Wenn Karl Lagerfeld im Grand Palais zu Paris seine Chanel-Kollektion im Heu präsentiert und dabei „Fuck-You-very-much„-Lily Allen aus dem Stallboden auftaucht, fragen wir uns: was teilt uns der Zeitgeist damit über die neue gesellschaftliche Rolle der Landwirtschaft mit?
Dass sie sich als idyllische Folie eignet? Dass sie chic wird? Dass perfektes Aussehen von gesunder Ernährung kommt?
Das blendende Weiss um die Hüften der Modells im Dialog mit den Haaren des Altmeisters – eine chiffrierte Sympathie-Bekundung mit dem Milchstreik? Loses, handfrisiertes Heu – eine geharnischte Kritik an dessen Degradierung zur Biomasse? Die neue Einfachheit der Haute-Volée? Ein Winke-Winke an „Bei-uns-zu-Haus-gibt’s-nur Bioprodukte„-Claudia Schiffer, die nach 22 Jahren (das muß Angie ihr erst noch nachmachen) vom Catwalk abtritt und nur noch in der ersten Reihe sass?
Wir wissen natürlich nicht was Lagerfeld in die Jeans und ins Heu getrieben hat, geschweige denn warum er seinen Modells Holzpantinen anzieht; wohl aber, daß er gemeinhin nichts dem Zufall überläßt. Und deshalb machen wir uns eben so unsere nächtlichen Gedanken: Ob wohl die Bilder seiner Show im nächsten Bauernkalender auftauchen werden? Ob die gestylte Unschuld vom Lande nach Paris bald auch Berlin und Manhatten erreicht, Wowi den Flughafen Tempelhof jetzt zum größten Heustadel aller Zeiten umbaut und die silberne Mistgabel zum heissesten Weihnachts-Accessoire am Hackeschen Mark wird, vom Duft der nächsten Chanel-Kreation ganz zu schweigen. Müssen wir gar damit rechnen, dass Claudia Roth im nächsten Sommer mit dem Mähdrescher zu den Bayreuther Festspielen vorfährt?
Und wer bitteschön, man wird ja hintersinnig, hat eigentlich dem Milch-Rebellen Romuald Schaber diesen obergeilen Schlapphut verpaßt, mit dem er letzten Montag in Brüssel Gerd Sonnleitner die Show gestohlen hat? Doch nicht etwa Country-Karl?
Eines scheint uns jedenfalls sicher: Landwirtschaft hat Zukunft. Ganz besonders in der Stadt.