte Bilder
Werke von Ernst Volland in Orangerie der Kunstsammlung Gera

Von Angelika Bohn

„Eingebrannte Bilder“ präsentiert die Kunstsammlung der Otto-Dix-Stadt Gera seit 14. Januar im Mittelpavillon der Orangerie. Die Sonderausstellung, die bis 21. Februar gezeigt wird, entstand in Kooperation mit der Heinrich-Böll-Stiftung Thüringen e.V. und rückt Arbeiten des seit 1968 in Berlin lebenden Künstlers Ernst Volland in den öffentlichen Fokus.


(Volland BT1 2007, Copyprint auf Fotopapier )
Volland, der zur Eröffnung in Gera weilte, gilt als einer der eigenwilligsten Medienkünstler in Deutschland. Er wurde anfangs durch surreal groteske Zeichnungen und in den 1970/80er Jahren vor allem durch die engagierte, politische Kunst seiner gesellschaftskritischen Plakate, Karikaturen und Fotomontagen bekannt.

Die Ausstellung zeige keinen Gesamtüberblick über das Schaffen des Künstlers, sondern konzentriere sich vielmehr auf ausgewählte Arbeiten der Werkgruppe seiner „Unschärfe-Bilder“, die ab 1993/94 entstanden, erläutert der Leiter der Kunstsammlung, Holger Peter Saupe. Dabei arbeite Volland mit historischem Bildmaterial, nehme offizielle Pressefotos, Fotografien und Filmstills von historischen Ereignissen als Ausgangspunkt seiner künstlerischen Arbeit. Es sind Bilder wie die von Anne Frank, dem Zaun von Auschwitz, dem Kniefall von Willy Brand in Warschau oder vom Fall der Berliner Mauer, die sich durch häufige Reproduktion und Verbreitung in den Medien bereits in das kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben. Durch Vergrößerung und Mittels gezielt eingesetzter Unschärfen verfremde und erweitere Volland die Bildinhalte um eine neue Bedeutungsebene, die auf andauernde Aktualität verweise.

(Volland E9, 1997 Fotografie)
Volland habe ein sensibles Gespür für historisch aufgeladene und sehr wirkungsvolle Bilder entwickelt. Mit seinen „Eingebrannten Bildern“ vertrete er eine künstlerische Position, die nicht nur sehr konsequent auf den Dialog mit dem Betrachter setzt, sondern den Dialog geradezu einfordere und durch den Wiedererkennungseffekt der bekannten Bildmotive die Auseinandersetzung mit deren politischen Inhalten provoziere.

Ernst Volland wurde 1946 in Bürgstadt/Miltenberg am Main geboren und wuchs in Wilhelmshaven auf. Ab 1967 studierte er zunächst in Hamburg, dann in Berlin Bildende Kunst. 1972 wurde er Meisterschüler. Seit Anfang 1970 beschäftigte er sich mit politisch-satirischen Plakaten. Von 1975 bis 1985 hatte er Lehraufträge für Karikatur, Fotografie und Fotomontage an verschiedenen Hochschulen. 1982 erfand er den französischen Maler „Blaise Vincent“ und malte dessen Bilder im Stil der „Neuen Wilden“, die rasch Erfolg und Aufmerksamkeit errangen. Der Bilderfake wurde 1983 in einer Dokumentation und Ausstellung veröffentlicht. 1987 gründete Ernst Volland die Fotoagentur „Voller Ernst“, die heute weltweit als Agentur für skurrile und komische Fotos fungiert. Der in verschiedenen Medien agierende Künstler betätigt sich darüber hinaus als Filmemacher, Schauspieler, Kurator, Publizist, Verleger und Herausgeber von Büchern zum Thema Fotografie.

Seit Ende der 1980er Jahre setzte sich Volland verstärkt mit historischen Themen wie Krieg und dem Völkermord an den europäischen Juden auseinander. Anfang der 90er Jahre beschäftigte er sich mit freien Fotoarbeiten. Eine seiner wesentlichen Anregungen dafür erhielt er 1991 durch die Begegnung mit dem russischen Fotografen Jewgeni Chaldej (Jg. 1916) in Moskau. Die Persönlichkeit und die expressiven fotografischen Bilder von Chaldej, der im Zweiten Weltkrieg als Frontkorrespondent für die Prawda und die Nachrichtenagentur TASS fotografierte, hatten Volland stark beeindruckt. 2008 kuratierte er eine umfangreiche Werkschau des russischen Fotografen im Berliner Martin-Gropius Bau.

Gera ist nach Berlin und Stuttgart zwar die dritte Station der „Eingebrannten Bilder, erstmals jedoch werden sie in einem Kunstmuseum gezeigt und „somit in einem wertfreien künstlerischen Zusammenhang“, betont Saupe. Zur Ausstellung liegt der Katalog „Ernst Volland – Eingebrannte Bilder“ der Heinrich-Böll-Stiftung vor, mit zahlreichen Werkabbildungen, einem Text von Bernd Hüppauf und einem Interview von Eckart Gillen mit Ernst Volland.

Kunstsammlung Gera, Orangerieplatz 1  07548 Gera

Fragen an und Antworten des Künstlers zur Ausstellung

Was verbirgt sich hinter dem Titel „Eingebrannte Bilder“?

Ernst Volland: Unter „Eingebrannten Bildern“ verstehe ich Bilder, die sich aus einer Vielzahl von Bildern in unser kollektives Gedächtnis eingebrannt haben. Im 20. Jahrhundert sind dies vor allem Fotografien. Das kollektive Gedächtnis registriert vor allem oft reproduzierte Motive, die so zu Bildikonen geworden sind.

Wie ist die Auswahl der Motive entstanden und welchen Zeitraum deutscher/internationaler Geschichte umfassen sie?

Ernst Volland: Ich beschäftige mich seit Jahren mit Themen der Fotografie, habe 1987 die Fotoagentur „Voller Ernst“ gegründet und zahlreiche Ausstellungen zum Thema Fotografie kuratiert. Ich selbst nutze als Künstler die Fotografie für eigene Kunstwerke. Das Medium ist mir sehr vertraut. Während ich von 1970 bis zum Ende der 80er Jahre Fotos für Collagen und Fotomontagen verwendete, beschäftige ich mich seit Anfang der 90er Jahre mit Unschärfen. Ich wähle vor allem Bild-Ikonen aus dem 20. Jahrhundert für meine Arbeiten aus. Bildmotive, die erst gestern in den Zeitungen abgedruckt worden sind, eignen sich nicht zu Ikonen der Fotografie. Erst im Laufe der Jahre setzt sich das eine oder andere Motiv zur Ikonenbildung durch.

Im Zeitalter der Digitalfotografie haben sich ein Misstrauen gegenüber Bildern und ein Zweifel an der dokumentarischen Zuverlässigkeit gebildet. Sie arbeiten ganz bewusst mit der Unschärfe als Mittel. Warum?

Ernst Volland: Die Antwort ist vielleicht paradox, aber die Unschärfe macht scharf, jedenfalls in der Form, wie ich sie nutze. Seitdem ich mich intensiv mit der Fotografie beschäftige, sind mir Fotos aufgefallen, die für eine bestimmte historische Situation stehen. Ein Beispiel ist das Foto aus dem Vietnamkrieg, ein nacktes Mädchen läuft weinend auf der Straße. Dieses Foto hat mich schon in den 70er Jahren, als es das erste Mal veröffentlicht worden ist, beeindruckt. Es hat sich im Laufe der Jahre als Symbol Bild für das Leiden im Vietnamkrieg, für das Leiden in einem Krieg überhaupt, durchgesetzt und sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Ein wichtiges Mittel für das Einbrennen fotografischer Bildmotive in das kollektive Gedächtnis ist ihre häufige Reproduktion und Besonderheit des Motivs. Massenhafte Reproduktionen führen jedoch auch zur Abstumpfung der Wahrnehmung und Banalisierung der Inhalte, die sie darstellen. Häufige Reproduktion schließt Besonderheit aus, zerstört jede Besonderheit.

Indem ich das inflationäre Bild künstlerisch, ästhetisch verändere, mittels unterschiedlichster Graduierungen von Unschärfe und einer radikalen Veränderungen des Bildformats, nehme ich das Motiv aus der permanenten Reproduktionsschleife heraus und bewerte es künstlerisch neu. Der Effekt ist, dass der Betrachter meiner Arbeiten zuerst ein diffuses Bild wahrnimmt und sich daraus ein Dialog zwischen Bild und Betrachter entwickelt. Wenn der Betrachter sich dem Bild stellt, erkennt er unmittelbar, dass er das darunter liegende, fast unsichtbare Motiv, schon einmal gesehen hat. Konzentriert der Betrachter sich auf diese diffuse Fläche, ist er in der Lage, das Ursprungsmotiv aus seinem persönlichen historischen Gedächtnis abzurufen.

In Ihrer künstlerischen Arbeit sind Sie in mehreren Medien zu Hause. Neben den Fotografien umfasst Ihr Werk vor allem Karikaturen und politisch-satirische Plakate. Gibt es einen gemeinsamen Nenner?

Ernst Volland: Ein Schwerpunkt meines Werkes ist die Satire, die politische Satire. Ich zeichne, collagiere, montiere, mache Fakes, schreibe Texte, die eindeutig satirisch sind und oft eine politische Intention haben. Bei den eingebrannten Bildern steht die Satire nicht im Mittelpunkt, jedoch Auseinandersetzung mit politischen Inhalten, Intention und deren öffentliche Wahrnehmung. Diese politische Linie bleibt auch in meinen neuesten großformatigen Arbeiten, die ich mit Buntstiften zeichne, deutlich zu erkennen.

Das Verhältnis von Kunst und Politik ist in der jüngeren Kunstgeschichte viel diskutiert. Wie verstehen Sie Ihre Arbeiten in diesem Kontext?

Ernst Volland: Ich verstehe mich als ein politischer Künstler, eine Bezeichnung, die viele Künstler, besonders etablierte Künstler, ablehnen. Sie wollen nicht politisch sein und halten die Kunst, die sie produzieren, für „frei“. Ich sehe das ganz anders. Ich halte mich für einen freien und unabhängigen Künstler, der nur das macht, was er für richtig hält.

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